Zurueck zur Vorseite

Sondervermögen Arbeit und Umwelt  -  Antrag der SPD- Bundestagsfraktion, Juli 84

(Gescannter Text aus der Broschüre : "Materialien Arbeit und Umwelt - SPD- Fachkonferenz der AfA in Dortmund am 22./23.März 1985 )

1. Herausforderung m die Politik

1.1 Der Raubbau.an den natürlichen Lebensgrundlagen, der ein Merkmal der Industrialisierung in den letzten 150 Jahren ist, hat eine gewaltige Altlast auf die Umwelt gehäuft. Natur hätte - so hat man inzwischen erkannt - niemals als freies Gut gehandelt werden dürfen. Deshalb muß die Politik für die Beseitigung der Umweltzerstörung von gestern eine große gemeinsame
Anstrengung unternehmen.

Heute befinden wir uns in einer Umweltkrise, die sich ständig verschärft. Kommt es nicht zu einer entschiedenen Kurskorrektur, so werden natürliche Lebensgrundlagen teilweise unwiederbringlich zerstört. Dies ist beim Waldsterben bereits massiv festzustellen und zunehmend mit der Vergiftung von Böden und Nahrungsmitteln, mit der Verunreinigung von Meeren und Gewässern, mit der Ausrottung zahlreicher Pflanzen- und Tierarten, mit der Verbauung von Lebensräumen und der Schädigung natürlicher Kreisläufe zu befürchten.

In Zukunft wird es darauf ankommen, mit der wirtschaftlichen Entwicklung dafür Vorsorge zu treffen, daß Umweltschäden von vornherein gar nicht erst entstehen.

1.2 Millionen Menschen sind ohne Arbeit. Produktionskapazitäten liegen brach. Daneben gibt es große gesellschaftliche Aufgaben, deren Bewältigung zurückbleibt. Dies gilt insbesondere für die Verbesserung der Umweltsituation. Chancen für mehrArbeitsplätze durch mehr Umweltschutz müssen genutzt werden. Insgesamt ist die Arbeitslosigkeit mit einem Bündel von Maßnahmen zu bekämpfen, zu denen auch die Arbeitszeitverkürzung zählt.

Die Politik ist nicht zum Abwarten oder bloßen Vertrauen in das Spiel freier Kräfte verurteilt.

So wie in den 50er Jahren die Wohnungsnot in der Bundesrepublik durch eine große Gemeinschaftsanstrengung beseitigt werden konnte, so ist es heute Aufgabe der Politik, die Umweltnot anzugehen. Dies ist die große Gemeinschaftsaufgabe der 80er Jahre.

1.3 Die Umweltverschmutzung führt zunehmend zu volkswirtschaftlichen Verlusten, die schon aus wirtschaftlichen Gründen zu einer neuen Betrachtung des Verhältnisses Ökonomie und Ökologie zwingen. Der industrielle Wachstumsprozeß hat bislang Belastungen geschaffen, die nachteilig auf ihn selbst zurückwirken. Das Abflachen des wirtschaftlichen Wachstums hat auch
ökologische Gründe.

Die Wohlstandsverluste durch Umweltverschmutzung schätzt die OECD pro Jahr in ihren Mitgliedsländern auf 3 bis 5% des Bruttosozialprodukts. Für die Bundesrepublik Deutschland sind dies jährliche Schäden von rd. 50 bis 80 Mrd. DM.

Dagegen wendet die Bundesrepublik lediglich 2% - das sind rd. 33 Mrd. DM - jährlich für Umweltschutzmaßnahmen auf. Von der Größenordnung her sind die jährlichenschäden durch unterlassenen Umweltschutz also weit höher als die Aufwendungen für Erhaltung der Umwelt. Es liegt auch wirtschaftlich in unserem ureigensten Interesse, für eine saubere Umwelt zu investieren.

Es gibt keine Alternative zur Industriegesellschaft. Es gibt nur Alternativen in ihr. In der Industriegesellschaft von morgen muß der sorgsame Umgang mit unserer Umwelt und den natürlichen Reichtümern ebenso selbstverständlich sein wie der sparsame Einsatz von Arbeit und Kapital heute. Neben der Einsparung von Rohstoffen und Energie heißt dies vor allem, daß Güter
umweltverträglich hergestellt und verbraucht werden müssen.

