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Berlins Sparkasse rückt auf Verkaufsliste

Bieterwettstreit zwischen Privatbanken und öffentlichen Kreditinstituten erwartet / Kritik vom Städtebund

In Berlin bekommen private Bieter voraussichtlich erstmals die Chance, eine öffentlich-rechtliche Sparkasse und eine Landesbank zu übernehmen. Die von SPD und PDS geführte Regierung der Hauptstadt erfüllt damit eine EU-Auflage nach dem spektakulären Bankenskandal an der Spree.

VON THOMAS WÜPPER

Berlin · 12. April · Das Berliner Abgeordnetenhaus wird sich am Donnerstag in erster Lesung mit der Änderung des Sparkassengesetzes befassen. Vorgesehen ist die Umwandlung der Landesbank Berlin (LBB) in eine Aktiengesellschaft. Die weitere Zuständigkeit für die kommunale Berliner Sparkasse und ihre rund 150 Filialen soll die LBB durch einen öffentlich-rechtlichen Vertrag erhalten. Darin soll auch festgeschrieben werden, dass die Sparkassen weiter dem Gemeinwohl zu dienen haben, zum Beispiel durch die Kontoeröffnung für alle oder den Erhalt eines flächendeckenden Filialnetzes.

Der Senat hatte bereits kürzlich den Fahrplan zum weiteren Umbau und zum Verkauf der Bankgesellschaft Berlin (BGB) beschlossen, die zu 81 Prozent der Stadt gehört und vor vier Jahren nur durch staatliche Milliardenzuschüsse vor der Schließung bewahrt werden konnte. Damals hatte die EU-Kommission zur Auflage gemacht, den Konzern bis 2007 zu privatisieren.

"Mit der Gesetzesänderung wollen wir den Erhalt der Sparkasse und einen diskriminierungsfreien Verkauf der BGB ermöglichen", sagte ein Sprecher von Berlins Wirtschaftssenator Harald Wolf (PDS). Zunächst sollen aber die zum Konzern gehörende Weberbank, deren Verkauf kurz vor dem Abschluss steht, sowie nächstes Jahr die Berliner Bank verkauft werden.

Von der BGB bleiben dann nur die Berlin Hyp und als wichtigster und ertragreichster Teil die Landesbank mit der Sparkasse übrig, deren Marktanteil an der Spree bei mehr als 50 Prozent liegt. Wie im gesamten Bundesgebiet zementieren bisher die Sparkassengesetze der Länder die besondere Stellung der kommunalen Institute neben den Privat- und Genossenschaftsbanken. Der Einstieg privater Geldgeber oder Konkurrenten wird dadurch verhindert. Zuletzt war daran die Übernahme der Sparkasse Stralsund durch Interessenten wie die Commerzbank gescheitert.

Berlin jedoch sei durch die EU-Auflage letztlich gezwungen, das bevorstehende Verkaufsverfahren für private Bewerber zu öffnen und einen Einstieg auch privater Konkurrenz bei Sparkassen und Landesbank zumindest in der Theorie zu ermöglichen, heißt es in Regierungskreisen. Andersfalls wäre eine Diskriminierungsklage privater Bewerber auf EU-Ebene programmiert.

Auch die Opposition signalisiert Zustimmung zu der Gesetzesänderung. "Die Lösung hat Charme, in der Zwangslage der Stadt ist kaum etwas Besseres möglich", sagte der Finanzexperte der Berliner Grünen, Jochen Esser. Im Gesetzesverfahren sei aber noch klarzustellen, in welchem Umfang die Sparkasse auch nach einer möglichen Privatisierung noch öffentliche Aufgaben zu erfüllen habe.

Die hoch verschuldete Hauptstadt erhofft sich durch ein breit angelegtes Bieterverfahren auch hohe Einnahmen aus dem Verkauf. Berlin hatte die BGB durch eine Finanzspritze in Milliardenhöhe gerettet und zudem Bilanzrisiken aus fragwürdigen Immobilien- und Fondsgeschäften von bis zu 21,6 Milliarden Euro übernommen.

Für die Sparkassenorganisation würde der Verkauf der Landesbank und Sparkasse in Berlin an Private einen Tabubruch darstellen, durch den die bisherige Dreiteilung des deutschen Bankenmarkts durchbrochen würde. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund warnt eindringlich vor den Plänen in der Hauptstadt. "Aus kommunaler Sicht halten wir dieses Vorhaben nicht für richtig, denn das deutsche Dreisäulensystem mit kommunalen Sparkassen, Genossenschafts- und Privatbanken hat sich bewährt", sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg. "Das Tafelsilber kann man nur einmal verkaufen. Das sollte auch Berlin trotz seiner desolaten Lage bedenken."

Landsberg rechnet nicht damit, dass es eine Privatisierung geben wird. "Auch in Stralsund hat es zunächst ein auffällig großes Trara gegeben, aber keinen Verkauf der dortigen Sparkasse." Es gilt als sicher, dass sich auch große Sparkassen und Landesbanken um die Übernahme der Berliner Kollegen bewerben werden, um den Einstieg privater zu verhindern.

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Dokument erstellt am 12.04.2005 um 16:48:11 Uhr
Erscheinungsdatum 13.04.2005
 

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KOMMENTAR

Tabubruch

VON THOMAS WÜPPER

Als erstes Bundesland will Berlin der privaten Konkurrenz den Einstieg bei Landesbank und Sparkasse ermöglichen. Die einen erkennen einen Sündenfall - andere ein Zukunftsmodell.

In jedem Fall sind die Berliner Pläne ein Tabubruch, über den sich vor allem die Privatbanken freuen werden. Seit Jahren lassen sie kaum etwas unversucht, das Sparkassenlager sturmreif zu schießen. Das erhöht die Bereitschaft mancher Kommune, wie etwa in Stralsund, über den Verkauf ihrer Sparkasse nachzudenken.

Mit Billigung der Sparkassen und der Privatbanken wurde in Berlin vor elf Jahren mit der Bankgesellschaft ein Konstrukt geschaffen, das private und staatliche Haftung undurchsichtig vermischte. Der größte Bankenskandal der Nachkriegsgeschichte, der den Steuerzahler Milliarden kostet, war die fast zwangsläufige Folge. Es war richtig, dass die EU-Kommission die Zerlegung und den Verkauf des Skandalkonzerns bis 2007 anordnete.

Mit der Umwandlung der Landesbank in eine Aktiengesellschaft will die Hauptstadt nun die Voraussetzung für eine Privatisierung schaffen. Auch die verbundenen 150 Sparkassenfilialen an der Spree soll ein privater Investor im öffentlichen Auftrag führen dürfen - und dabei auf das Gemeinwohl verpflichtet werden.

Ein Nachweis fehlt, dass dies funktionieren könnte. Wie will das Land etwa verhindern, dass eine private Sparkasse wegen des Profits Geschäftsstellen schließt oder sozial Schwachen ein Konto verweigert? Das ist nur eine der Fragen, die vor einer überstürzten Änderung des Sparkassengesetzes geklärt werden muss.

Die Sparkassenorganisation hat es in der Hand, den Tabubruch zu verhindern. Etwa, indem eine Gruppe von Landesbanken oder großen Sparkassen das lukrativste Angebot für die Übernahme an der Spree abgibt.

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Dokument erstellt am 12.04.2005 um 17:01:53 Uhr
Erscheinungsdatum 13.04.2005