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17.01.2007
REGIERUNGS-SPONSORING
Wohltäter ohne Namen
Von Björn Hengst, Hasnain Kazim
und Carsten Volkery
Wenn Ministerien feiern, zahlt häufig die private Wirtschaft die
Zeche: Sponsoring ist übliche Praxis. Der Bundesrechnungshof
bemängelt nun, dass die Regierung die Namen der Wohltäter
verschweigt und sich somit dem Verdacht der Käuflichkeit aussetzt.
Parlamentarier fordern jetzt mehr Transparenz.
Hamburg - Die Berichterstatter des Bundesinnenministeriums gingen
ausgesprochen penibel ans Werk: Auf 79 Seiten listen sie in ihrer
Übersicht private Sponsoringleistungen an Bundesbehörden auf,
fein säuberlich sind Empfänger, Art der Leistung sowie Wert
und Verwendungszweck aufgeführt. "Ca. 50 Euro" erhielt das
Bildungszentrum der Bundesfinanzverwaltung, Außenstelle Plessow,
und zwar für die "Bereitstellung von Süßwaren" für
das Kinderprogramm am "Tag des offenen Denkmals" am 12. September 2004.
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DPA
Soldaten feiern in Stuttgart auf dem Cannstatter Wasen: Bei Festen der
Bundeswehr springen auch schon mal private Sponsoren ein
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Häufig fielen die Sponsoringleistungen aber auch deutlich
üppiger aus: 3.612.500 Euro werden etwa in einem Fall für das
Gesundheitsministerium aufgeführt, eine "Spende für
Präventionsmaßnahmen zum Nichtrauchen für Kinder und
Jugendliche". Insgesamt kamen in der Zeit von August 2003 bis Ende 2004
mehr als 55 Millionen Euro an Sponsoringleistungen für die
Bundesverwaltung zusammen - den größten Anteil sammelte das
Gesundheitsministerium ein.
So exakt die Berichterstatter des Innenministeriums für ihren
ersten Sponsoringbericht auch vorgingen, zu einem Punkt schweigen sie
sich beharrlich aus: Über die Herkunft der Leistungen verlieren
sie kein einziges Wort.
"Gefahr des Generalverdachts"
Eben diese Lücke kritisiert jetzt der Bundesrechnungshof in einem
vertraulichen Prüfbericht, über den der "Stern" berichtet. In
dem Papier, das SPIEGEL ONLINE vorliegt, bemängelt der
Rechnungshof, dass "ohne namentliche Nennung der Sponsoren der
zentralen Forderung nach Transparenz nicht hinreichend Rechnung
getragen" werde. Es bestehe die "Gefahr, dass die Anonymisierung den
ganzen Bereich der Finanzierung durch Leistungen Privater einem
Generalverdacht aussetzen könnte". Der Bundesrechnungshof,
heißt es in dem Bericht, "ist sich des
Spannungsverhältnisses zwischen dem Zulassen privater Finanzierung
und der Gefahr einer vermuteten Einflussnahme auf staatliches Handeln
bewusst. Er hat festgestellt, dass dies in der Praxis Schwierigkeiten
bereiten kann".
Neu ist diese Erkenntnis nicht: Schon im April 2002 hatte der
Haushaltsausschuss des Bundestags festgestellt, dass ein Rahmen
für ein Sponsoring von Bundesverwaltungen gefunden werden
müsse, der das Budgetrecht des Parlaments gewährleiste und
zugleich für Transparenz sorge. Kurz zuvor hatte der
Bundesrechnungshof in einem internen Bericht an den Bundestag ermahnt,
Sponsoring könne "in den Bereich der Bestechung und
Bestechlichkeit" führen. Im Juli 2003 traten entsprechende Regeln
in Kraft: Das Bundesinnenministerium erließ eine Vorschrift mit
der umständlichen Bezeichnung "Allgemeine Verwaltungsvorschrift
zur Förderung von Tätigkeiten des Bundes durch Leistungen
Privater".
Darin ist zwar von "Offenlegung der Geld-, Sach- und Dienstleistungen
aus Sponsoring in einem zwei-jährlichen Bericht des
Bundesministeriums des Innern" die Rede - doch dürften
"Sponsoringleistungen im Gegenwert von je bis zu 5000 Euro
zusammenfassend dargestellt werden". Das heißt: Eine namentliche
Nennung von Sponsoren ist nicht zwingend.