1.4 Die sozialdemokratisch geführte Bundesregierung hat in den 70er Jahren die gesetzliche und organisatorische Grundlage für eine umfassende Umweltpohtik geschaffen, die im internationalen Vergleich, wie z. B. das Bundesimmissionsschutzgesetz, beispielhaft ist. Allerdings ist dann in der Krise seit 1980 ein Stillstand eingetreten. In den 70er Jahren haben Bund, Länder, Gemeinden und Wirtschaft 120 Mrd. DM für den Umweltschutz bereitgestellt. Im Rahmen des Zukunftsinvestitionsprogramms wurden erhebliche Mittel für Umweltschutzprojekte bereitgestellt.

Die Umweltpolitik von sozialdemokratisch geführten Regierungen in Bund und Ländern hat in einzelnen Bereichen deutliche Erfolge erzielt. Die Bleibelastung der Luft ist gegenüber 1970 in den Großstädten um über 65% zurückgegangen. Die Staub- und Rußemissionen sind seitdem um über 50% gesunken. 65% der Abwässer werden gegenüber 35% in 1969 vollbiologisch in öffentlichen Kläranlagen gereinigt. 25% des Hausmülls werden inzwischen der Energiegewinnung zugeführt.

Es hat sich ein gewerblich-industrieller Umweltsektor herausgebildet, in dem zu Beginn der 80er Jahre bereits 250000 Menschen Beschäftigung fanden. Das sind mehr als in der Druckindustrie. Gemessen am Bedarf für eine verbesserte Umweltsituation ist eine weit höhere Beschäftigung möglich und notwendig.

Heute kommt es darauf an, das umweltpolitische Instrumentarium entscheidend zu erweitern. Der Ratlosigkeit und dem politischen Unvermögen der Bundesregierung, neue Wege zu wählen, muß ein Konzept gegenübergestellt werden, um gleichzeitig eine höhere Beschäftigung und eine bessere Umwelt zu erreichen.

Ihm liegt die Überzeugung zugrunde, daß die Gemeinschaft aufgefordert ist. Ohne staatliches Handeln gibt es keinen Umweltschutz. Der Staat muß handeln, auch wegen der darin liegenden Chance, neue Arbeitsplätze zu schaffen.

Saubere Umwelt entzieht sich einzelwirtschaftlichen Kaufentscheidungen. Sie ist zum Null-Tarif nicht zu bekommen. Die Bürger sind dann bereit, Opfer zu bringen, wenn sie den Zusammenhang zwischen zusätzlichen finanziellen Belastungen und öffentlichen Maßnahmen zur Verbesserung der Umweltsituation unmittelbar gewährleistet sehen. Diese Bereitschaft ist aller-
dings von allen gesellschaftlichen Gruppen zu erwarten.

1.5 Wir Sozialdemokraten schlagen mit dem Sondervermögen „Arbeit und Umwelt" eine Gemeinschaftsanstrengung vor, um die alte Last auf der Umwelt schrittweise zu beseitigen. Wir wollen damit einen qualitativen Wachstumsprozeß auslösen, der sowohl Arbeit schafft wie den dringenden Bedarf nach Verbesserung und Erhaltung unserer natürlichen Lebensgrundlagen be-
friedigt. Die staatliche Förderung von Umweltmaßnahmen hat verhältnismäßig hohe Beschäftigungseffekte gegenüber anderen staatlichen Ausgaben. Jede Mark, die für diesen Zweck investiert wird, finanziert sich zu 70 Pfennig aus der Einsparung von Kosten aus Arbeitslosigkeit und durch steigende Steuereinnahmen.

1.6 Neben der höheren Beschäftigung ist die ökologische Modernisierung unserer Volkswirtschaft zu fördern. Gerade die Verknappung und Verteuerung von Ressourcen - Luft, Boden, Wasser und Energie - kann weit eher technische Fortentwicklungen bewirken als die verhältnismäßig kostengünstige und schrankenlose Ausweitung des Verbrauchs.

