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Salzgitter-Konzern wappnet sich gegen feindliche Übernahme

Starker Kursanstieg beunruhigt Stahl-Unternehmen - Vorstand beschließt Abwehrmaßnahmen

MARKUS HENNES

HANDELSBLATT, 15.9.2005

FRANKFURT. Der niedersächsische Stahl- und Röhrenkonzern Salzgitter bereitet eine Abwehrstrategie gegen eine feindliche Übernahme vor. Vor allem der stark gestiegene Aktienkurs und das neu erwachte Interesse ausländischer Anleger beunruhigen die Salzgitter-Führung. Sie will mögliche Übernahmevefsuche schon im Keim ersticken. Wie Finanzvorstand Heinz-Jörg Fuhrmann dem Handelsblatt am Rande einer Investorenkonferenz in Frankfurt sagte, „gibt es Überlegungen, einen Teil der Pensionsrückstellungen in einen externen Fonds auszulagern". Außerdem kaufe das Unternehmen verstärkt eigene Aktien zurück. Mit beiden Maßnahmen sollen die hohen Barbestände, die das Unternehmen als Übernahmeziel attraktiv machen, abgebaut werden.

Die im MDax notierte Salzgitter steht seit Anfang September im Zentrum von Übernahmespekulationen. Vor zwei Wochen kam erstmals das Gerücht auf, der britisch-niederländische Stahlkonzern Corus, die Nummer zwei in Europa, wolle den zweitgrößten deutschen Stahlhersteller übernehmen. Das Gerücht katapultierte die Salzgitter-Aktie erstmals über die Marke von 30 Euro. Gestern kostete das Stahlpapier bereits 35 Euro.

Aktuell bewertet die Börse den Konzern mit 2,2 Mrd. Euro. Die im internationalen Maßstab vergleichsweise kleine Salzgitter wäre durchaus ein lukratives Übernahmeziel für die großen Stahlkocher, die allesamt expandieren. Neben Corus werden die deutsche Nummer eins, Thyssen-Krupp, und der weltgrößte Stahlhersteller Mittal Steel als Interessenten gehandelt. In der Branche hat es in den letzten Jahren mehrere spektakuläre Übernahmen gegeben. 1997 fusionierten Thyssen und Krupp zum größten europäischen Stahlhersteller. Bereits zwei Jahre später wurden sie von Corus (British Steel und Hoogovens) überrundet. 2000 avancierte Arcelor (Arbed, Aceralia und Usinor) zur weltweiten Nummer eins.

Salzgitter ist nicht nur gut im Geschäft, sondern auch gut bei Kasse. Analysten prognostizieren, dass der Konzern 2005 einen Rekordgewinn vor Steuern von etwa 630 Mill. Euro einfahren wird. Dazu kommt, so Stahl-analyst Hermann Reith von der BHF-Bank, eine Nettoliquidität von gut 600 Mill. Euro. Bei einem Übernahmeversuch würden diese Barbestände die Finanzierung der Transaktion wesentlich erleichtern.

Salzgitter-Finanzchef Fuhrmann will daher einen großen Teil der Barmittel bei einer
Übernahmeattacke schnell in einen externen Pensionsfonds übertragen und sie damit vor dem Zugriff eines Aufkäufers schützen. Für eine Auslagerung der Pensionsverpflichtungen sei lediglich ein Beschluss des Aufsichtsrates notwendig, der sich binnen weniger Tage herbeiführen lasse, so Fuhrmann. „Entsprechende Pläne liegen fertig in der Schublade", bestätigen unternehmensnahe Kreise.

Gegen wen sich Salzgitter wappnet, weiß auch Fuhrmann nicht. Bekannt sei nur, dass der Anteil ausländischer Investoren zuletzt deutlich gestiegen ist. Bei Salzgitter engagierten sich jetzt Fonds, die das Unternehmen vor zwei Jahren überhaupt noch nicht kannten. Die Phantasie der Anleger beflügelt insbesondere das Röhrengeschäft.

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Klein, aber fein

• Schwächen: Mit einer jährlichen Rohstahlproduktion von acht Mill. Tonnen belegt Salzgitter Platz 25 der Weltrangliste. Experten prognostizieren, dass die Konsolidierung in der Branche fortschreitet und bald nur noch vier bis fünf Konzerne
mit einer Kapazität von 100 Mill. Tonnen den Markt dominieen werden. Die schiere Größe bringt besonders beim Rohstoffeinkauf klare Vorteile.
 

• Stärken: Salzgitter ist breit aufgestellt. Wichtigster Ergebnislieferant neben der Stahlsparte ist das Röhrengeschäft. In einigen Marktsegmenten ist Salzgitter Weltmarktführer. Der Stahlboom und die langfristig weiter steigende Nachfrage der Öl und Gasproduzenten nach Pipelines dürften dafür sorgen, dass Salzgitter eines der profitabelsten Stahlunternehmen Europas bleibt.

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Nach der Übernahme der Mannesmannröhrcn-Werke vor fünf Jahren profitiert Salzgitter von der aktuellen Hausse bei den Energiepreisen, die die Nachfrage nach 01-und Ciaspipelines erhöht und Salzgitter eine Auftragsflut beschert.

Bisher hat Salzgitter keine Anzeichen für die Konzentration größerer Aktienpakete in einer Hand. Ein Aktienbesitz von mehr als fünf Prozent ist in Deutschland meldepflichtig. Rückhalt verspricht sich das Salzgitter-Management auch vom einzigen Großaktionär, dem Land Niedersachsen. Nachdem man bereits fünf Prozent der eigenen Aktien erworben habe, „halten das Land Niedersachen und wir gemeinsam gut 30 Prozent", sagte Fuhrmann. Damit kann eine vollständige Übernahme blockiert werden. Niedersachsen will seinen Salzgitter-Anteil nicht vor 2010 verkaufen, sagte gestern ein Sprecher der Staatskanzlei.

Der Salzgitter-Konzern ist aus der Preussag hervorgegangen. Anfang 1998 hatte der damalige niedersächsische Ministerpräsident Gerhard Schröder die Übernahme der Preussag-Stahlaktivitäten durch das Land und die NordLB eingefädelt. Zuvor sollte die Stahltochter zunächst an British Steel und wenig später an die österreichische Voestal-pine verkauft werden. Noch im selben Jahr brachten Land und Bank das inzwischen in Salzgitter umbenannte Unternehmen an die Börse. Die NordLB hatte den schon vor gut einem Jahr einsetzenden Höhenflug der Salzgitter-Aktie genutzt, ihren Anteil Schritt für Schritt komplett zu verkaufen.