20 Feiern mit Hilfe von EADS
Für die Auswahl von Sponsoren sieht die Vorschrift indes vor: "Die
Wettbewerbs- und Chancengleichheit potentieller Sponsoren muss gewahrt
werden. Die Entscheidung für einen Sponsor muss objektiv und
neutral getroffen werden und auf sachlichen und nachvollziehbaren
Erwägungen beruhen." Diese Regelung, interpretiert der
Rechnungshof, ziele darauf ab, "Haus- und Hofsponsoren" zu verhindern.
Genau dazu aber haben sich die Rüstungsunternehmen aber für
die Bundeswehr entwickelt. Dem "Stern" zufolge bezahlte zum Beispiel
EADS seit 2003 insgesamt 20 Feste - "Empfänge, Bälle
und Essen für Beamte, Bundeswehr und ihre Gäste". Insgesamt
habe der europäische Flugzeug- und Rüstungskonzern, einer der
größten Lieferanten des Verteidigungsministeriums, den
Militärs Partys mit rund 87.000 Euro versüßt: mal
15.000 Euro hier für das 50-jährige Jubiläum der
Luftwaffe, mal ein paar Tausend Euro dort für eine andere Feier.
EADS-Sprecher Michael Hauger sieht den Vorwurf gelassen - und
bestätigt die Sponsoring-Aktivitäten des Konzerns. "87.000
Euro zu 20 Gelegenheiten, das macht 4350 Euro pro Veranstaltung. Von
Einflussnahme kann also keine Rede sein", sagte er. Es gehe dem
Unternehmen darum, Werbung für sich zu machen und auf
entsprechenden Veranstaltungen präsent zu sein. "Wenn die
Bundeswehr einen Ball veranstaltet, sind dort in der Regel auch
Vertreter aus anderen Ländern zu Gast, die für uns als Kunden
interessant sind." Daher sei Sponsoring ein "völlig normaler
Vorgang" und "nichts Geheimes". Geld fließe allerdings nur, wenn
der Veranstalter bei sich eine "Budgetlücke" feststelle und um
Unterstützung bitte. "Von uns aus treten wir nicht an Ministerien
heran und bieten Sponsoring an", betonte Hauger.
Im Bundestag formiert sich Widerstand
"Das Thema Sponsoring hat sicher eine gewisse Brisanz", sagt Jörg
Waldeck, Leiter des BMW -Konzernbüros in Berlin und damit
Chef-Lobbyist des Münchner Autobauers am Regierungssitz. "Wir
stellen zu Veranstaltungen von Regierungebehörden mal Autos als
Shuttle zur Verfügung oder treten mal mit einem Stand auf, aber
Geld fließt nicht", sagt er. Selbst Spenden an Parteien
würden meist in Form von Leasingverträgen abgewickelt. "Wir
stellen Dienstwagen zu niedrigen Konditionen zur Verfügung", sagt
Waldeck. "Jedes Sponsoring und jede Spende machen wir öffentlich."
Im Bundestag formiert sich nun verstärkter Widerstand gegen die
Praxis der Bundesregierung, die Sponsoren nicht zu benennen. Am Freitag
will sich der Rechnungsprüfungsausschuss des Parlaments mit dem
Thema beschäftigen. Der Ausschuss nehme den Bericht des
Rechnungshofes "zustimmend zur Kenntnis", heißt es in einem
Beschlussvorschlag des Gremiums, der SPIEGEL ONLINE vorliegt. Man
empfehle, "die Transparenz des Sponsoringberichts zu erhöhen". Im
Klartext: Die Parlamentarier wollen, dass in dem Bericht die Quelle der
Sponsorleistungen genannt wird.
Sie habe "nichts gegen Sponsoring", sagt die
Grünen-Bundestagsabgeordnete Anja Hajduk. "Aber damit es
akzeptiert wird, müssen Regeln eingehalten werden, insbesondere
ein Transparenzgebot." Daher stimme sie dem Bericht des
Bundesrechungshofes zu: "Namen von Sponsoren, ob Privatpersonen oder
Firmen, müssen immer offen gelegt werden. Ich kann nicht
verstehen, dass die Verwaltungen mancher Ministerien in dieser Frage
mauern."
