Rekommunalisierung des Wassers ist angesagt -
US-Bürger wollen von der
Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerks AG (RWE) ihre Wasserversorgung
zurückhaben!
von
Jens Loewe, Mitglied im «Stuttgarter Wasserforum» sowie im bundesweiten
Wasserbündnis «Wasser in Bürgerhand»
RWE will seine Wassersparte (American Water Works) in den
USA nach nur dreijähriger Betätigung mit höchstmöglichem Profit verkaufen.
Die Bürger der betroffenen Bundesstaaten in den USA hingegen kämpfen um die
Rekommunalisierung ihrer Wasserversorgung, weil die Erfahrungen mit dem
deutschen Multi-Utility-Konzern alles andere als befriedigend waren.
RWE hatte im Jahr 2000 den britischen Wasserversorger Thames Water
aufgekauft, um mit diesem strategischen Zwischenschritt im internationalen
Wassergeschäft Fuss zu fassen. Im Jahr 2003 kam die Übernahme von American
Water Works hinzu, dem grössten US-Wasserunternehmen, welches über
15 Millionen Menschen in 29 US-Bundesstaaten und 3 kanadischen
Provinzen versorgt. (Zum Beispiel in Lexington/ Kentucky, Champaign/Illinois,
Chatanooga/Tennessee, Monterey/California, Urbana/Illinois, Pekin/Illinois,
Gary/Indiana, Felton/California usw.) Der Kaufpreis von 8 Milliarden
Euro war selbst für RWE ein dicker Brocken. Mit diesen Zukäufen konnte RWE
jedoch zum international drittgrössten «Wasser-Konzern» aufsteigen, hinter
den französischen Konkurrenten Suez/Ondeo und Vivendi/Veolia. Die Kritiker
nennen solche Multi-Utility-Konzerne auch «Water Grabber», also
Wasser-Grabscher.
RWE-Vorstand Harry Roels versicherte damals, eine lang angelegte
Partnerschaft mit den US-Kommunen aufbauen zu wollen – zur Zufriedenheit
der Kunden. Wie schnell doch die Zeit vergehen kann! Nun hat der RWE-Konzern
beschlossen, seine Strategie zu ändern und Teile seines «Wassergeschäfts»
abzustossen. Dabei wird bei solchen Verkäufen mit der Wasserversorgung der
Bürger genauso lässig umgangen wie mit jedem anderen Wirtschaftsgut auch. Wer
am meisten zahlt, bekommt den Zuschlag. Die Bürger in den betroffenen
Bundesstaaten wollen hingegen, auf Grund schlechter Erfahrungen mit der
Wasserprivatisierung, dass das Wasser wieder in kommunaler Hand verwaltet
wird.
In nächster Zukunft wird sich die Auseinandersetzung zuspitzen in bezug auf
die Frage, ob sich die Kapitalinteressen von RWE durchsetzen werden oder aber
der Wille der Bevölkerung. Die aktiven Gruppen in den USA bitten jedenfalls
um Hilfe und Unterstützung bei der Durchsetzung ihrer – legitimen
– Interessen.
Zur Geschichte von RWE
Zu einem besseren Verständnis der Gesamtsituation soll
zunächst ein Abriss über die politische Firmengeschichte von RWE zeigen,
dass die Daseinsvorsorge in den Händen von Konzernen wegen gegenläufiger
Interessen nicht gut aufgehoben ist.
Am 25. April 1898 wurde RWE in Essen im Ruhrgebiet gegründet
(Rheinisch-Westfälische Elektrizitätswerks Aktiengesellschaft), um die Stadt
Essen mit Elektrizität zu versorgen.
Dem vorausgegangen waren die Aktivitäten von Wilhelm Lahmeyer, der
elektrische Maschinen und vor allem leistungsfähige Generatoren entwickelt
hatte, die die Grundlage der Stromversorgung bilden sollten.