Das Sondervermögen „Arbeit und Umwelt" wird solche Wirkungen auslösen, da seine Finanzierung aus dem Energieverbrauch technisch-ökologische Innovationsschübe erzeugt.

2. Umweltpolitische Prinzipien und Instrumente

2.1 Die umweltpolitische Diskussion wird von einer Reihe von Prinzipien beherrscht. Die wichtigsten sind das Verursacherprinzip, dem das Gemeinlastprinzip gegenübersteht, und das Vorsorgeprinzip, dem als Gegenstück das Sanierungsprinzip entspricht.

2.2 Kernstück sozialdemokratischer Umweltpolitik ist das Verursacherprinzip.

Seine Anwendung führt konsequenterweise zur Verteuerung umweltschädlicher Investitionen, Produktionsverfahren und Konsumgüter. Dies wird umweltpolitisch bezweckt.

Die Belastung von Luft, Wasser und Boden muß einen Preis haben, damit umweltfreundliches Verhalten zu einer einzelwirtschaftlich lohnenden Alternative wird.

Um die Umweltlasten aus der Vergangenheit zu beseitigen, reicht allerdings das Verursacherprinzip nicht aus. Um unsere Umwelt zu sanieren, muß ergänzend auch das Gemeinlastprinzip zum Tragen kommen.

Verursacherprinzip und Gemeinlastprinzip beziehen sich auf die Frage, wer die Kosten von Umweltschutzmaßnahmen zu tragen hat.

Nach dem Verursacherprinzip werden diejenigen zur Beseitigung oder Verhinderung von Umweltschäden herangezogen, die die Umwelt belasten. Nach dem Gemeinlastprinzip kommt die Öffentlichkeit für die Beseitigung und Verhinderung von Umweltschäden auf.

2.3 In der Umweltpolitik von morgen müssen wir von der Reparatur stärker hin zur Vorsorge kommen. Viele Umweltschäden sind durch nachträgliche Maßnahmen gar nicht mehr, unzureichend oder kostenaufwendiger zu korrigieren. Daraus ergibt sich die hohe Bedeutung des Vorsorgeprinzips. In der Folge seiner Anwendung werden die Entwicklung, Herstellung und Einführung
neuer umweltschonender Produkte und Produktionsverfahren angeregt.

2.4 Das Gemeinlastprinzip muß dort angewandt werden,

- wo es die Beseitigung ökologischer Notstände gebietet;

- wo bei bestimmten Umweltbelastungen der oder die Venirsacher nicht oder nicht mehr ermittelt werden können;

- wo öffentliche, insbesondere kommunale Umweltinvestitionen beschleunigt durchgeführt werden sollen;

- wo die Entwicklung und Einführung neuer, umweltfreundlidier Prodokte und Produktionsverfahren, die den Stand der Tedmik verbessern, beschleunigt werden sollen,

- wo die Anwendung des Verursacherprinzips zu unzumutbaren Belastungen für einzelne Regionen, kleine und mittlere Unternehmen oder untere Einkommensgruppen führt.

2.5 Das Sondervermögen „Arbeit und Umwelt" verwirklicht das Gemeinlastprinzip. Es darf nicht zu einer Aufhebung des Verursacherprinzips oder zu einer Umfinanzierung von Pflichtaufgaben der öffentlichen Hand führen. Deshalb sollen nur finanziert werden:

- die Sanierung von Altlasten;

— zusätzliche Umweltinvestitionen der öffentlichen Hand;

- private Umweltinvestitionen, die im Hinblick auf Ubergangsfristen und Qualitätsanforderungen über die rechtlichen Verpflichtungen hinausgehen;

- Pilotprojekte und Maßnahmen zur Markteinführung umweltverbessernder Produkte und Produktionsverfahren;

- und der Abbau unzumutbarer Belastungen einzelner Regionen.