Linkspartei: Regierungssponsoring
stoppen
Auch der CDU-Politiker Michael Luther, Mitglied im
Rechnungsprüfungsausschuss des Bundestages, fordert mehr
Transparenz: Man müsse "klare Regeln schaffen", sagt Luther im
Gespräch mit SPIEGEL ONLINE. Vorstellbar sei etwa die Anwendung
der Vorschriften zur Parteienfinanzierung, wonach Großspenden ab
5000 Euro namentlich ausgewiesen werden müssen.
Ähnlich äußert sich Carsten Schneider (SPD),
Vorsitzender des Haushaltsausschusses: "Wir sind für volle
Transparenz, damit deutlich wird, dass es nichts zu verstecken gibt",
sagt er. Grundsätzlich sei Sponsoring zu begrüßen, weil
es den Staatshaushalt entlaste. Wenn dies transparent geschehe, sei es
auch nicht anrüchig.
Kritik am Sponsoring selbst übt die Linkspartei. Zwar sei die
derzeit mangelnde Transparenz ein Problem, sagt die
Bundestagsabgeordnete Gesine Lötzsch, es stelle sich aber eine
viel weitreichendere Frage: "Warum wird die Bundesregierung
überhaupt von der Industrie gesponsert?" Durch dieses
Beziehungsgeflecht entstünden Bindungen, "die auch in politische
Entscheidungen münden" würden, sagt die stellvertretende
Vorsitzende der Linksfraktion und fordert ein Ende des
Regierungssponsorings.
Das Gesundheitsministerium, der Aufstellung zufolge das Ressort mit den
größten Einnahmen, sieht sich zu unrecht kritisiert. "Es
geht vor allem um kostenlose Fernsehzeiten, die uns die
öffentlich-rechtlichen Sender zum Beispiel für
Aids-Aufklärung zur Verfügung stellen", sagt ein
Ministeriumssprecher zu SPIEGEL ONLINE. "Was soll daran schlimm sein?"
Dabei stand das Ministerium schon einmal in der Kritik, weil die ihm
untergeordnete Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung
(BZgA) eine fragwürdige Anti-Rauch-Kampagne für Jugendliche
gestartet hatte - maßgeblich gesponsert vom Verband der
Cigarettenindustrie (VCD), der 11,8 Millionen Euro über fünf
Jahre zahlte: In Zeitschriftenanzeigen war etwa ein Jugendlicher zu
sehen, dazu in großer Schrift der Hinweis: "Rauchen macht
schlank", nur in viel kleineren Buchstaben folgte der Zusatz: "Stimmt:
Vor allem deinen Geldbeutel."
Kritiker forderten die BZgA damals auf, die mittlerweile beendete
Kampagne zu stoppen. Sie würde kaum vom Rauchen abhalten, "sondern
eher zu der todbringenden Sucht" verleiten, bilanzierte etwa die
Deutsche Herzstiftung.
Die mächtige Tabaklobby hatte in dem 2002 geschlossenen Vertag mit
dem Gesundheitsministerium klare Regeln für die
Anti-Rauch-Kampagne für Jugendliche aufgestellt: "Die
Maßnahmen dürfen nicht die Zigarettenindustrie, deren
Produkte oder den Zigarettenhandel diskriminieren oder den erwachsenen
Raucher verunglimpfen." Empfänger von Leistungen Privater (laut
Sponsoringbericht)
Einzelplan Institution Betrag [€]
01 Bundespräsident und Bundespräsidialamt 786.432 (zzgl.
sieben Positionen, die als "nicht bezifferbar" aufgeführt werden)
02 Deutscher Bundestag --
03 Bundesrat 260.340 (zzgl. sieben Positionen, die als "nicht
bezifferbar" aufgeführt werden)
04 Bundeskanzler und Bundeskanzleramt 14.740
Presse- und Informationsamt der Bundesregierung 2.699.611
Beauftragte der Bundesregierung für Angelegenheiten der
Kultur und Medien 108.492
05 Auswärtiges Amt 2.993769
06 Bundesministerium des Innern 1.153.723
07 Bundesministerium der Justiz 419.949
08 Bundesministerium der Finanzen 245.350
09 Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit 615.453
10 Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft 272.692
12 Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen 412.095
14 Bundesministerium der Verteidigung 251.030
15 Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung
44.582.222
16 Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
17 Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
5.300
19 Bundesverfassungsgericht --
20 Bundesrechnungshof --
23 Bundesministerium für wirtschaftliche Entwicklung und
Zusammenarbeit 368.000
30 Bundesministerium für Bildung und Forschung 50.375
zusammen 55.427.517
PDF-Download:
Sponsoring-Bericht der Bundesregierung