Schon kurze Zeit später, 1902, übernahmen die Mitgründer Hugo Stinnes und
August Thyssen RWE und begannen eine aggressive Expansionsstrategie. Sie
übernahmen die Versorgung vieler umliegender Städte und entwickelten eine
Methode, die bis heute «erfolgreich» ist: Sie beteiligten die Kommunen am
Aktienkapital und setzten die Bürgermeister in ihren Aufsichtsrat, wodurch
sie in kurzer Zeit grosse Gebietsmonopole aufbauen und sich exklusiv
Konzessionen sichern konnten. Einer der prominentesten RWE-Aufsichtsräte war
Konrad Adenauer, Kölner Oberbürgermeister, von 1949 bis 1963 Bundeskanzler
und von 1920 bis 1932 im RWE-Aufsichtsrat. Besorgt über den Vorwärtsdrang von
RWE gründeten andere Akteure 1906 die VEW (Vereinigte Elektrizitätswerke
Westfalen AG), um RWE etwas entgegensetzen zu können. Dem war wenig Erfolg
beschieden, und im Jahr 2000, also fast 100 Jahre später, wurde VEW von
RWE übernommen.
Die immer umfangreicheren Zukäufe des RWE-Imperiums finanzierten die Herren
Stinnes und Thyssen und andere mit Hilfe der Deutschen Bank, die bis heute
Anteilseigner bei RWE ist.
Ein Gewächs der Kriegswirtschaft
Im Ersten Weltkrieg war Hugo Stinnes einer der
bedeutendsten Kriegslieferanten und einer der führenden Ausbeuter von
Rohstoffen in besetzten Gebieten. Für die Kriegsvorbereitungen des Zweiten
Weltkrieges, also ab 1936, benötigten die Nationalsozialisten die Mitarbeit
von Konzernen wie RWE. Während des Krieges wurden dann die
Energieversorgungssysteme von Belgien, Frankreich und den Niederlanden an das
RWE-Netz angeschlossen, um mehr Kapazitäten für die deutsche Kriegswirtschaft
nutzen zu können.
Nach dem Zweiten Weltkrieg mauserte sich RWE wieder schnell und erfolgreich
mit dem bewährten Rezept: Aufnahme von führenden Kommunalpolitikern in die
eigenen Gremien!
Später, im Jahr 1958, baute RWE einen ersten kleinen Atomreaktor in Kahl, dem
aber noch kein wirtschaftlicher Erfolg beschieden war. Weitere Atomkraftwerke
folgten. In den 80er und 90er Jahren fanden weitere Diversifizierungen statt.
RWE engagierte sich in Bereichen wie der Müllverbrennung, im Bausektor, mit
Mineralöl und mit Druckmaschinen.
Und dann globale Wasserausbeutung
Durch die erkennbar weltweite Verknappung von Süsswasser
entstand bei RWE die Überzeugung, dass mit der Wasserversorgung die
Konzernprofite nach oben geschraubt werden können und dass mit dem Know-how
der heimischen Wasserwerker auch Übernahmen in Ländern der dritten Welt
möglich sein sollten. Dieser Überzeugung folgend hatte RWE im Jahr 2000 den
britischen Wasser Multi Thames Water übernommen, als neue «Führungsgesellschaft»
mit Sitz in Reading bei London, um so international in diesem
«Wachstumsmarkt» gut aufgestellt zu sein. Dazu die RWE AG über sich selbst:
– «Wir sind weltweit das ehrgeizigste
Wasserunternehmen.»
– «Wasser soll der am schnellsten wachsende Geschäftsbereich
sein.»
– «Wir streben an, Grossaufträge in Asien zu
sichern.»
– «Die inhärente Stärke des Wassergeschäfts ruht auf
den Grundlagen nachhaltigen Wachstums.» (aus der RWE-Homepage)
Mit dieser Strategie, die zunächst vom RWE-Vorstandsvorsitzenden Dietmar
Kuhnt eingefädelt, und später von seinem Nachfolger Harry Roels weitergeführt
wurde, hat sich die RWE AG als weltweit drittgrösster Anbieter für Wasser-
und Abwasserdienstleistungen aufgestellt. RWE-Thames Water ist seitdem in
vielen Ländern im Wassersektor tätig, zum Beispiel in Budapest/Ungarn,
Berlin/Deutschland, Shanghai/China, Jakarta/Indonesien, Bangkok/Thailand
sowie auch in Australien, Indien, Japan, Singapur, Malaysia und natürlich
London, dem Ursprungsort von Thames Water.
Erwerb der «American Water Works»
Um den US-amerikanischen Markt zu erobern, kam, wie bereits
geschildert, im Jahre 2003 der Erwerb von American Water Works hinzu, des
grössten amerikanischen Wasserversorgers, um dessen Verkauf sich die hier
beschriebene Auseinandersetzung dreht. Dreh- und Angelpunkt wird nun die
Frage sein, ob ein mächtiger Grosskonzern, der das klare Ziel hat, Profit zu
erwirtschaften, dazu zu bewegen ist, möglicherweise mit Verlusten die
Wasserbetriebe an die jeweiligen Kommunen abzugeben.
