Alois Rhiel (CDU) plädiert für geringere Entgelte für die Nutzung des Stromnetzes / Anbieter blockieren
Ein durchschnittlicher Drei-Personen-Haushalt zahlt in Hessen zwischen 158 und 225 Euro im Jahr für die Stromnetznutzung. Wirtschaftsminister Alois Rhiel (CDU) will die Kosten drücken und verlangt nun eine Vorabkontrolle der Stromnetzentgelte.
VON STEPHAN BÖRNECKE
Strompreise
In Hessen gibt es beträchtliche Unterschiede beim Netznutzungsentgelt, und oft liegt der Preis über dem deutschen Mittelwert von 5,47 Cent pro Kilowattstunde: Während die Stadtwerke Hanau, Kassel, Wiesbaden oder Großkrotzenburg sowie die EAM mit Preisen von 5,85 bis 5,92 Cent bereits über dem bundesdeutschen Durchschnitt liegen, sind bei den Stadtwerken Eschwege stattliche 6,44 Cent, bei der Thüringer Energie AG sogar 7,38 Cent fällig. Erheblich billiger liegen die Stadtwerke Bad Vilbel mit 4,63 Cent, und in Schlitz sind sogar nur 4,53 Cent zu zahlen. Rein rechnerisch kann sich das bei einem Musterhaushalt auf eine Differenz von 60 Euro im Jahr summieren. -ke
Frankfurt · 21. September · Mehrwertsteuer, Konzessionsabgaben, Ökosteuer, Abgaben nach dem Kraft-Wärme-Koppelungs- und dem Erneuerbare Energien-Gesetz - eine Stromrechnung hat viele Bestandteile. Der größte Posten: "Strom-Erzeugung, -Transport und -Vertrieb". Den gibt der Verband der Elektrizitätswirtschaft VDEW für den Drei-Personen-Musterhaushalt, der 3500 Kilowattstunden im Jahr verbraucht, für 2003 mit 29,90 Euro im Monat an.
Ein Teil dieser Summe geht drauf für die Netznutzungsentgelte. Dieser vor allem für Stromanbieter wie Yello, Lichtblick oder Öko-Stromfirmen, aber auch für den Privatkunden wichtige Posten wird freilich in der Musterrechnung des VDEW nicht aufgeschlüsselt.
Er lag im Schnitt nach Angaben des Verbands der Netzbetreiber im April bei 5,47 Cent pro Kilowattstunde. Von dieser Summe auf die tatsächlichen Nutzungsentgelte zu schließen, ist schwierig, weil weitere, stark variierende Kosten wie etwa die Messgebühren hinzugerechnet werden.
Die zum Teil enormen Unterschiede von mehreren Cent seien, sagt VDEW-Sprecherin Astrid Fischer, bedingt durch die differierenden örtlichen Bedingungen: Kundenstruktur, Fixkosten, Strommengen, Großabnehmer: All diese Faktoren bestimmten letztlich den Preis, der nach einem von den Strom- und Kundenorganisationen in der so genannten Verbändevereinbarung niedergelegten Verfahren errechnet wird.
Abmahnung durch Kartellwächter
Ob hohe Preise am Ende immer auf den Strompreis für den Privatkunden durchschlagen, bleibt offen, heißt es im Wirtschaftsministerium, da die Kalkulation etwa auch durch den Stromeinkauf bestimmt werde. Doch es ist einer der Faktoren, die den Strompreis und damit den Wettbewerb beeinflussen können. Für neue Stromanbieter sei ein niedriger Durchleitungspreis "die Voraussetzung, um im Markt zu überleben", sagt Wirtschaftsminister Alois Rhiel.
Doch alle Versuche, die Höhe der Netznutzungsentgelte mit Hilfe des Kartellrechts zu begrenzen, "waren zum Scheitern verurteilt", bedauert Rhiel. So hatte die Kartellbehörde 2001 in Hessen 15 Stromanbieter abgemahnt und eine Aufschlüsselung der auf den ersten Blick überhöhten Netznutzungsentgelte sowie die Senkung verlangt. Abgemahnt wurden damals die teuren Stadtwerke Gießen, die Überlandwerke Fulda, die Stadtwerke Haiger, Hünfeld und Hanau sowie die OVAG in Friedberg. Die Drohung: Einleitung eines Missbrauchsverfahrens wegen marktbeherrschender Stellung, sollte der Preis nicht fallen. Doch mit dieser Methode, das mussten die Kartellwächter bald einsehen, kam man nicht sehr weit. Jede Auskunft, heißt es, sei nur verzögert beantwortet worden. Rechtsanwälte seien eingeschaltet, die Verfahren in die Länge gezogen worden. Als sich dann Anfang 2003 auch noch die Rechtslage änderte und die Festsetzung der Entgelte anhand der Kriterien der Verbändevereinbarung "unantastbar" wurden, erwiesen sich die Instrumente der Missbrauchsaufsicht als ein stumpfes Schwert, sagt Rhiel. Allerdings beobachtete das Ministerium, dass die Hälfte der 2001 und 2002 abgemahnten Firmen freiwillig die Preise senkten.
"Dem Ministerium waren die Hände gebunden", sagt der Christdemokrat, der nun einen Vorstoß unternimmt, um den Wettbewerb wieder herzustellen: Nicht im Nachhinein sollen die Entgelte überprüft werden. Sondern es soll vorab eine Genehmigung durch die Regulierungsbehörde geben, wofür Rhiel am Freitag im Bundesrat streiten will. Der Regierungsentwurf sieht hingegen lediglich vor, dass die Aufsicht neue Preise erst nach deren Inkrafttreten überprüft. Bei Verstößen können dann Missbrauchsverfahren eingeleitet werden. Das ist Rhiel zu wenig: Die Praxis habe gezeigt, dass sich dadurch kein Wettbewerb herstellen lasse.
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Dokument erstellt am 22.09.2004 um 00:14:49 Uhr
Erscheinungsdatum 22.09.2004 | Ausgabe: S | Seite: 40