2.6 Unterschiedliche umweltpolitische Aufgaben verlangen unterschiedliche umweltpolitische Instrumente.

Das Verhalten gesellschaftlicher und staatlicher Akteure soll - neben staatlichen Planungsinstrumenten (z. B  dem Abfallwirtschaftsprogramm) - durch

- Absprachen (z. B. zwischen der Bundesregierung und der Industrie über die Verminderung des Cadmium-
Einsatzes in bestimmten Produkten von 1981);

- Gebote und Verbote (z. B. nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz);

- steuerliche Regelungen (z. B. nach § 7d EStG);

- Abgaben (z. B. Abwasserabgabe);

- und öffentliche Zuschüsse (z. B. über das ERP-Sondervermögen)

gesteuert werden. Sie haben eine Lenkungsfunktion in ordnungspolitischem Sinn. So ist das Aufkommen von Abgaben im umweltpolitisch optimalen Fall gleich Null.

2.7 Im Zusammenwirken mit Geboten, Verboten und Abgaben bietet das Sondervermögen „Arbeit und Umwelt" Verursachem den Anreiz zum Vorziehen von Umweltinvestitionen, die in einigen Jahren aufgrund der mit der technischen Entwicklung dann fortgeschriebenen umweltpolitischen Anforderungen ohnehin notwendig sein werden. Umweltpolitische Lenkungsinstrumente
und das Sondervermögen „Arbeit und Umwelt" ergänzen so einander. Wer sich besonders umweltfreundlich verhält, wird belohnt. Insofern trägt das Sondervermögen auch dem Vorsorgeprinzip Rechnung.

2.8 Der Entwurf des Landes Hessen für eine Schadstoffabgabe zielt auf eine Belastung von unterlassenem Umweltschutz in Großfeuerungsanlagen. Er orientiert sich ausschließlich am Verursacherprinzip.

Dem Entwurf des Landes Nordrhein-Westfalen für ein Waldpfennig-Gesetz liegt in jenem Teil, der eine Zusatzabgabe bezweckt, das gleiche Anliegen wie dem hessischen Gesetzentwurf zugrunde.

In jenem Teil des Gesetzentwurfs aus Nordrhein-Westfalen, der sich mit der Grundabgabe (Waldpfennig) befaßt, wird wegen der Konzentration der Standorte von Kohlekraftwerken in Nordrhein-Westfalen und der sich daraus ergebenden regionalen Belastung durch Umrüstungsmaßnahmen zusätzlich das Gemeinlastprinzip eingeführt.

Dieser Teil des Gesetzentwurfs - zugeschnitten auf den Beieich der Verminderung der Emissionen aus Feuerungsanlagcn - entspricht der Zielsetzung des Sondervemögen Arbeit und Umwelt", das auf Maßnahmen nach dem Gemeinlastprinzip in allen Umweltbereichen ausgerichtet ist.

Diese umweltpoltisch sinnvollen Ansätze werden im Bundesrat von der CDU/CSU entgegen ihren auf Propaganda gerichteten umweltpolitischen Bekenntnissen blockiert.

3. Ausgestaltung und Abwicklung des Sondervermögens

3.1 Mit dem Sondervermögen soll ein fester Finanzrahmen für Umweltschutzinvestitionen - unabhängig von jährlichen Haushaltszwängen - geschaffen werden, ohne daß Bund und Länder ihre Nettokreditaufnahme aus weiten. Somit wird eine Belastung der Haushalte von Bund und Ländern durch zusätzliche Zinszahlungen vennieden. Das Sondervermögen orientiert sich an bewährten Kieditvergabeinstrumenten der öffentlichen Hand. Es ist imbürokratisch abzuwickeln. Die Verantwortlichkeit der Investoren und der Kreditgeber bleibt voll erhalten. Die technische Abwicklung des Programms obliegt im wesentlichen dem üblichen Bankapparat.

Das Sondervermögen ist ein Programm für ein qualifiziertes Wachstum. Es leistet einen Beitrag zur Lösung der Umwelt- und Beschäftigungsprobleme.

3.2 Das Sondervermögen wird bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau in Frankfurt eingerichtet. Es stellt privaten und öffentlichen Unternehmen, Gemeinden und Gemeindeverbänden, Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts sowie kommunalen Wirtschaftsunternehmen zinsgünstige Kredite für Umweltinvestitionen und „verlorene" Zuschüsse für Umweltinvestitionen von herausragender Bedeutung zur Verfügung.

