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Aus „Zeit-Fragen“, Zürich vom 15.05.2006

Link : http://www.zeit-fragen.ch/ausgaben/2006/nr20-vom-1552006/rekommunalisierung-des-wassers-ist-angesagt/

(Redaktion und Verlag, Postfach CH-8044, Zürich, Tel. +41 44-350 65 50, Fax +41 44-350 65 51)

 

 

 

 

 

Rekommunalisierung des Wassers ist angesagt  -

US-Bürger wollen von der Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerks AG (RWE) ihre Wasserversorgung zurückhaben!

von Jens Loewe, Mitglied im «Stuttgarter Wasserforum» sowie im bundesweiten Wasserbündnis «Wasser in Bürgerhand»

RWE will seine Wassersparte (American Water Works) in den USA nach nur dreijähriger Betätigung mit höchstmöglichem Profit verkaufen. Die Bürger der betroffenen Bundesstaaten in den USA hingegen kämpfen um die Rekommunalisierung ihrer Wasserversorgung, weil die Erfahrungen mit dem deutschen Multi-Utility-Konzern alles andere als befriedigend waren.
RWE hatte im Jahr 2000 den britischen Wasserversorger Thames Water aufgekauft, um mit diesem strategischen Zwischenschritt im internationalen Wassergeschäft Fuss zu fassen. Im Jahr 2003 kam die Übernahme von American Water Works hinzu, dem grössten US-Wasserunternehmen, welches über 15 Millionen Menschen in 29 US-Bundesstaaten und 3 kanadischen Provinzen versorgt. (Zum Beispiel in Lexington/ Kentucky, Champaign/Illinois, Chatanooga/Tennessee, Monterey/California, Urbana/Illinois, Pekin/Illinois, Gary/Indiana, Felton/California usw.) Der Kaufpreis von 8 Milliarden Euro war selbst für RWE ein dicker Brocken. Mit diesen Zukäufen konnte RWE jedoch zum international drittgrössten «Wasser-Konzern» aufsteigen, hinter den französischen Konkurrenten Suez/Ondeo und Vivendi/Veolia. Die Kritiker nennen solche Multi-Utility-Konzerne auch «Water Grabber», also Wasser-Grabscher.
RWE-Vorstand Harry Roels versicherte damals, eine lang angelegte Partnerschaft mit den US-Kommunen aufbauen zu wollen – zur Zufriedenheit der Kunden. Wie schnell doch die Zeit vergehen kann! Nun hat der RWE-Konzern beschlossen, seine Strategie zu ändern und Teile seines «Wassergeschäfts» abzustossen. Dabei wird bei solchen Verkäufen mit der Wasserversorgung der Bürger genauso lässig umgangen wie mit jedem anderen Wirtschaftsgut auch. Wer am meisten zahlt, bekommt den Zuschlag. Die Bürger in den betroffenen Bundesstaaten wollen hingegen, auf Grund schlechter Erfahrungen mit der Wasserprivatisierung, dass das Wasser wieder in kommunaler Hand verwaltet wird.
In nächster Zukunft wird sich die Auseinandersetzung zuspitzen in bezug auf die Frage, ob sich die Kapitalinteressen von RWE durchsetzen werden oder aber der Wille der Bevölkerung. Die aktiven Gruppen in den USA bitten jedenfalls um Hilfe und Unterstützung bei der Durchsetzung ihrer – legitimen – Interessen.