Der Filz zwischen Energiewirtschaft und Politik
Damit von seiten der Bürgerschaft in den USA dieser Schritt
erfolgreich unterstützt werden kann, erscheint es sinnvoll, die Verwendung
von Begriffen wie «Konzernleitlinien», «Corporate Governance», «Gemeinwohlorientierung»,
«Nachhaltigkeit» oder auch «Bürger-Partizipation» etwas genauer unter die
Lupe zu nehmen. Dazu ist festzustellen, dass sich RWE selbst in vorbildlicher
Rolle sieht.
- So ist RWE zum
Beispiel Mitglied im «Global Compact», einer Initiative von UN-Generalsekretär
Kofi Annan. Ziel dieser Initiative ist es, dass Unternehmen Prinzipien
aus den UN-Menschenrechtsgrundsätzen sowie den Sozial- und
Umweltstandards in ihre Unternehmenspolitik in Freiwilligkeit
übernehmen.
- RWE selbst hat
einen beeindruckenden Verhaltenskodex verfasst und verabschiedet, der an
wohlgesetzten Worten und Beteuerungen keine Wünsche offenlässt.
- Ferner hat sich RWE
selbst verpflichtet, den Unternehmensleitlinien der «Cromme-Kommision»
(Corporate Governance) freiwillig Folge zu leisten. RWE über sich
selbst: «Derzeit ist RWE das einzige DAX-30-Unternehmen, das den
Deutschen Corporate Governance Kodex uneingeschränkt in allen Punkten
umsetzt.»
Dieser Corporate Governance Kodex ist eine Schöpfung aus
der Ära Gerhard Schröder, auch «Cromme-Kommission» genannt, nach dem
Kommissionsvorsitzenden Gerhard Cromme, vormals Vorstandsvorsitzender der
Thyssen-Krupp AG. Die Kommission soll über die korrekte Führung von
Grossunternehmen wachen. Mit Herrn Gerhard Cromme hat sich ein Kenner der Materie
dieses verantwortungsvollen Postens angenommen: Herr Cromme war bis 2001
Thyssen-Krupp-Chef und darüber hinaus in Aufsichtsräten bei Allianz,
Lufthansa, E.ON, Hochtief, Siemens, Suez und Volkswagen und anderen.
- Als Aufsichtsrat
bei VW hat er die Jahrzehnte währende Korruption beaufsichtigt.
- Thyssen-Krupp hatte
1991 1 Million DM an die CDU «gespendet», was durchaus im Zusammenhang
mit den 36 Thyssen-Panzern gesehen werden kann, die nach Saudi- Arabien
geliefert wurden.
- Thyssen-Krupp
zusammen mit Siemens hatte sich mitunter die höchsten staatlichen
Subventionen einverleibt, im Rahmen des Projekts
«Transrapid-Konsortium».
- Seit kurzem droht
Thyssen Krupp ein Millionen-Bussgeld, weil der Konzern im Bereich
Elevator/Aufzüge mit anderen Firmen Preisabsprachen getroffen haben
soll.
Kurzum, Herr Cromme ist der richtig Mann für «Corporate
Governance», das sieht man auch daran, dass in Papieren der
Regierungskommission nicht eine Adresse der Regierung, sondern direkt die
Adresse der Thyssen-Krupp AG angegeben ist.
Damit wird verdeutlicht, dass Thyssen Krupp qualifiziert ist, sogar
hoheitliche Aufgaben zu übernehmen. Und wie der Name schon sagt, reichen die
Wurzeln von Thyssen-Krupp zurück bis zu Alfred Thyssen in Essen, dem Mitbegründer
von RWE.
Bei dem Gesagten könnte der Eindruck entstehen, dass fast die gesamte Politik
von Energiekonzernen «subventioniert» und dirigiert wird. Eine Wahrnehmung,
deren Wahrheitsgehalt sicher zukünftig genauer untersucht werden muss.