Das Kreditvolumen des Sondervermögens beschafft sich die Kreditanstalt für Wiederaufbau auf den nationalen und internationalen Kapitalmärkten zu den marktüblichen Konditionen. Den in Frage kommenden Investoren werden damit Kredite angeboten, deren Zinssätze deutlich unter den Marktzinssätzen liegen. Die Kreditkonditionen des Sondervermögens passen sich den jeweiligen Marktzinssätzen an, so daß das Subventionsvolumen über die ganze Laufzeit voll erhalten bleibt.

3.3 Voraussetzung für die Kreditgewährung und die Bereitstellung von „verlorenen" Zuschüssen ist, daß die Maßnahme dem Programm für das Sondervermögen „Arbeit und Umwelt" entspricht. Dieses Programm bedarf der Zustimmung von Bundestag und Bundesrat.

Richtlinien für die Gewährung von Mitteln sind

- die ökologische Dringlichkeit;

- die technische Realisierbarkeit;

- und die ökonomischen Möglichkeiten.

Das Kreditprogramm und die Vergabe „verlorener" Zuschüsse werden über die inländischen Kreditinstitute abgewickelt. Die Banken stellen bei der Kreditanstalt für die Investoren die Kreditanträge. Diese sind angemessen abzusichern.

Nach Prüfung der Unterlagen durch die Hausbank wird der Antrag an einen Vergabeausschuß des Sondervermögens weitergeleitet, der über die Gewährung des Kredits oder die Bereitstellung des „verlorenen" Zuschusses entscheidet. Kleine und mittlere Unternehmen werden bevorzugt bedient.

3.4 Das Sondervermögen soll im Rahmen von 10 Jahren Investitionskredite in Höhe von l % des Bruttosozialprodukts (1984 = rd. 17,8 Mrd. DM) pro Jahr mobilisieren. Aus der im 6. Kapitel beschriebenen „Grundfinanzierung" werden dem Sondervermögen jährlich für Zinssubventionen und „verlorene" Zuschüsse 4,7 Mrd DM zugeführt. Davon sollen 1,8 Mrd. DM für „verlorene" Zuschüsse bereitgestellt werden.

Die Kredite werden mit Zinssätzen ausgestattet, die entweder 2 oder 4% unter den marktüblichen Zinssätzen liegen. Bei umweltpolitisch besonders bedeutsamen Vorhaben werden die Zinskosten in voller Höhe übernommen.

Die Mittel für Zinssubventionen und „verlorene" Zuschüsse werden durch einen Umweltpfennig, d. h. einen steuerlichen Zuschlag auf den Verbrauch von Strom, Mineralölprodukten und Erdgas aufgebracht

3.5 Die Gesamtlaufzeit des Sondervennögpns - also einschließlich aller Rückflüsse aus Tilgung and Verzinsung - beträgt 19 Jahre (vgl. Rechnungstabelle im Anhang-Anl. l).

Bei der 10-jährigen Laufzeit des Kreditprogramms entstehen Haushaltsbelastungen aus Zinssubventionen in Höbe von insgpiaint 37,7 Mrd. DM. Am Beginn des Programms ist die jährliche Belastung geringer als bei Programmende. Der Zuschußanteil, d. h. die diskontierte Zinssubvention bezogen auf das Kreditvolumen, beträgt 17,4% und ist damit ausgesprochen attraktiv..

Die Summe der „verlorenen" Zuschüsse beträgt im Programmzeitraum 18 Mrd. DM. Zusammen müssen also während der IOjährigen Laufzeit des Sondervermögens insgesamt 55,7 Mrd. DM für Zinssubventionen und „verlorene" Zuschüsse bereitgestellt werden.