Zur Geschichte von RWE

Zu einem besseren Verständnis der Gesamtsituation soll zunächst ein Abriss über die ­politische Firmengeschichte von RWE zeigen, dass die Daseinsvorsorge in den Händen von Konzernen wegen gegenläufiger Interessen nicht gut aufgehoben ist.
Am 25. April 1898 wurde RWE in Essen im Ruhrgebiet gegründet (Rheinisch-Westfälische Elektrizitätswerks Aktiengesellschaft), um die Stadt Essen mit Elektrizität zu versorgen.
Dem vorausgegangen waren die Aktivitäten von Wilhelm Lahmeyer, der elektrische Maschinen und vor allem leistungsfähige Generatoren entwickelt hatte, die die Grundlage der Stromversorgung bilden sollten.
Schon kurze Zeit später, 1902, übernahmen die Mitgründer Hugo Stinnes und August Thyssen RWE und begannen eine aggressive Expansionsstrategie. Sie übernahmen die Versorgung vieler umliegender Städte und entwickelten eine Methode, die bis heute «erfolgreich» ist: Sie beteiligten die Kommunen am Aktienkapital und setzten die Bürgermeister in ihren Aufsichtsrat, wodurch sie in kurzer Zeit grosse Gebietsmonopole aufbauen und sich exklusiv Konzessionen sichern konnten. Einer der prominentesten RWE-Aufsichtsräte war Konrad Adenauer, Kölner Oberbürgermeister, von 1949 bis 1963 Bundeskanzler und von 1920 bis 1932 im RWE-Aufsichtsrat. Besorgt über den Vorwärtsdrang von RWE gründeten andere Akteure 1906 die VEW (Vereinigte Elektrizitätswerke Westfalen AG), um RWE etwas entgegensetzen zu können. Dem war wenig Erfolg beschieden, und im Jahr 2000, also fast 100 Jahre später, wurde VEW von RWE übernommen.
Die immer umfangreicheren Zukäufe des RWE-Imperiums finanzierten die Herren Stinnes und Thyssen und andere mit Hilfe der Deutschen Bank, die bis heute Anteilseigner bei RWE ist.

Ein Gewächs der Kriegswirtschaft

Im Ersten Weltkrieg war Hugo Stinnes einer der bedeutendsten Kriegslieferanten und einer der führenden Ausbeuter von Rohstoffen in besetzten Gebieten. Für die Kriegsvorbereitungen des Zweiten Weltkrieges, also ab 1936, benötigten die Nationalsozialisten die Mitarbeit von Konzernen wie RWE. Während des Krieges wurden dann die Energieversorgungssysteme von Belgien, Frankreich und den Niederlanden an das RWE-Netz angeschlossen, um mehr Kapazitäten für die deutsche Kriegswirtschaft nutzen zu können.
Nach dem Zweiten Weltkrieg mauserte sich RWE wieder schnell und erfolgreich mit dem bewährten Rezept: Aufnahme von führenden Kommunalpolitikern in die eigenen Gremien!
Später, im Jahr 1958, baute RWE einen ersten kleinen Atomreaktor in Kahl, dem aber noch kein wirtschaftlicher Erfolg beschieden war. Weitere Atomkraftwerke folgten. In den 80er und 90er Jahren fanden weitere Diversifizierungen statt. RWE engagierte sich in Bereichen wie der Müllverbrennung, im Bausektor, mit Mineralöl und mit Druckmaschinen.

Und dann globale Wasserausbeutung

Durch die erkennbar weltweite Verknappung von Süsswasser entstand bei RWE die Überzeugung, dass mit der Wasserversorgung die Konzernprofite nach oben geschraubt werden können und dass mit dem Know-how der heimischen Wasserwerker auch Übernahmen in Ländern der dritten Welt möglich sein sollten. Dieser Überzeugung folgend hatte RWE im Jahr 2000 den britischen Wasser Multi Thames Water übernommen, als neue «Führungsgesellschaft» mit Sitz in Reading bei London, um so international in diesem «Wachstumsmarkt» gut aufgestellt zu sein. Dazu die RWE AG über sich selbst:
–    «Wir sind weltweit das ehrgeizigste Wasserunternehmen.»
–    «Wasser soll der am schnellsten wachsende Geschäftsbereich sein.»
–    «Wir streben an, Grossaufträge in Asien zu sichern.»
–    «Die inhärente Stärke des Wassergeschäfts ruht auf den Grundlagen nachhaltigen Wachstums.» (aus der RWE-Homepage)
Mit dieser Strategie, die zunächst vom RWE-Vorstandsvorsitzenden Dietmar Kuhnt eingefädelt, und später von seinem Nachfolger Harry Roels weitergeführt wurde, hat sich die RWE AG als weltweit drittgrösster Anbieter für Wasser- und Abwasserdienstleistungen aufgestellt. RWE-Thames Water ist seitdem in vielen Ländern im Wassersektor tätig, zum Beispiel in Budapest/Ungarn, Berlin/Deutschland, Shanghai/China, Jakarta/Indonesien, Bangkok/Thailand sowie auch in Australien, Indien, Japan, Singapur, Malaysia und natürlich London, dem Ursprungsort von Thames Water.

