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Vorbehalte

Brüssel bleibt im Sparkassenstreit hart

Deutschlands Sparkassen müssen weiterhin bangen, ihre starke Position im heimischen Bankenmarkt zu verlieren. Die EU-Kommission will den besonderen Schutz des Namens Sparkasse kippen.

Brüssel - Die EU-Kommission lobt zwar die "offene und konstruktive Atmosphäre" der Verhandlungen mit der Bundesregierung. Sie signalisiert aber dem Berliner Finanzministerium in einer internen Zwischenbilanz der bisher geführten Gespräche, dass sie vieles von dem nicht zu akzeptieren bereit ist, was sich Peer Steinbrück (SPD) und seine Mitstreiter ausgedacht haben.

In dem Streit geht es konkret um den Verkauf der Berliner Sparkasse und allgemein um den Status der Sparkassen in Deutschland. Brüssel verlangt, dass auch private Investoren - zum Beispiel ein Finanzkonzern wie die Dresdner oder die Deutsche Bank - die Berliner Sparkasse kaufen dürfen. So weit, so unproblematisch, denn damit kann auch die Bundesregierung leben.

Die EU-Kommission fordert aber zugleich, dass der neue Eigentümer die Sparkasse auch künftig Sparkasse nennen darf. Auf diese Bedingung will sich die Bundesregierung nur einlassen, sofern der Eigentümer an strenge Kriterien gebunden wird. Denn sonst könnten sich Geldhäuser mit dem Etikett "Sparkasse" schmücken, ohne die besonderen Merkmale dieser Institutsgruppe zu erfüllen - regionale Verankerung, Gemeinwohlorientierung, Angebot von Diensten auch für Sozial Schwache.

Die Konsequenzen werden weit reichen. Der Name Sparkasse würde entwertet, die strikte Trennung zwischen den drei Säulen des deutschen Kreditgewerbes (Sparkassen, Genossenschaftsbanken und private Finanzkonzerne) aufgehoben. Damit verbunden wären aller Voraussicht nach heftige Verschiebungen bei den Marktanteilen. Bislang können selbst finanzstarke Konzerne wie die Deutsche Bank nur einen bescheidenen Einfluss auf Konditionen, Gebühren und Angebotspalette aufbauen, weil Sparkassen und Volksbanken wesentlich größere Marktanteile bei Deutschlands privater Kundschaft besitzen.

Keine Kompromisse

Der Berliner Versuch, die EU-Kommission für eine Kompromissformel zu gewinnen, ist vorerst misslungen. Die Bundesregierung hatte vorgeschlagen, dass sich Sparkasse nennen darf, wer sich erstens bei der Versorgung mit Finanzprodukten besonders um "wirtschaftlich schwächere Bevölkerungskreise" und den "gewerblichen Mittelstand" kümmert, zweitens das Geschäft auf eine Region beschränkt, drittens nicht in erster Linie auf Gewinne zielt und deshalb viertens die Profite, die er erwirtschaftet, für gemeinnützige Zwecke verwendet.

Die EU-Kommission vermutet, dass diese Auflagen viele Investoren abschrecken dürften, insbesondere das Sozialisierungsgebot für die Überschüsse. Die Behörde hält die Bedingung einer "gemeinnützigen Gewinnverwendung für unvereinbar mit Gemeinschaftsrecht". Vorbehalte äußert sie aber auch gegenüber dem Versorgungsauftrag und dem Regionalprinzip. Teilweise gingen die Anforderungen sogar über das hinaus, was bislang von den Sparkassen gefordert werde, spottet die Behörde. Immer wieder macht die Kommission geltend, dass jede Beschränkung unternehmerischer Freiheit einer besonderer Rechtfertigung bedürfe. In vielen Fällen sei dies beim Vorschlag aus Berlin nicht gegeben.

Die Beamten des Finanzministeriums sehen die Sache nicht als aussichtslos an. Ein Sprecher erklärte, man sei zuversichtlich, eine Lösung zu erreichen. Detlef Fechtner

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Copyright © FR online 2006
Dokument erstellt am 08.08.2006 um 17:32:32 Uhr
Letzte Änderung am 08.08.2006 um 17:44:27 Uhr
Erscheinungsdatum 09.08.2006

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Kommentar

Unechte Sparkassen

VON DETLEF FECHTNER

Eine alte diplomatische Weisheit besagt: Je mehr hervorgehoben wird, in welch offener und konstruktiver Atmosphäre Gespräche stattgefunden haben, desto verfahrener sind gemeinhin die Dinge und desto härter sind die Fronten.

Im Streit darüber, ob sich nur eine Sparkasse mit dem Namen Sparkasse schmücken darf oder auch eine Bank, betont die EU-Kommission stets und ständig, in welch guter Atmosphäre die Gespräche mit der Bundesregierung verlaufen. Das ist umso bedenklicher, da die jüngste interne Zwischenbilanz noch jede Menge inhaltliche Kontroversen zwischen Brüssel und Berlin aufzeigt. Der Streit über die Sparkassen könnte noch einige Zeit dauern.

In dieser schwierigen Situation täte die EU-Kommission gut daran, sich selbst beim Wort zu nehmen. Täglich verspricht sie ein "Europa der Resultate", das den Bürgern dient. Zugleich beteuert sie, sich nur einmischen zu wollen, wenn sie ausdrücklich dazu berufen ist.

Im Streit über die Namensrechte von Sparkassen ist davon nichts zu spüren. Die EU-Kommission nimmt bislang nicht zur Kenntnis, dass das deutsche Bankenmodell mit Privaten, Genossenschaftsbanken und Sparkassen funktioniert und genau für jenen Wettbewerb sorgt, den Brüssel sich auch in vielen anderen Sparten wünscht. Trotzdem tut die EU-Kommission alles, um das deutsche Modell zu zerschlagen.

Es ist höchste Zeit, dass die Behörde damit aufhört, die reine Lehre vom freien Kapitalverkehr zum Maß aller Dinge zu machen. Denn viel steht auf dem Spiel. Wenn Banken Sparkassen kaufen können, werden sie die Finanznot von Städten nutzen, um sich Konkurrenten einzuverleiben - und sich damit ihrer zu entledigen. Wo Wettbewerb ausgehebelt wird, drohen Kredite und andere Bankleistungen teurer zu werden. Und wo sich niemand mehr für diejenigen interessiert, die wenig Rendite versprechen - sei es der Sozialhilfeempfänger oder der Kleinstbetrieb -, werden wohl bestimmte Angebote entfallen.

Zu allem Ärger ist noch mit heilloser Verwirrung zu rechnen. Denn wer wird, falls sich Brüssel mit seiner Position durchsetzt, in Zukunft noch zwischen Original und Fälschung - zwischen echten und unechten Sparkassen - unterscheiden können.

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Dokument erstellt am 08.08.2006 um 17:32:20 Uhr
Letzte Änderung am 08.08.2006 um 17:41:54 Uhr
Erscheinungsdatum 09.08.2006