4. Verwendungsschwerpunkte des Sondervermögens

Soweit Länder und Kommunen nicht selbst als Investoren auftreten, ist die Beteiligung ihrer jeweiligen Umweltbehörden für die Durchführung von Projekten in den meisten Schwerpunkten unverzichtbar. Das Sondervermögen soll in folgenden Schwerpunkten zur Verbesserung der Umweltsituation und zur Schaffung von Arbeitsplätzen beitragen:

4.1 Gewässerschutz

a) Verbesserung der Abwasserreinigung - vgl. Rhein-Bodensee-Programm (Ausbau und technische Fortentwicklung von Kläranlagen - einschl. natürlicher Klärsysteme im ländlichen Raum - und der Kanalisation; Entwicklung und Anwendung von neuen Verfahren zur Verbesserung der Reinigungsleistung und schadloser Behandlung/Verwertung von Klärschlämmen).

b) Aufbau von Stationen zur Überwachung der Nord- und Ostsee (insbesondere des Wattenmeers).

c) Einrichtung von stationären und mobilen Auffanglagern und Vorkehrungen für die Entsorgung von Öl- und Chemieabfällen aus Schiffen.

d) Sanierung kleiner und mittlerer Fließgewässer und Wiederherstellung ihres natürlichen Zustandes (Renaturierung).

4.2 Wasserversorgung

a) Entwicklung und Markteinführung wassersparender Verfahren im gewerblich-industriellen und Haushaltsbereich.

b) Umstellung der gewerblich-industriellen Gnindwasser- und Trinkwassemutzung auf Brauchwasser- und Mehrfachnutzung.

c) evtl. Entschädigung bei der Aufkündigung von Wassernutzungsrechten in gewerblich-industrieller Hand.

d) Reaktivierung und Neuschaffung von örtlichen und regionalen Wassergewinnungsanlagen.

e) Sanierung von Wasserverteilungsnetzen (Verringerung von Leitungsverlusten).

f) Förderung von Produktionsumstellungen zu Verminderung der Emission schädlicher Chemikalien im Hinblick auf die Reinhaltung des Wasser.

4.3 Abfallwirtschaft

a) Erfassung und Sanierung von Altlasten (Mülldeponien).

b) Vermeidung und Verringerung des Abfallvolumens (abfallarme Produktionsverfahren; Anpassung des Materialeinsatzes an die Zweckbestimmung; Erhöhung der Haltbarkeit und Reparaturfreundlichkeit von Produkten; Steigerung der Mehrfachverwendungen von Produkten z. B. im Verpackungssektor).

c) Neue Technologien für die Aufbereitung und Wiederverwendung gewerblicher und industrieller Abfälle.

d) Neue Technologien für die Sammlung, Aufbereitung und Wiederverwendung von Hausmüll.

e) Markteinführung von Recycling-Stoffen und -Produkten (soweit noch nicht konkurrenzfähig).

f) Entwicklung und Markteinführung rohstoffsparender und Sekundärrohstoffe nutzender Produktionsverfahren.

g) Forschung und Entwicklung zur Substitution umweltschädlicher Chemikalien durch risikolose Stoffe.

4.4 Luftreinhaltung

a) Beschleunigte Sanierung alter Feuerungsanlagen; freiwillige Nachrüstung von Müllverbrennungsanlagen.

b) Entwicklung und Markteinführung verbesserter Abgasreinigungsverfahren.

c) Neue Wege zur Behandlung und Verwertung herausgefilterter Schadstoffe aus Feuerungsanlagen.

d) Umstellung des Fuhrparks öffentlicher Einrichtungen auf umweltfreundliche Kfz im Zuge von Neuanschaffungen; Erweiterung und Umrüstung der Tankstellen im öffentlichen Bereich auf bleifreies Benzin.

4.5 Rationelle und sparsame Energieverwendung

a) Einführungshilfen zum Ausbau der Kraft- und Wärme-Kopplung im Nah- und Fernbereich (unter Nutzung der Abwärme z. B. aus Müllverbrennungsanlagen und dem gewerblich-industriellen Bereich); Aufstellung und Umsetzung kommunaler und regionaler Energieversorgungskonzepte.

b) Wärmedämmung im Gebäudebestand.

c) Energieeinsparung in öffentlichen Gebäuden und im gemeinnützigen Wohnungsbau.

d) Entwicklung und Markteinführung neuer technischer Verfahren znr ElKigieveibrauchsmindening (einschL modeiner Heiz-, Kessel- und Feuerungstechniken) und Abwainnenatzang sowie zur Nutzung regenerativer Energiequellen.

