Aber in der Realität ist es anders :
Die erneute Debatte um den "Rinderwahnsinn" und ihre Problemlösungen in der EG zeigen es wieder deutlich : Es sind die Interessen der Erzeuger bzw. Hersteller, denen in der Wirtschaftspolitik Vorrang eingeräumt wird. Nicht die "Täter", sondern die "Opfer" einer gesundheitsgefährdenden Produktion werden zusätzlich noch zur Tragung des finanziellen Risikos herangezogen.
Ähnlich den Tarifverträgen bei Löhnen und Gehältern sollten die Rahmenbestimmungen der Allgemeinen Geschäftsbedíngungen in Verhandlungen zwischen Vertretern der Hersteller bzw. Verkäufer ( der betreffenden Wirtschaftsverbände ) und der Käufer ( den Verbraucherverbände ) ausgehandelt werden. Dies ist vor allem dann vonnöten, wenn kein oder nur bedingter Wettbewerb möglich ist. Dies trifft besonders im Ver-; Entsorgungs-, Kommunikations-, Verkehrs- und Bankenbereich zu. Hier gibt es Wirtschaftsgebiete, deren Allgemeine Geschäftsbedíngungen für den Verbraucher undurchschaubar sind und trotz ihres Monopolcharakters keiner staatlichen Genehmigungs-, sondern nur einer Mißbrauchskontrolle unterliegen ( z. B. bei den privaten Gas- und Wasserversorgungsunternehmen ).
Im Bankenbereich müssen die Verbraucherverbände sehr oft erst in Gerichtsverfahren, die in Form von Musterklagen bis zu einer höchstrichterlichen Entscheidung durchgeführt werden, rechtswidriges Verhalten der Kreditinstitute aufgrund deren AGB revidieren. Das hat dazu geführt, daß einzelne Bankengruppen bereits sog. "Omboudsleute" ( = Schiedsleute ) zum Schlichten der immer mehr anfallenden Rechtsstreitigkeiten eingesetzt haben, die auch mehr oder weniger einseitigen Interessen verpflichtet sind.
Deshalb ist es nicht zu verstehen, daß gerade die Kräfte, die für eine "freie Wirtschaft " plädieren, nur von der Angebots-, also der Herstellerseite die Wirtschaft "ankurbeln" wollen. Es sei denn, sie sähen in der Wirtschaftspolitik nicht das Allgemein-, sondern nur ihre Einzelinteressen. Als Manager, Boden- und Kapitalbesitzer fordern sie Abbau bei den Subventionen im sozialen Bereich, um gleichzeitig mit staatlichen Geldern die Wirtschaft weiter zu fördern und ihre Risiken ( z. B. im Auslandsgeschäft durch Hermes- Bürgschaften ) absichern zu lassen.
Bei weltweiter globaler Betrachtung treten a l l e Verbraucher als Nachfrager nach den Grundbedürfnissen Nahrung und Wohnung auf, Die Tatsache, daß dieser Grundbedarf trotz aller Bemühungen von vielen internationalen karitativen Organisationen nicht gedeckt werden kann, zeigt die Unmöglichkeit eines funktionierenden "freien Welthandels". Die einzelnen Staaten müssen sich dazwischenschalten und regulierend eingreifen, was in der Regel ja auch geschieht. Die Modalitäten werden in Handelsabkommen festgelegt.
Als Nachfrager treten auch im Binnenhandel neben den privaten Verbrauchern die verschiedenen öffentlichen Hände auf.
Dabei tritt der Staat als Nachfrager nach Gütern auf, die von allen Bürgern individuell ( z.B. Gehwege und Straßen ) oder gemeinsam ( z: B. Schienen und Leitungen ) genutzt werden sollen. Sein Bedarf ist genauso wie bei den Bürgern durch seine Einnahmen begrenzt. Er hat aber auch wie diese die Möglichkeit, Kredite aufzunehmen, um zur Sicherung der zukünftigen ökonomischen und ökologischen Entwicklung Investitionen zu tätigen. Solche notwendigen Zukunftsinvestitiionen können natürlich auch zur Belebung bzw. Ankurbelung der wirtschaftlichen Tätigkeit genutzt werden, wenn ein Nachlassen der privaten wirtschaftlichen Tätigkeit und ein damit verbundener Beschäftigungsabbau zu beobachten sind. Bei der öffentlichen Kreditaufnahme ist allerdings vorher der Verwendungszweck der Investitionen und vor allem dessen Nutzen für die Allgemeinheit zu prüfen.
Durch ihre Politik der "Privatisierung" verteufeln die sog. "Marktwirtschaftler", die aus ihrer betriebswirtschaftlichen Angebotssicht der Gewinnerzielung den Vorrang vor der volkswirtschaftlichen Bedarfsdeckung einräumen, jede öffentliche gemeinwirtschaftliche Wirtschaftstätigkeit, die kollektive Bedürfnisse nach dem sog. "Kostendeckungsprinzip" befriedigen will. Die Folge davon ist die Kommerzialisierung aller gesellschaftlicher Bereiche, welche in immer mehr wirtschaftlichen Gebieten betriebswirtschaftliche Eigeninteressen vor notwendige volkswirtschaftliche Gesamtinteressen stellt. So wird z. B. eine Staatsschulden- Diskussion geführt. ohne dabei auch nur im entferntesten das durch die Kredite finanzierte öffentliche Vermögen ( und vor allem dessen volkswirtschaftlichen Nutzen ) zu berücksichtigen.
Öffentliche Vermögensteile werden ausgegliedert und dann meist in privaten Rechtsformen weiter geführt. Sie unterliegen dann einer privaten Verfügbarkeit und können dann zur Tilgung von öffentlichen Schulden an Private veräußert werden.
Die Garantie des Existenzminimums durch die Sozialhilfe ist als eine
Leistung der Gemeinschaft an seine bedürftigen Mitglieder zur Befriedigung
der Grundbedürfnisse anzusehen. Die Sozialhilfe ist daher am Verbrauch
( Warenkorb der Grundbedürfnisse ) festzulegen. Deshalb ist die neue
Orientierung an den Nettolöhnen abzulehnen.