Aber zunächst zurück zum hauseigenen Verhaltenscodex des RWE-Konzerns aus dem
Artikel 4/17:
«RWE beschäftigt keine Mitarbeiter, die hauptberuflich öffentliche Ämter
ausüben oder hauptberuflich öffentliche Mandate innehaben. Mit Vertretern
dieses Personenkreises werden auch keine Beraterverträge oder ähnliche
entgeltliche Vereinbarungen abgeschlossen.» Dagegen steht:
- Bis 2004 haben
Hermann-Josef Arentz, Chef der CDU-Sozialausschüsse, und Laurenz Meyer,
ehemaliger Generalsekretär der CDU, von RWE jährlich
60 000 Euro erhalten, ohne erkennbare Gegenleistung
(gemeint ist hier natürlich normale Arbeit).
- Herr Meyer bekam
schliesslich von RWE noch ein Trostpflaster, eine Abfindung in Höhe von
400 000 Euro zum Auflösen seines «Arbeitsvertrages»
rückwirkend zum 31. Dezember 2004.
- Oder: Der
RWE-Führung liegt eine Liste der Innenrevision vor, nach der etwa 40 Politiker
ein Gehalt von RWE beziehen und etwa 200 RWE-Mitarbeiter gleichzeitig in
der Regionalpolitik aktiv sind. (aus: Financial Times Deutschland)
- Hinzu kommt, dass
RWE (traditionell) Hunderte von Politikern in sogenannten Beiräten,
Regionalbeiräten und mit Aufsichtsratsmandaten finanziell versorgt.
Dabei wird mit der begrifflichen Verkleisterung lediglich verschleiert,
dass es sich in Wirklichkeit um eine versteckte Vorteilsgewährung
handelt mit dem Ziel, dass die so finanzierten Politiker helfen, die
strategischen Ziele von RWE durchzusetzen. Vergütet wird eine
«Beiratstätigkeit» mit derzeit bis zu 7250 Euro pro Jahr, bei
Teilnahme an 5 Sitzungen.
- Im Januar 2006 hat
die Kölner Staatsanwaltschaft bestätigt, auch gegen die RWE-Tochter
Thyssengas zu ermitteln wegen der Mitfinanzierung von Vergnügungsreisen
ausgewählter Politiker. Ermittelt wird in diesem Zusammenhang auch gegen
mehr als 150 Kommunalpolitiker und einige Manager. Der Journalist
Franz Alt drückt es noch deutlicher aus: «Die Politiker-Beiräte bei RWE
sind faktisch Einrichtungen zur Bestechung der Kommunen.»
Interessant ist die Klärung der Frage, warum nicht, wie im
Beamtengesetz vorgesehen, solche Einnahmen von Politikern über einen
Freibetrag hinaus an die Stadt- oder Kreiskasse abgeliefert werden?
Noch interessanter ist die Frage, warum in Deutschland Hunderte von
Politikern, eher Tausende, Geld oder andere Vergünstigungen bekommen als
«Beiräte», als «Vergnügungsreisende» oder ganz ohne erkennbare Leistung,
obwohl der 1997 neugefasste § 331 StGB unter anderem die
Vorteilsannahme im Amt mit bis zu 3 Jahren Freiheitsstrafe belegt?!
Und weiter aus der RWE-Homepage: «Um eine versteckte Einflussnahme auf
politische Prozesse zu verhindern, legte der Vorstand des RWE-Konzerns im
Mai 2000 fest, dass Spenden an politische Parteien und ihnen
nahestehende Vereinigungen oder Stiftungen verboten sind.»
Dem kann man nur beipflichten, allerdings:
- Der Versicherungskonzern
Allianz, Grossaktionär bei RWE, überwies 2002 der CDU 125 000
Euro und der SPD, Gerechtigkeit muss sein, den gleichen Betrag. Die
Deutsche Bank, ebenfalls an RWE beteiligt, spendierte der CDU dazu noch
260 000 Euro. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
Und weiter mit dem RWE-Verhaltenscodex:
- «Das Handeln von
RWE und ihren Mitarbeitern ist bestimmt durch Eigenverantwortung,
Aufrichtigkeit, Loyalität sowie dem Respekt gegenüber den Mitmenschen
und der Umwelt.» (Präambel im RWE-Verhaltenscodex)
- Was RWE-Thames
Water anbelangt, dürfte das Behauptete nicht zutreffen. Allein 1999 bis
2002 wurde Thames Water in über 20 Fällen in England und Wales zu über
450 000 Pfund Bussgeld verurteilt und setzte sich damit auf
Platz 1 im Ranking der Umweltkriminellen. Trotz dieser
Verurteilungen kam es zu keiner nennenswerten Verhaltensänderung des
Konzerns,
- weil offenbar
solche Bussgelder «peanuts» sind und eine akzeptable «Betriebsausgabe»
darstellen. Oder anders gesagt: Die Bussgelder sind günstiger als ein
respektvoller Umgang mit der Umwelt.