Erwerb der «American Water Works»

Um den US-amerikanischen Markt zu erobern, kam, wie bereits geschildert, im Jahre 2003 der Erwerb von American Water Works hinzu, des grössten amerikanischen Wasserversorgers, um dessen Verkauf sich die hier beschriebene Auseinandersetzung dreht. Dreh- und Angelpunkt wird nun die Frage sein, ob ein mächtiger Grosskonzern, der das klare Ziel hat, Profit zu erwirtschaften, dazu zu bewegen ist, möglicherweise mit Verlusten die Wasserbetriebe an die jeweiligen Kommunen abzugeben.

Der Filz zwischen Energiewirtschaft und Politik

Damit von seiten der Bürgerschaft in den USA dieser Schritt erfolgreich unterstützt werden kann, erscheint es sinnvoll, die Verwendung von Begriffen wie «Konzernleitlinien», «Corporate Governance», «Gemeinwohlorientierung», «Nachhaltigkeit» oder auch «Bürger-Partizipation» etwas genauer unter die Lupe zu nehmen. Dazu ist festzustellen, dass sich RWE selbst in vorbildlicher Rolle sieht.

  • So ist RWE zum Beispiel Mitglied im «Global Compact», einer Initiative von UN-Generalsekretär Kofi Annan. Ziel dieser Initiative ist es, dass Unternehmen Prinzipien aus den UN-Menschenrechtsgrundsätzen sowie den Sozial- und Umweltstandards in ihre Unternehmenspolitik in Freiwilligkeit übernehmen.
  • RWE selbst hat einen beeindruckenden Verhaltenskodex verfasst und verabschiedet, der an wohlgesetzten Worten und Beteuerungen keine Wünsche offenlässt.
  • Ferner hat sich RWE selbst verpflichtet, den Unternehmensleitlinien der «Cromme-Kommision» (Corporate Governance) freiwillig Folge zu leisten. RWE über sich selbst:  «Derzeit ist RWE das einzige DAX-30-Unternehmen, das den Deutschen Corporate Governance Kodex uneingeschränkt in allen Punkten umsetzt.»

Dieser Corporate Governance Kodex ist eine Schöpfung aus der Ära Gerhard Schröder, auch «Cromme-Kommission» genannt, nach dem Kommissionsvorsitzenden Gerhard Cromme, vormals Vorstandsvorsitzender der Thyssen-Krupp AG. Die Kommission soll über die korrekte Führung von Grossunternehmen wachen. Mit Herrn Gerhard Cromme hat sich ein Kenner der Materie dieses verantwortungsvollen Postens angenommen: Herr Cromme war bis 2001 Thyssen-Krupp-Chef und darüber hinaus in Aufsichtsräten bei Allianz, Lufthansa, E.ON, Hochtief, Siemens, Suez und Volkswagen und anderen.

  • Als Aufsichtsrat bei VW hat er die Jahrzehnte währende Korruption beaufsichtigt.
  • Thyssen-Krupp hatte 1991 1 Million DM an die CDU «gespendet», was durchaus im Zusammenhang mit den 36 Thyssen-Panzern gesehen werden kann, die nach Saudi- Arabien geliefert wurden.
  • Thyssen-Krupp zusammen mit Siemens hatte sich mitunter die höchsten staatlichen Subventionen einverleibt, im Rahmen des Projekts «Transrapid-Konsortium».
  • Seit kurzem droht Thyssen Krupp ein Millionen-Bussgeld, weil der Konzern im Bereich Elevator/Aufzüge mit anderen Firmen Preisabsprachen getroffen haben soll.

Kurzum, Herr Cromme ist der richtig Mann für «Corporate Governance», das sieht man auch daran, dass in Papieren der Regierungskommission nicht eine Adresse der Regierung, sondern direkt die Adresse der Thyssen-Krupp AG angegeben ist.
Damit wird verdeutlicht, dass Thyssen Krupp qualifiziert ist, sogar hoheitliche Aufgaben zu übernehmen. Und wie der Name schon sagt, reichen die Wurzeln von Thyssen-Krupp zurück bis zu Alfred Thyssen in Essen, dem Mitbegründer von RWE.
Bei dem Gesagten könnte der Eindruck entstehen, dass fast die gesamte Politik von Energiekonzernen «subventioniert» und dirigiert wird. Eine Wahrnehmung, deren Wahrheitsgehalt sicher zukünftig genauer untersucht werden muss.
Aber zunächst zurück zum hauseigenen Verhaltenscodex des RWE-Konzerns aus dem Artikel 4/17:
«RWE beschäftigt keine Mitarbeiter, die hauptberuflich öffentliche Ämter ausüben oder hauptberuflich öffentliche Mandate innehaben. Mit Vertretern dieses Personenkreises werden auch keine Beraterverträge oder ähnliche entgeltliche Vereinbarungen abgeschlossen.» Dagegen steht:

