Alois Rhiel macht sich für die Vorabkontrolle von Strom- und Gaspreisen stark / Der Christdemokrat warnt vor langwierigen Gerichtsverfahren
Die von zahlreichen Bundesländern geforderte Vorabprüfung und Genehmigung von Netzentgelten für die Strom- und Gasdurchleitung muss nicht an der dünnen Personaldecke der Bonner Regulierungsbehörde scheitern. Hessens Wirtschaftsminister Alois Rhiel (CDU) bietet Hilfe an.
VON BERND SALZMANN
Frankfurt a.M. · 16. September · "Wir wollen unsere Kompetenz, unser Know-how mit einbringen", sagte Rhiel, der im Bundesrat für eine starke Regulierungsbehörde streitet. Im Detail schwebt dem hessischen Wirtschaftsminister vor, dass die Bonner Regulierungsbehörde sich auf die Betreiber grenzüberschreitender und überregionaler Netze konzentriert und die Bundesländer nach einer auf Bundesebene formulierten "einheitlichen Richtlinie" für die Anbieter lokaler und regionaler Netze verantwortlich sind. Die Truppe um Behördenleiter Matthias Kurth hätte es dann zwar noch mit großen Konzernen wie RWE, Eon, Vattenfall und EnBW zu tun, um das Gros der gut 1700 Versorgungsunternehmen, die vielen Stadtwerke, würden sich aber die Fachleute aus den Wirtschaftsministerien der Bundesländer kümmern. Die Länder sind bereits heute für die Vorabgenehmigungen der Strompreise für Haushalte zuständig.
Zweifel an der Effektivität der Genehmigungsbehörden in den Bundesländern, wie sie Bundesverbraucherministerin Renate Künast (Grüne) in der Vergangenheit äußerte, lässt Rhiel nicht gelten. In Hessen seien die Forderungen der Stromversorger in der jüngsten Preisrunde (Dezember 2003) "bei weitem nicht" erfüllt worden. Wo immer möglich habe die Behörde die Netzentgelte "nach unten korrigiert". Machtlos zusehen müssten seine Kontrolleure allerdings, wenn Stadtwerke mit enorm hohen Stromeinkaufspreisen kalkulierten, die offenkundig in Folge hoher Netznutzungskosten der Vorlieferanten entstanden seien. Daran könne er nur gemeinsam mit der Bonner Regulierungsbehörde etwas ändern, weil seine Kompetenz an der Landesgrenze ende.
Weniger Bürokratie
Rhiel will am nächsten Freitag im Bundesrat erneut für Vorabgenehmigungen (Ex-ante-Regulierung) streiten. Der umstrittene Regierungsentwurf für ein Energiewirtschaftsgesetz sieht hingegen lediglich vor, dass die Aufsicht - falls Bedenken laut werden - neue Preise erst nach deren Inkrafttreten überprüft (Ex-post-Regulierung). Bei Verstößen können dann Missbrauchsverfahren eingeleitet werden. Das ist Rhiel zu wenig: "Es bleiben zu viele Spielräume für die Netzbetreiber, die Nachfrager monopolistisch auszubeuten. Ich will eine wirksame Entgeltkontrolle, bevor Schaden entsteht." Denn von den Stromversorgern zu Unrecht kassiertes Geld sähen die Verbraucher auch nach einem "erfolgreichen" Missbrauchsverfahren nie wieder, sagt er.
Nicht nachvollziehbar ist für den Christdemokraten der Vorwurf aus dem Bundeswirtschaftsministerium, die Vorabregulierung bedeute mehr Bürokratie für die Branche und die Regulierungsbehörde. Genau das Gegenteil sei der Fall, hält Rhiel Staatssekretär Georg Wilhelm Adamowitsch (SPD) entgegen. Missbrauchsverfahren hätten häufig gerichtliche Auseinandersetzungen über mehrere Instanzen zur Folge, da es für Unternehmen in solchen Verfahren "naturgemäß" nicht mehr alleine darum gehe, ihre Preisvorstellungen durchzusetzen, sondern von einem Vorwurf frei gesprochen zu werden. Für Energieversorger und ihre Kunden bedeute das eine lange währende Rechtsunsicherheit. Hinzu komme: Im Genehmigungsverfahren müsse das Unternehmen seine Preisvorstellungen begründen, im Missbrauchsverfahren trage die Regulierungsbehörde die Beweislast.
Rhiel warnt allerdings davor, in der Ex-ante-Regulierung bereits die Garantie für angemessene Netzentgelte und damit akzeptable Strompreise zu sehen. Wirksam handeln könnten Kurth & Co. nur, wenn die Strom- und Gasversorger vom Gesetzgeber zugleich zu einem effizienten Netzbetrieb gezwungen würden. Der aktuelle Regierungsentwurf sehe hingegen vor, dass die Gesellschaften alle Kosten auf die Kunden abwälzen könnten (Nettosubstanzerhaltung). Die Verbraucher trügen damit faktisch das unternehmerische Risiko. Die Bundesländer hätten bereits in Ausschusssitzungen deutlich gemacht, dass dies mit ihnen nicht zu machen sei: "Die Ländermehrheit im Bundesrat will keinen Papiertiger, sondern eine wirksame Regulierungsbehörde mit einem starken Chef."
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Dokument erstellt am 16.09.2004 um 17:16:31 Uhr
Erscheinungsdatum 17.09.2004