Oder, um noch in England zu bleiben:
Jeden Tag versickern allein im Londoner Leitungsnetz über 900 Millionen Liter
Trinkwasser, weil das Tolerieren des Verlustes für RWE-Thames Water günstiger
ist als die Reparatur der Rohrleitungen. Die Kosten der Umweltbelastung
tragen, wie meistens, hinterher die Bürger.
- Besonders
abgebrüht und kaltschnäuzig muten die Lippenbekenntnisse von RWE zur
Umwelt auch deshalb an, weil RWE nach wie vor einer der grossen
Atomstromriesen ist und die Umwelt für Tausende von Jahren, auch für die
nachkommenden Generationen, mit radioaktivem Müll verseucht. Die
berüchtigten Atommülltransporte sowie die sogenannte «Endlagerung»
wurden und werden nötigenfalls gewaltsam durchgesetzt. Die politische
Unterstützung dazu war unter allen Regierungen stets ausreichend
abgesichert. (RWE-Kernkraftwerke: Biblis, Lippe-Ems Gmb/Lingen,
Grundremmingen, Mülheim-Kärlich).
- Über die von RWE
betriebene Verstromung von Braunkohle findet eine besonders hoher
CO2-Ausstoss statt, der wohl höchste in Europa.
Ex-Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement hatte zu seiner Amtszeit
(Rot-Grün) das Gesetz für den Emissionshandel so ausgestaltet, dass es
für die RWE-Braunkohle-Emissionen günstig ausfiel. Im Februar hat Herr
Clement einen Posten als Aufsichtsrat bei RWE-Power bekommen, der für
Braunkohle- und Kernenergie zuständigen RWE-Tochter. Ein verspätetes
«Dankeschön»? Zufall? Oder Verflechtung?
Ferner beschäftigt sich der RWE-Verhaltenscodex ausgiebig
mit dem Thema Korruption: «Monetäre Zuwendungen von Dritten darf ein
RWE-Mitarbeiter weder fordern oder entgegennehmen, noch anbieten oder
gewähren. Dies gilt ohne Ausnahme und insbesondere gegenüber Amtsträgern,
auch solchen ausländischer Staaten oder internationaler Organisationen.» (
RWE-Verhaltenscodex Art. 12, Aussenbeziehungen) Dagegen steht wieder die
düstere Realität:
- In Lesotho wurden
2003 die RWE-Tochterunternehmen Lahmeyer Consulting Engineers, Concor
und Hochtief (inzwischen gehört Hochtief nicht mehr zu RWE) wegen
Bestechung im Zusammenhang mit dem «Lesotho Highland Water Project» zu
Strafzahlungen von insgesamt 1,48 Millionen US-Dollar verurteilt!
- Ein anderes
Beispiel sind die internationalen Aktivitäten der RWE-Tochter Thames
Water in Indonesien. Im Jahr 1995 begannen Verhandlungen zwischen Thames
Water und dem damaligen indonesischen Diktator Suharto mit dem Ziel,
zusammen mit Suez die Wasserversorgung der Hauptstadt und Mega-Metropole
Jakarta übernehmen zu wollen. Weil die damaligen Gesetze keine
Beteiligung ausländischer Unternehmen an der Wasserversorgung zuliessen,
hatte der Diktator im Juli 1996 kurzerhand dieses Gesetz ausser Kraft
gesetzt. Danach, 1997, wurde die Privatisierung beschlossen und dem Sohn
des Diktators, Sigit Suharto, eine fette Beteiligung an der neuen
Gesellschaft vermacht. Ein Korruptions-Vorgang, der bis heute nicht
wirklich aufgearbeitet wurde.
1998 folgte der Sturz des Diktators, die Verträge mit
Thames Water wurden annulliert, aber kurze Zeit später wieder neu verhandelt.