4.6 Linnschirtz

a) Neue lärmarme Produktionsverfahren im gewerblich-industriellen Bereich für den Lärmschutz am Arbeitsplatz.

b) Entwicklung von lärmarmen Fahrzeugen.

c) Sanierung gewerblich-industrieller Lärmschwerpunkte (soweit mit ordnungsrechthchen Mitteln nicht durchsetzbar).

4.7 Naturschutz, Landschaftsschutz und Stadtökologie

a) Rekultivierung von Industriebrachen und Verkehrsflächen zur Schaffung von Grün- und Freizeitflächen,  zur Bebauung mit Wohnflächen oder zur kleingewerblichen Nutzung.

b) Auslagerung umweltstörender Industrie- und Gewerbebetriebe aus dem Stadtinnenbereich und Wohnvierteln.

c) Erhaltung und Wiederherstellung von Baudenkmälern und Kulturbauten.

d) Wiederherstellung und Neuschaffung von Biotopen (Entsiegelung; Pflege von geschützten und schutzwürdigen Flächen).

e) Kommunale Maßnahmen zur Wohnumfeldverbesserung (z. B. Begrünung und Verkehrsberuhigung insbe-
sondere in Unterstützung privater Initiativen).

f) Förderung eines ökologischen Landbaus; Bereitstellung von Anlagen zur Lagerung, umweltfreundlicher Verwertung von und Energiegewinnung aus tierischen Abgängen.

4.8 Erfassung der Umweltsituation und Umweltüberwachung

Einrichtung und Verbesserung von Meßsystemen zur Erfassung von Emissionen und Immissionen in allen
Umweltbereichen (Umweltkataster) als Informationsbasis für umweltpolitische Maßnahmen.

5. Wirtschaftspolitische Einordnung des Sondervermögens „Arbeit und Umwelt"

5.1 Auch wenn Unternehmen, private Haushalte und öffentlich-rechtliche Einrichtungen mit zusätzlichen Kosten belastet werden, schaffen Umweltschutzmaßnahmen unter dem Strich mehr Wachstum und Beschäftigung.

Entscheidend ist, daß in kaum einem anderen Bereich unserer Volkswirtschaft heute so viele Investitionsmöglichkeiten bestehen wie im Bereich des Umweltschutzes. Es stehen mehr ausgereifte Technologien zur Verfügung, die inländische Firmen aufgreifen und anbieten könnten, als genutzt werden. Umweltschutzinvestitionen sind - wie z. B. im Bausektor - besonders arbeitsintensiv und haben daher hohe Beschäftigungswirkungen.

Mit dem Sondervermögen kann die umweltfreundliche Verwendung der Kohle gefördert werden. Entsprechend den bisher von allen anerkannten Grundsätzen der Kohlevorrangpolitik wird damit die einzige heimische Energiequelle gesichert.

5.2 Mit dem Sondervermögen „Arbeit und Umwelt" kann nicht nur ein qualitativer Wachstumsprozeß beschleunigt werden. Die deutsche Wirtschaft würde auf diesen neuen Märkten durch die zügige Sanierung unserer Umwelt ihren Vorsprung bei vielen Umwelttechnologien, umweltfreundlichen Produkten und Produktionsverfahren ausbauen und damit neue Absatzfelder auf den Weltmärkten gewinnen. Zumindest würde die Wettbewerbsposition der deutschen Industrie in einem Bereich gestärkt, der in den nächsten Jahrzehnten wegen der weltweiten ökologischen Kreise erhebliche Absatzchancen erwarten läßt.

5.3 Mit der Initiative der SPD für Arbeit und Umwelt sollen 2 Prozent des Bruttosozialprodukts für Umweltinvestitionen zusätzlich mobilisiert und damit die Lücke zwischen den jährlichen Aufwendungen für Umweltschutz bisher und den Schäden aus unterlassenem Umweltschutz geschlossen werden.