  • Bis 2004 haben Hermann-Josef Arentz, Chef der CDU-Sozialausschüsse, und Laurenz Meyer, ehemaliger Generalsekretär der CDU, von RWE jährlich 60 000 Euro erhalten, ohne erkennbare Gegenleistung (gemeint ist hier natürlich normale Arbeit).
  • Herr Meyer bekam schliesslich von RWE noch ein Trostpflaster, eine Abfindung in Höhe von 400 000 Euro zum Auflösen seines «Arbeitsvertrages» rückwirkend zum 31. Dezember 2004.
  • Oder: Der RWE-Führung liegt eine Liste der Innenrevision vor, nach der etwa ­40 Politiker ein Gehalt von RWE beziehen und etwa 200 RWE-Mitarbeiter gleichzeitig in der Regionalpolitik aktiv sind. (aus: Financial Times Deutschland)
  • Hinzu kommt, dass RWE (traditionell) Hunderte von Politikern in sogenannten Beiräten, Regionalbeiräten und mit Aufsichtsratsmandaten finanziell versorgt. Dabei wird mit der begrifflichen Verkleisterung lediglich verschleiert, dass es sich in Wirklichkeit um eine versteckte Vorteilsgewährung handelt mit dem Ziel, dass die so finanzierten Politiker helfen, die strategischen Ziele von RWE durchzusetzen. Vergütet wird eine «Beiratstätigkeit» mit derzeit bis zu 7250 Euro pro Jahr, bei Teilnahme an 5 Sitzungen.
  • Im Januar 2006 hat die Kölner Staatsanwaltschaft bestätigt, auch gegen die RWE-Tochter Thyssengas zu ermitteln wegen der Mitfinanzierung von Vergnügungsreisen ausgewählter Politiker. Ermittelt wird in diesem Zusammenhang auch gegen mehr als 150 Kommunalpolitiker und einige Manager. Der Journalist Franz Alt drückt es noch deutlicher aus: «Die Politiker-Beiräte bei RWE sind faktisch Einrichtungen zur Bestechung der Kommunen.»

Interessant ist die Klärung der Frage, warum nicht, wie im Beamtengesetz vorgesehen, solche Einnahmen von Politikern über einen Freibetrag hinaus an die Stadt- oder Kreiskasse abgeliefert werden?
Noch interessanter ist die Frage, warum in Deutschland Hunderte von Politikern, eher Tausende, Geld oder andere Vergünstigungen bekommen als «Beiräte», als «Vergnügungsreisende» oder ganz ohne erkennbare Leistung, obwohl der 1997 neugefasste § 331 StGB unter anderem die Vorteilsannahme im Amt mit bis zu 3 Jahren Freiheitsstrafe belegt?!
Und weiter aus der RWE-Homepage: «Um eine versteckte Einflussnahme auf politische Prozesse zu verhindern, legte der Vorstand des RWE-Konzerns im Mai 2000 fest, dass Spenden an politische Parteien und ihnen nahestehende Vereinigungen oder Stiftungen verboten sind.»
Dem kann man nur beipflichten, allerdings:

  • Der Versicherungskonzern Allianz, Gross­aktionär bei RWE, überwies 2002 der CDU 125 000 Euro und der SPD, Gerechtigkeit muss sein, den gleichen Betrag. Die Deutsche Bank, ebenfalls an RWE beteiligt, spendierte der CDU dazu noch 260 000 Euro. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

Und weiter mit dem RWE-Verhaltenscodex:

