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SPD sucht ihre Wurzeln
Von Marx bis Mindestlohn
VON RICHARD MENG
"Seine Lehre ist unsere Lehre" (Ullstein Bild)
Das geplante neue Grundsatzprogramm der SPD wird nun doch sehr viel
traditionsbewusster, aber auch politisch entschiedener ausfallen, als
es die bisherigen Entwürfe waren. Ein rundum erneuerter und
zugleich deutlich gekürzter Text, der am Montag im
SPD-Präsidium vorgelegt wurde, setzt in der Sozialpolitik nunmehr
klare linke Akzente, orientiert sich an Nachhaltigkeit und Klimaschutz,
nennt als Ziel ein staatsähnliches Europa mit Verfassung und
Regierung und setzt auf gebührenfreie Bildung vom Klein-kindalter
bis zum Erststudium.
Die Neufassung wurde jetzt von einer Dreiergruppe aus
Generalsekretär Hubertus Heil, Parlamentsvize Wolfgang Thierse und
der künftigen stellvertretenden Parteichefin Andrea Nahles
vorgelegt. Zuvor waren von der Basis insgesamt 945
Änderungsanträge zum vorangegangenen Entwurf eingegangen. Am
Wochenende soll die Programmkommission zustimmen, Ende Oktober steht
der Text dann beim Parteitag in Hamburg zur Abstimmung und soll
danach das alte Grundsatzprogramm von 1989 ablösen.
Neu ist jetzt, dass die SPD sich ausführlich mit der
Globalisierung und ihren Widersprüchen auseinandersetzt:
einerseits Fortschrittsdynamik, andererseits Ungerechtigkeiten;
einerseits "begrenzte Naturressourcen", andererseits "unbegrenzte
menschliche Kreativität". Der Sinn von Politik soll es da sein,
diese "offene Zukunft" zu beeinflussen
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Aus dem Entwurf
"Unsere Geschichte ist geprägt von der Idee des
demokratischen Sozialismus, einer Gesellschaft der Freien und Gleichen,
in der unsere Grundwerte verwirklicht sind. Sie verlangt eine Ordnung
von Wirtschaft, Staat und Gesellschaft, in der die bürgerlichen,
politischen, sozialen und wirtschaftlichen Grundrechte für alle
Menschen garantiert sind.
(...) Das Ende des Staatssozialismus sowjetischer Prägung hat die
Idee des demokratischen Sozialismus nicht widerlegt und die
Orientierung der Sozialdemokratie an Grundwerten eindrucksvoll
bestätigt.
Der demokratische Sozialismus bleibt für uns die Vision einer
freien, gerechten und solidarischen Gesellschaft, deren Verwirklichung
für uns eine dauernde Aufgabe ist. Das Prinzip unseres Handelns
ist die Soziale Demokratie als gesellschaftliche Praxis.
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"Umstritten war seit Jahren, ob und wie der Begriff "demokratischer
Sozialismus" noch vorkommen soll (neuer Vorschlag: siehe Wortlaut).
Gleich im ersten Absatz heißt es, die SPD stehe da in einer
"stolzen Tradition". Nun ist auch wieder ein Hinweis auf den Marxismus
enthalten, der im "Bremer Entwurf" von Anfang 2007 weggefallen war. Die
SPD verstehe sich als linke Volkspartei, heißt es jetzt, "die
ihre Wurzeln in Humanismus und Aufklärung, christlicher Ethik,
marxistischer Gesellschaftsanalyse und den Erfahrungen der
Arbeiterbewegung hat". Wichtige Impulse verdanke sie zudem der
Frauenbewegung und den neuen sozialen Bewegungen.
In der Parteiführung wird das nun als Zeichen historischer
Wahrhaftigkeit gesehen. Auf die konkrete Politik während der
Regierungsjahre Gerhard Schröders (1998-2005) wird nicht
eingegangen. Dessen "Agenda 2010" wird ebenso wenig erwähnt wie
andere Relikte auch aus noch länger zurückliegenden
sozialdemokratischen Regierungszeiten. Denkbar jedoch, dass Parteichef
Kurt Beck das in einer Präambel noch nachholen wird.
Im außenpolitischen Teil wurde jetzt ein Verbot von
Landminen aufgenommen; zur Wehrpflicht wird die "Stärkung der
Freiwilligkeit" angekündigt. Wirtschaftspolitisch wird
Deregulierung nicht ausgeschlossen, aber als Prinzip abgelehnt. Bei
Privatisierungen sollen die "Auswirkungen auf die demokratische
Selbstverwaltung" mit berücksichtigt werden. Die
Einkommensverteilung zwischen
Arm und Reich wird als ungerecht bezeichnet, ohne aber eine
Rückverteilung zu fordern: SPD-Steuerpolitik solle "Ungleichheit
begrenzen und gleiche Chancen fördern", heißt es.
Sozialen Aufstieg - vor allem über Bildung - will die SPD wieder
leichter machen. Als "Schlüssel zur Teilhabe" sieht sie nach wie
vor die Arbeit. Aber "nicht jede Arbeit" sei menschenwürdig. Eine
neue "Arbeitsversicherung" ( Weiterentwicklung der
Arbeitslosenversicherung) soll bei Erziehungs- oder Pflegezeiten durch
Vermittlungs- und Bildungsangebote den erneuten Berufseinstieg
fördern.
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Copyright © FR-online.de 2007
Dokument erstellt am 17.09.2007 um 17:36:02 Uhr
Letzte Änderung am 17.09.2007 um 19:43:14 Uhr
Erscheinungsdatum 18.09.2007