Die Finanzierung des Sondervermögens bewirkt zusätzliche Umweltinvestitionen in Höhe von jährlich rd.18 Mrd. DM (etwa l Prozent des Bruttosozialproduktes). Damit werden Arbeitsplätze für mindestens 200000 Menschen geschaffen.

Die strikte Anwendung des Verursacherprinzips über Gebote, Verbote und Abgaben führt zu einer weiteren Erhöhung von Umweltinvestitionen in der Größenordnung von l Prozent des Bruttosozialprodukts. Damit werden weitere 200000 Arbeitsplätze geschaffen.

Nach einer Anlaufperiode werden damit 400000 Menschen zusätzliche Arbeitsplätze dauerhaft zur Verfügung gestellt.

6. Finanzierung des Sondervermögens „Arbeit und Umwelt"

Für die Finanzierung des Sondervermögens wird ein steuerlicher Zuschlag auf den Verbrauch von Strom, Mineralölprodukten und Erdgas (Umweltpfennig) erhoben:

beim Stromverbrauch - Pfg. je kwh                   0,5

beim Benzin- und Dieselkraftstoffverbrauch -     2
Pfg. je Liter

beim leichten Heizöl - Pfg. je Liter                      2
beim schweren Heizöl - Pfg. je kg                       2
beim Erdgas - Pfg. je m^                                    2

Das erbringt auf der Basis des derzeitigen Verbrauchs pro Jahr (Mrd. DM):

beim Strom                                                        1,7
bei Benzin und Diesel                                          0,9
beim leichten Heizöl                                            0,8
beim schweren Heizöl                                         0,2
beim Erdgas                                                       1,1

insgesamt                                                            4,7

Die Begrenzung des Energieverbrauchs wird daher von zwei Seiten angestrengt: Durch die von höheren Energiepreisen ausgehenden Sparanreize und durch die damit finanzierten Hilfen u. a. für Maßnahmen zur Energieeinsparung. Diese Anreize und Hilfen sind insbesondere bei nachgebenden Olpreisen wichtig, damit es nicht zu einem Nachlassen der Einsparbemühungen kommt.

Außer der unmittelbaren Verminderung der Umweltverschmutzung führt die Energieeinsparung zu einer Verbesserung der Leistungsbilanz und Entlastung der Energiemärkte durch Ressourcenschonung. Die deutsche Volkswirtschaft wird zudem besser gegen Energieversorgungsrisiken geschützt.

Vom Sondervermögen werden Maßnahmen

- zur Umschichtung und Aufstockung von Mitteln im Rahmen des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes z. B. zugunsten des OPNV, von Ortsumgehungen oder Radwegen und

- zur steuerlichen Förderung umweltfreundlicher Autos nicht berührt.

Die direkten Mehrbelastungen, die sich aus höheren Ausgaben für Strom, Gas, Heizöl und Kraftstoffe für die privaten Haushalte ergeben, sind vertretbar. So ergeben sich für typische Haushalte monatliche Mehrbelastungen je nach Haushaltsgröße und Einkommen zwischen 4,50 und 10,50 DM (s. Anlage 2).

Neben den direkten ergeben sich auch indirekte Mehrbelastungen für die privaten Haushalte, weil die gewerblichen Betriebe ihre Mehrbelastungen über die Preise auf die Haushalte abwälzen dürfen. Da auf die privaten Haushalte zum Teil erhebliche Verbrauchsanteile bei den Energieträgern entfallen, liegen die indirekten Belastungen allerdings unterhalb der direkten Mehrbelastungen.

Die zusätzliche Belastung der Unternehmen, insbesondere durch die Erhöhung der Strompreise, wird nicht zu einer Gefährdung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft führen. Der Stromkostenanteil am industriellen Umsatz beträgt durchschnittlich 1,6 Prozent. Würde der Strompreis um einen Pfennig steigen, erhöhte sich dieser Anteil auf knapp über 1,7 Prozent.

2 Anlagen

1. Kreditprogramme

2. Monatliche Mehrbelastungen durch Energieverbrauchssteuern