  • «Das Handeln von RWE und ihren Mitarbeitern ist bestimmt durch Eigenverantwortung, Aufrichtigkeit, Loyalität sowie dem Respekt gegenüber den Mitmenschen und der Umwelt.» (Präambel im RWE-Verhaltenscodex)
  • Was RWE-Thames Water anbelangt, dürfte das Behauptete nicht zutreffen. Allein 1999 bis 2002 wurde Thames Water in über 20 Fällen in England und Wales zu über 450 000 Pfund Bussgeld verurteilt und setzte sich damit auf Platz 1 im Ranking der Umweltkriminellen. Trotz dieser Verurteilungen kam es zu keiner nennenswerten Verhaltensänderung des Konzerns,
  • weil offenbar solche Bussgelder «peanuts» sind und eine akzeptable «Betriebsausgabe» darstellen. Oder anders gesagt: Die Bussgelder sind günstiger als ein respektvoller Umgang mit der Umwelt.

    Oder, um noch in England zu bleiben: Jeden Tag versickern allein im Londoner Leitungsnetz über 900 Millionen Liter Trinkwasser, weil das Tolerieren des Verlustes für RWE-Thames Water günstiger ist als die Reparatur der Rohrleitungen. Die Kosten der Umweltbelastung tragen, wie meistens, hinterher die Bürger.

  • Besonders abgebrüht und kaltschnäuzig muten die Lippenbekenntnisse von RWE zur Umwelt auch deshalb an, weil RWE nach wie vor einer der grossen Atomstromriesen ist und die Umwelt für Tausende von Jahren, auch für die nachkommenden Generationen, mit radioaktivem Müll verseucht. Die berüchtigten Atommülltransporte sowie die sogenannte «Endlagerung» wurden und werden nötigenfalls gewaltsam durchgesetzt. Die politische Unterstützung dazu war unter allen Regierungen stets ausreichend abgesichert. (RWE-Kernkraftwerke: Biblis, Lippe-Ems Gmb/Lingen, Grundremmingen, Mülheim-Kärlich).
  • Über die von RWE betriebene Verstromung von Braunkohle findet eine besonders hoher CO2-Ausstoss statt, der wohl höchste in Europa. Ex-Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement hatte zu seiner Amtszeit (Rot-Grün) das Gesetz für den Emissionshandel so ausgestaltet, dass es für die RWE-Braunkohle-Emissionen günstig ausfiel. Im Februar hat Herr Clement einen Posten als Aufsichtsrat bei RWE-Power bekommen, der für Braunkohle- und Kernenergie zuständigen RWE-Tochter. Ein verspätetes «Dankeschön»? Zufall? Oder Verflechtung?

Ferner beschäftigt sich der RWE-Verhaltens­codex ausgiebig mit dem Thema Korruption: «Monetäre Zuwendungen von Dritten darf ein RWE-Mitarbeiter weder fordern oder entgegennehmen, noch anbieten oder gewähren. Dies gilt ohne Ausnahme und insbesondere gegenüber Amtsträgern, auch solchen ausländischer Staaten oder internationaler Organisationen.» ( RWE-Verhaltenscodex Art. 12, Aussenbeziehungen) Dagegen steht wieder die düstere Realität:

  • In Lesotho wurden 2003 die RWE-Tochterunternehmen Lahmeyer Consulting Engineers, Concor und Hochtief (inzwischen gehört Hochtief nicht mehr zu RWE) wegen Bestechung im Zusammenhang mit dem «Lesotho Highland Water Project» zu Strafzahlungen von insgesamt 1,48 Millionen US-Dollar verurteilt!
  • Ein anderes Beispiel sind die internationalen Aktivitäten der RWE-Tochter Thames Water in Indonesien. Im Jahr 1995 begannen Verhandlungen zwischen Thames Water und dem damaligen indonesischen Diktator Suharto mit dem Ziel, zusammen mit Suez die Wasserversorgung der Hauptstadt und Mega-Metropole Jakarta übernehmen zu wollen. Weil die damaligen Gesetze keine Beteiligung ausländischer Unternehmen an der Wasserversorgung zuliessen, hatte der Diktator im Juli 1996 kurzerhand dieses Gesetz ausser Kraft gesetzt. Danach, 1997, wurde die Privatisierung beschlossen und dem Sohn des Diktators, Sigit Suharto, eine fette Beteiligung an der neuen Gesellschaft vermacht. Ein Korruptions-Vorgang, der bis heute nicht wirklich aufgearbeitet wurde.

