Zurueck zur Homepage

Schlechte Stimmung in privater Uniklinik

Versetzungen, Umschulungen, Personalabbau - die Mitarbeiter des Universitätsklinikums Gießen-Marburg sind verunsichert

Seit die Krankenhäuser zu der Rhön-Klinikum AG gehören, haben sich Arbeitsklima und Patientenversorgung verschlechtert, klagen Beschäftigte und Betriebsrat. Der Geschäftsführer hat Verständnis für die Sorgen der Mitarbeiter, sieht sich aber auf dem richtigen Weg.

Marburg/Gießen - Die neuen Eigner der mittelhessischen Uni-Kliniken sind auf den ersten Blick nicht erkennbar. Der Name der Rhön-Klinikum AG taucht weder an der Pforte noch auf dem Briefpapier der Kliniken auf. Doch die Mitarbeiter spüren, dass ein neuer Wind weht.

Nach Angaben der Konzernleitung mussten 250 der 6560 Beschäftigten, das sind 3,8 Prozent, gehen. Ob die Zahlen stimmen, können Betriebsräte und Gewerkschaft allerdings nicht sagen. Verdi-Gewerkschaftssekretärin Marita Kruckewitt weiß nur: "Es wird permanent Personal abgebaut." Klar ist auch: Befristete Verträge werden nur noch ausnahmsweise verlängert. Es trifft vor allem Pflegekräfte, Verwaltungsmitarbeiter und Fahrdienste, während die Ärzte bislang glimpflich davongekommen sind.

Schichten schlecht besetzt

Laut Betriebsrat wurde der Personalbedarf der einzelnen Abteilungen nach Vergleichszahlen aus anderen Kliniken analysiert. Anschließend wurden viele Pflegekräfte versetzt. Krankenschwestern, die zum Teil 20 Jahre auf ihren Stationen gearbeitet haben, mussten in andere Abteilungen wechseln, erzählt die Marburger Patientenfürsprecherin und ehemalige Krankenschwester Cornelia Opitz: "Dann müssen sie noch dankbar sein, wenn sie innerhalb ihrer Stadt versetzt werden." Auswirkungen auf die Patienten hat sie aber noch nicht feststellen können. Auch in früheren Jahren sei es vorgekommen, dass Patienten in Notzimmern und auf Fluren untergebracht werden mussten.

Ärzte und Pfleger berichten jedoch, dass die Schichten vor allem am Wochenende schlechter und mit weniger examinierten Schwestern besetzt seien als vorher. Das führe dazu, dass Patienten länger auf den Intensivstationen blieben, obgleich sie schon auf normale Stationen verlegt werden könnten.

"Dort werden sie am Wochenende oft so schlecht versorgt, dass wir sie nach zwei Tagen wiederhaben", stöhnt ein Arzt, der, ebenso wie andere Mitarbeiter, aus Angst um den Arbeitsplatz ungenannt bleiben will. Er berichtet von Anästhesie-Pflegern, die neuerdings für doppelt so viele Operationen wie bislang zuständig seien, und von überbelegten Stationen, auf denen bis zu zehn Betten auf dem Flur stünden: "Die Patienten beschweren sich in einer Tour."

Gerald Meder, Vize-Vorstandschef der Rhön-Klinikum AG, verweist dagegen auf die überproportional gestiegenen Patientenzahlen. Das Plus von 3,6 Prozent in Gießen und zwei Prozent in Marburg zeige, "dass die Patienten trotz der Privatisierung weiterhin Vertrauen in das Universitätsklinikum haben". Zudem seien eher schwerere Fälle behandelt worden. Engpässe habe es lediglich wegen der seit November grassierenden Noro-Virus-Welle gegeben. Meder geht davon aus, dass die Rhön-Klinikum AG in den nächsten Jahren zehn Prozent des Personals abbauen wird: "Aber das hat nichts mit der Privatisierung zu tun", betont der Krankenhausmanager: "Das ist die allgemeine Entwicklung." Um nicht entlassen zu müssen - das ist nach dem Vertrag mit dem Land bis 2010 nicht möglich - hat der Konzern einen Sozialfonds eingerichtet, mit dem früherer Rentenbeginn abgefedert wird und Mitarbeiter umgeschult werden. So sei bereits jetzt absehbar, dass durch den Neubau der Gießener Uniklinik viele Krankenfahrten wegfallen würden, die bislang zwischen den zahlreichen Gebäuden notwendig seien. Dann werde der Fahrdienst kaum noch gebraucht. Deswegen gebe es etwa Umschulungen zum Rettungssanitäter.

Verständnis für "gefühlte Unruhe"

Dass es angesichts der Versetzungen eine "gefühlte Unruhe" gebe, kann Meder verstehen: "Die Leute wollen an den gegebenen Arbeitsplätzen festhalten. Aber langfristig ist das eine Fehlentscheidung."

Freilich habe sich auch das Klima verändert, erzählt Betriebsratsvorsitzender Klaus Hanschur: "Um Mitbestimmungsrechte wahrnehmen zu können, habe ich 2006 so oft mit gerichtlichen Schritten drohen müssen wie in den ganzen Jahren zuvor nicht." Die Beschäftigten sorgen sich wegen des Haustarifvertrages. Die Mitarbeiter von Wäscherei, Küche und Transportdiensten fürchten, dass sie in Tochtergesellschaften arbeiten müssen. Ein Teil des Reinigungsdienstes wurde bereits vor der Privatisierung ausgegliedert. Den Betroffenen fehlen Weihnachts- und Urlaubsgeld. Zudem wüssten die Klinikmitarbeiter sehr gut, dass die Arbeitsplatzgarantie bis 2010 gilt. Von da an sind betriebsbedingte Kündigungen wieder möglich. "Es gibt viel Angst", sagt der SPD-Landtagsabgeordnete und ehemalige Arzt am Uni-Klinikum, Thomas Spies: "Aber Leute in Heilberufen werden da nicht wütend. Sie werden traurig." Gesa Coordes

[ document info ]
Copyright © FR online 2007
Dokument erstellt am 15.02.2007 um 20:00:03 Uhr
Letzte Änderung am 16.02.2007 um 11:28:11 Uhr
Erscheinungsdatum 16.02.2007