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Es ist Zeit mitzureden

SPD Hessen-Süd fordert außerordentlichen Bundesparteitag

Sozialdemokrat-Interview mit Gernot Grumbach

Soz.Dem.: Warum fordert der Bezirk Hessen-Süd einen Sonderparteitag?

GG: Wir brauchen dringend eine oflene und transparente Diskussion über die Grundlinien der Politik der SPD. Darüber darf nicht länger in kleinen Zirkeln beraten werden. Die vielen ehrenamtlichen Mitglieder, die sich im Winterwahlkampf fast die Finger abgefrorenhaben, habeneinen Anspruch darauf, an der Entscheidung über den Weg der SPD beteiligt zu werden.

Soz.Dem.: Ein Bundesparteitag reicht da aber doch nicht aus.

GG: Sicher nicht. Wir wollen mit unserer Forderung einen Anstoß geben für eine breite Diskussion in der Basis der Partei, in den Ortsvereinen und Ortsbezirken. Es schadet dabei nicht, auch Menschen einzubeziehen, die den Weg in die SPD noch nicht gefunden haben. Als Hilfestellung werden wir für alle Ortsvereine die wichtigsten Positionen zusammenstellen.

Soz.Dem.: Ist die Zeit für eine breite Diskussion bis zu einem Sonderparteitag nicht ziemlich knapp?

GG: Ja, das ist sie, auch wenn es noch 2-3 Monate dauern würde, bis ein solcher Parteitag stattfindet, wenn wir uns mit unserer Forderung durchsetzen. Aber es kann auch nicht sein, dass ein Parteitag erst beraten kann, wenn wichtige Entscheidungen schon getroffen sind. Über die Grundzüge einer Gesundheitsreform soll im Mai entschieden werden. Da müssen die Mitglieder schon die Chance erhalten, ein Wörtchen mitzureden. Angesicht der steigenden Arbeitslosenzahlen besteht außerdem dringender Diskussions- und Handlungsbedarf für neue Maßnahmen.

Soz.Dem.: Was kann bei einer Gesundheitsreform schieflaufen?

GG: Es können die falschen Prioritäten gesetzt werden. Wir haben das zweitteuerste Gesundheitssystem der Welt, aber in der Qualität nicht an der Spitze. Wenn ich feststelle, dass Medikamente in Deutschland bis zu 25% teurer sind als in anderen Ländern, wenn ich feststelle, dass Arzt- und Krankenhauskosten weit über dem europäischen Durchschnitt liegen, ohne dass es den Patienten deshalb besser geht, dann muss ich da ansetzen, bevor ich Patienten und Beitragszahler zur Kasse bitte.

Soz.Dem.: Ist das jetzt nicht wieder der Konflikt Traditionalisten gegen Modernisierer?

GG: In diese Falle sollte die SPD sich nicht begeben. Natürlich braucht eine sich ändernde Gesellschaft Reformen, wenn sie auf der Höhe der Zeit bleiben will? Aber Modernisierung braucht klare Maßstäbe, wenn sie nicht in die Irre gehen soll. Gerechtigkeit ist so ein Maßstab. Ich bin sicher, die Mehrzahl der Menschen in Deutschland würden auch schwierige Veränderungen akzeptieren, wenn man sie ihnen erklärt und wenn es gerecht dabei zugeht. Aber es ist schon ein Problem, wenn der durchschnittliche Lohnsteuerzahler feststellen muss, dass er mehr zur Finanzierung von Bildung und Sozialstaat beiträgt als andere, die deutlich mehr verdienen.

Soz.Dem: Zurück nach Hessen. War es nur Bundespolitik, die zur Wahlniederlage geführt hat?

GG: Ich habe immer gesagt, 80 % Bundespolitik und 20 % Hessen. Auch denn hessischen Anteil muss man genau betrachten, wenn man die gleichen Fehler nicht wiederholen will. Ein Beispiel: Wir haben uns nach der Wahlniederlage 1999 zwei Jahre Stillstand geleistet. Damit waren nicht nur die Voraussetzungen für die wichtigen Kommunalwahlen 2001 schlechter als sie hätten sein können. Es hat auch die Zeit gefehlt, neben der Bildungspolitik weitere Themen breit aufzubauen. In der Opposition braucht man für so etwas 2 - 3 Jahre.

Soz.Dem.: Andrea Ypsilanti hat nach ihrer Nominierung zur Landesvorsitzenden von einer „Mammutaufgabe" gesprochen. Was muss alles geschehen?

GG: Als größte Oppositionspartei muss die SPD schnell handlungsfähig werden. Mit ihrer absoluten Mehrheit braucht die Landesregierung Kontrolle und ein starkes Gegengewicht von Anfang an. Aber auch die hessische SPD braucht eine breite Diskussion, wenn sie in den wichtigsten Politikfeldern Kompetenz zurück erobern will. Auch hier geht es um Beteiligung möglichst vieler aus dem ehrenamtlichen Bereich, ohne sie haben wir keine Chance. Aber auch hier nutzt es, die Diskussion über den Rahmen der SPD hinaus zu führen. Daneben müssen wir eine Bestandsaufnahme in der SPD machen, ihre Schwachstellen analysieren und sie beseitigen. Vor uns liegen ein paar Jahre harter gemeinsamer Arbeit. Dabei haben wir gar nicht so viel Zeit. Es ist unsere Aufgabe, schon bei den nächsten Kommunalwahlen aber auch bei den Europawahlen, besser Ausgangsbedingungen zu schaffen, als uns das beim letzten Mal gelungen ist.

Soz.Dem.: Zum Schluss die unvermeidliche K-Frage: Wer wird der nächste Kandidat, die nächste Kandidatin für das Amt des hessischen Ministerpräsidenten?

GG: Um eine nicht ganz unbekannte Liedzeile zu zitieren: „Es rettet uns kein höh'res Wesen,..." Wir können die vor uns liegende Aufgabe nicht auf die Schultern einer einzelnen Person packen, da müssen wir schon alle ran. Wir haben in der SPD in der Generation von Koch und darunter eine Reihe von Leuten, die es in Zukunft mit ihm aufnehmen können. Die müssen jetzt gemeinsam die SPD voranbringen, zum Beispiel an der Spitze der Landespartei, der Fraktion oder der Region Rhein-Main. In 3 - 4 Jahren werden wir dann aus mehren potentiellen Kandidaten aussuchen können.

( Der Text des Interiews ist aus dem "Sozialdemokrat", der SPD-Hessen- Süd- Ausgabe des "Vorwärts" gescannt worden )