 1998 folgte der Sturz des Diktators, die Verträge mit Thames Water wurden annulliert, aber kurze Zeit später wieder neu verhandelt. Heute sind immer noch, oder wieder, Suez und Thames Water die privaten Wasserversorger in Jakarta, mit dem hinlänglich bekannten Leidensweg für die Bevölkerung. Immer wieder Erhöhungen des Wasserpreises, schwere Verunreinigungen, unter anderem mit Schwermetallen und Reinigungsmitteln, sowie die Belastung durch einen Knebelvertrag, der festlegt, dass bei vorzeitiger Beendigung alle Investitionen des Investors an diesen zurückgezahlt – (die Einnahmen darf RWE-Thames Water natürlich behalten) und dass die vereinbarten Profite für die Vertragslaufzeit an den Konzern gezahlt werden ­müssten. Im Jahre 2003 wurde schliesslich der britische Botschafter eingeschaltet, um bei der Regierung eine weitere Wasserpreiserhöhung durchzusetzen. Anfang 2004 wurde daraufhin der Wasserpreis um weitere 30% erhöht.
Wenn das Wasser in Indonesien zu sehr verschmutzt ist, gibt es für die Bürger eine Alternative: Sie können dann vom französischen Konzern Danone ihr eigenes Wasser in Flaschen abgefüllt (zurück-)kaufen, natürlich zu einem viel höheren Preis. Von Danone und anderen Multis wurden bereits viele Quellen in Indonesien «geplündert» und zu Rendite-Maschinen umfunktioniert.
Oder ein anderer Passus aus dem Kodex, der besonders interessant klingt: «RWE erkennt die Mitverantwortung des Unternehmens und seiner Mitarbeiter für die Entwicklung des Gemeinwohls ausdrücklich an.» (Art. 17 Aussenbeziehungen, RWE-Verhaltenscodex)

Auch in Deutschland keine Scham

Werfen wir dazu einen Blick nach Berlin. Seit die Finanzsenatorin Anette Fugmann-Heesing (SPD) das Ruder übernommen hatte, war das «Tafelsilber» nicht mehr sicher, und sie verscherbelte städtische Wohnungen, Strom- und Gasbetriebe ganz und die Wasserbetriebe von Berlin zu 49,9% an ein Konsortium aus RWE-Thames Water und Vivendi, heute Veolia.
Die Bilanz bis heute: um 25% gestiegene Wasserpreise, Abverkauf von wertvollen Grundstücken, Halbierung der Erhaltungsinvestitionen sowie ein dreister Knebelvertrag, der den Steuerzahler zig Millionen kostet: Es wurde eine Renditegarantie von etwa 8% auf das betriebsnotwendige Kapital der Wasserbetriebe vereinbart – also auf eine ständig steigende Bemessungsgrundlage –, und das für einen Zeitraum von 28 Jahren! Das bedeutet eine vertragliche Absicherung wachsender Rendite zugunsten von RWE und Veolia und zu Lasten der Bürger! Wie kann es kommen, das Politiker solche absurden – natürlich geheimgehaltenen – Verträge unterzeichnen, obwohl sie in ihrem Amtseid geschworen haben, die Interessen der Bürgerschaft – und nicht die der Konzerne – zu vertreten? Viele Berliner fordern deshalb aktuell die Re-Kommunalisierung der Berliner Wasserbetriebe und die Offenlegung der Geheimverträge! Damit sieht sich RWE im eigenen Land mit den gleichen Forderungen konfrontiert, wie sie derzeit auch in den USA erhoben werden.
Zum Thema Gemeinwohl hat RWE aber nochmal einen draufgesetzt: In einer 62-Seiten-Lektüre «Planet Water, Liquid thinking, practical Solutions» sind wunderschöne Wasserbilder zu finden, endlose Erklärungen darüber, wie RWE die Wasserprobleme der Welt lösen – und wie sich die geballte «Mitmenschlichkeit» über den Planeten ergiessen soll (web: www.rwethameswater.com und da unter publications& download).
In bezug auf die konkreten Auseinandersetzungen in den USA, wo die Bürger ihr Wasser in öffentlicher Hand haben wollen, sind folgende Sätze wichtig:
«1. Thames Water möchte nur geschäftliche Beziehungen zu Menschen unterhalten, die mit uns auch Geschäfte tätigen wollen, nicht aber mit Menschen, die gezwungen werden, gegen ihren Willen mit dem Privatsektor zu verhandeln. […]
2.    […] Thames Water unterstützt nicht die Bestrebungen der WTO oder anderer multilateraler Institutionen, staatliche Autoritäten zu zwingen, ihren öffentlichen Bereich zu liberalisieren. […]
3.    […] Bei der erfolgreichen Planung und Bereitstellung von Dienstleistungen arbeitet RWE Thames Water mit den wichtigen ‹Stakeholders› zusammen, wie den lokalen Regierungen, den lokalen Beschäftigten und den lokalen Gemeinschaften.»
Wenn man diese drei Sätze von RWE ernst nimmt, und das muss man im konkreten Fall, dann bestehen gute Chancen, dass die Bürger in den USA ihr Wasser zurückbekommen.

Das Heft selber in die Hand nehmen

Zusammenfassend und abschliessend stellt sich die Frage, was können einzelne tun, was können aktive Gruppen und Initiativen tun, um die Bürger in den USA (und natürlich auch in Berlin) bei der Erreichung ihrer Ziele zu unterstützen?

  • Um wirklich sicherzugehen, dass RWE die Ernsthaftigkeit des Anliegens erkennt, ist es erforderlich, dass die internationale Gemeinschaft mit mobilisiert und das Anliegen der Bürger in den USA mit unterstützt und diese Nachricht so weit wie möglich verbreitet. Besonders wichtig ist dabei die Verbreitung in Deutschland, da nun mal der Hauptsitz des Multi-Utility-Konzerns RWE in Deutschland ist.
  • Eine andere Form der Unterstützung könnten Gespräche mit den kommunalen Aktionären von RWE sein, die unter dem Dach des VKA organisiert sind (Verband der kommunalen RWE-Aktionäre GmbH, Dreilindenstrasse 71, 45128 Essen, Tel. +41 201 22 13 77, Fax +41 201 22 29 74)
  • Sinnvoll sind sicherlich auch Gespräche mit oder Briefe an die RWE-Zuständigen oder -Vorstände: Herrn Harry Roels, Vorsitzenden, sowie Herrn Dr. Klaus Sturany, Herrn Berthold Bonekamp, Herrn Jan Zilius und Herrn Alwin Fitting oder Herrn Dr. Thomas R. Fischer, Vorsitzenden des Aufsichtsrats. (Hinweis: Herr Harry Roels wird voraussichtlich Verständnis für die Forderung der Bürger in den USA haben, weil in seinem Heimatland, den Niederlanden, seit Jahren die Privatisierung der Wasserversorgung verboten ist.) Adresse: RWE AG, Opernplatz 1, 45128 Essen, Web: www.rwe.com; Tel. +41 201 12 00, Fax +41 201 12 15 744

Wenn genügend Menschen helfen, kann es gelingen, dass neben Städten wie El Alto, La Paz, Cochabamba, Santa Fe, Atlanta, Grenoble, Potsdam und anderen die Bürger ihr Wasser zurückbekommen und sich die Liste der erfolgreichen Rekommunalisierungen um weitere Städte und Gemeinden verlängern lässt!     •

Kontakt in den USA bezüglich dieses Aufrufs:
Victoria Kaplan, nationale Koordinatorin von «Food and Water Watch», 1400 16th St NW, Suite 225;
Tel. aus Deutschland: +1 202 797 6556
E-Mail: vkaplan@fwwatch.org;
Web: www.foodandwaterwatch.org
Jens Loewe, Mitglied im «Stuttgarter Wasserforum» sowie im bundesweiten Wasserbündnis «Wasser in Bürgerhand», E-Mail: info@nwwp.de,
Fax +41 711 48 74  69, Tel. +41 711 46 00 632

 

Die RWE-Jahreshauptversammlung am 13. April 2006
Selten habe ich so viel telefoniert wie in der ersten April-Woche 2006. Bei den Gesprächen mit Victoria Kaplan, der Kampagnenleiterin von food & waterwatch in den USA, mit Gerlinde Schermer in Berlin, die um die Rekommunalisierung der Berliner Wasserversorgung kämpft, mit Henry Mathew vom Dachverband der kritischen Aktionärinnen und Aktionäre und vielen anderen ging es um strategische Überlegungen, um das Thema Wasserversorgung in den USA publik zu machen.  Letztlich haben wir uns entschlossen, zu einem Pressegespräch am 10. April ins Abgeordnetenhaus in Berlin einzuladen, um so möglichst auch ausländischen Journalisten die Wasserproblematik in den USA darzulegen. Leider sind weniger Journalisten unserer Einladung gefolgt, als wir gehofft hatten, was nicht zuletzt mit dem Rücktritt des SPD-Vorsitzenden Platzek am selben Tag zusammenhängen dürfte.
    Nichtsdestotrotz gab es einige Meldungen, so dass wir mit guter Hoffnung nach Essen zur RWE-Jahreshauptversammlung fahren konnten. Über den Dachverband der kritischen Aktionäre und besonders über Henry Mathew wurden Gegenanträge gestellt, die nach deutschem Aktiengesetz auf der Website des betreffenden Konzerns wiedergegeben werden müssen. Dadurch konnten wir unser Anliegen auch auf der RWE-Website publizieren.
    Die interne RWE-Kommunikation funktioniert offensichtlich perfekt: Als wir morgens am 13. April in Essen vor der Grugahalle ankamen, hatte uns einer der zahlreichen Sicherheitsleute sogar mit Namen angesprochen und mit dem Hinweis aufs Hausrecht darum gebeten, dass wir unsere diversen Flyer und Pressemappen bitte draussen lassen sollen.
    Die Grugahalle nebst Anbauten und Zelten wurde für diesen Tag in ein imposantes, in blau gehaltenes kathedralenartiges «Heiligtum» verwandelt, bei dem die auf der Bühne thronenden Vorstände und Aufsichtsräte Altar und Geistlichkeit gleichermassen bilden. Nach der Rede des Vorstandsvorsitzenden Harry Roels folgten die Beiträge der Aktionäre, die vorher per Formular angemeldet werden müssen. Wir hatten über den Dachverband der kritischen Aktionäre ein Rederecht bekommen und uns darauf eingestellt, dass unser Vorbringen an den Schluss gesetzt und kleingehalten wird. Um so überraschter waren wir, als der Leiter der Hauptversammlung, Aufsichtsratschef Thomas ­Fischer, uns in die beste Zeit, also in den Vormittag genommen hatte. So konnten die Bürgermeisterin von Urbana/Illinois, Frau Laurel Prussing, Victoria ­Kaplan von food & waterwatch und ich nacheinander sprechen und darlegen, warum die Bürger in den USA ihr Wasser von RWE zurückkaufen und wieder in öffentlicher Hand verwalten wollen.
    Wir hatten die Gelegenheit aber auch genutzt, um ganz generell die Problematik der Wasserprivatisierung anzusprechen und zu erläutern, warum auch Städte wie Berlin, Mülheim, London und Jakarta ihre Wasserversorgung rekommunalisieren und von RWE zurückhaben wollen. Bis dahin hatte der RWE-Vorstand es noch nicht einmal für nötig gehalten, solche Gespräche zu führen, um die verschiedene US-Bürgermeister gebeten hatten.
    Entsprechend dem üblichen Prozedere bei einer Hauptversammlung antwortet der Vorstand auf die Fragen, die in den verschiedenen Beiträgen gestellt wurden. Was die Fragen nach einer Rekommunalisierung der Wasserversorgung in den USA anbelangt, teilte der Vorstandsvorsitzende in souveräner und höflicher Manier mit, dass es bei dem RWE-Beschluss bleibe, die Wasserversorgung an die Börse zu bringen, dass nur «im Paket» verkauft werde und dass dies für RWE sowie auch für die Bürger in den USA das beste sei. Bemerkenswert ist bei diesen Ausführungen, dass der RWE-Vorstand glaubt, die Interessen der US-Bürger besser beurteilen zu können als diese selbst …
    An den Antworten zeigt sich aber auch, dass ganz grundsätzlich ein Konzern, der mit den Grundbedürfnissen der Bürger Millionen verdienen will, den Widerspruch zwischen Traumrenditen und «gesellschaftlicher Verantwortung» ganz prinzipiell gar nicht befriedigend auflösen kann.

Jens Loewe

 

 

Nr.20 vom 15.5.2006  © 2006 Genossenschaft Zeit-Fragen

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