Heute sind immer noch, oder wieder, Suez und Thames Water die privaten
Wasserversorger in Jakarta, mit dem hinlänglich bekannten Leidensweg für die
Bevölkerung. Immer wieder Erhöhungen des Wasserpreises, schwere
Verunreinigungen, unter anderem mit Schwermetallen und Reinigungsmitteln,
sowie die Belastung durch einen Knebelvertrag, der festlegt, dass bei
vorzeitiger Beendigung alle Investitionen des Investors an diesen
zurückgezahlt – (die Einnahmen darf RWE-Thames Water natürlich behalten)
und dass die vereinbarten Profite für die Vertragslaufzeit an den Konzern
gezahlt werden müssten. Im Jahre 2003 wurde schliesslich der britische
Botschafter eingeschaltet, um bei der Regierung eine weitere
Wasserpreiserhöhung durchzusetzen. Anfang 2004 wurde daraufhin der
Wasserpreis um weitere 30% erhöht.
Wenn das Wasser in Indonesien zu sehr verschmutzt ist, gibt es für die Bürger
eine Alternative: Sie können dann vom französischen Konzern Danone ihr
eigenes Wasser in Flaschen abgefüllt (zurück-)kaufen, natürlich zu einem viel
höheren Preis. Von Danone und anderen Multis wurden bereits viele Quellen in
Indonesien «geplündert» und zu Rendite-Maschinen umfunktioniert.
Oder ein anderer Passus aus dem Kodex, der besonders interessant klingt: «RWE
erkennt die Mitverantwortung des Unternehmens und seiner Mitarbeiter für die
Entwicklung des Gemeinwohls ausdrücklich an.» (Art. 17
Aussenbeziehungen, RWE-Verhaltenscodex)
Auch in Deutschland keine Scham
Werfen wir dazu einen Blick nach Berlin. Seit die
Finanzsenatorin Anette Fugmann-Heesing (SPD) das Ruder übernommen hatte, war
das «Tafelsilber» nicht mehr sicher, und sie verscherbelte städtische
Wohnungen, Strom- und Gasbetriebe ganz und die Wasserbetriebe von Berlin zu
49,9% an ein Konsortium aus RWE-Thames Water und Vivendi, heute Veolia.
Die Bilanz bis heute: um 25% gestiegene Wasserpreise, Abverkauf von
wertvollen Grundstücken, Halbierung der Erhaltungsinvestitionen sowie ein
dreister Knebelvertrag, der den Steuerzahler zig Millionen kostet: Es wurde
eine Renditegarantie von etwa 8% auf das betriebsnotwendige Kapital der
Wasserbetriebe vereinbart – also auf eine ständig steigende
Bemessungsgrundlage –, und das für einen Zeitraum von 28 Jahren!
Das bedeutet eine vertragliche Absicherung wachsender Rendite zugunsten von
RWE und Veolia und zu Lasten der Bürger! Wie kann es kommen, das Politiker
solche absurden – natürlich geheimgehaltenen – Verträge
unterzeichnen, obwohl sie in ihrem Amtseid geschworen haben, die Interessen
der Bürgerschaft – und nicht die der Konzerne – zu vertreten?
Viele Berliner fordern deshalb aktuell die Re-Kommunalisierung der Berliner
Wasserbetriebe und die Offenlegung der Geheimverträge! Damit sieht sich RWE
im eigenen Land mit den gleichen Forderungen konfrontiert, wie sie derzeit
auch in den USA erhoben werden.
Zum Thema Gemeinwohl hat RWE aber nochmal einen draufgesetzt: In einer
62-Seiten-Lektüre «Planet Water, Liquid thinking, practical Solutions» sind
wunderschöne Wasserbilder zu finden, endlose Erklärungen darüber, wie RWE die
Wasserprobleme der Welt lösen – und wie sich die geballte
«Mitmenschlichkeit» über den Planeten ergiessen soll (web:
www.rwethameswater.com und da unter publications& download).
In bezug auf die konkreten Auseinandersetzungen in den USA, wo die Bürger ihr
Wasser in öffentlicher Hand haben wollen, sind folgende Sätze wichtig:
«1. Thames Water möchte nur geschäftliche Beziehungen zu Menschen
unterhalten, die mit uns auch Geschäfte tätigen wollen, nicht aber mit
Menschen, die gezwungen werden, gegen ihren Willen mit dem Privatsektor zu
verhandeln. […]
2. […] Thames Water unterstützt nicht die
Bestrebungen der WTO oder anderer multilateraler Institutionen, staatliche
Autoritäten zu zwingen, ihren öffentlichen Bereich zu liberalisieren.
[…]
3. […] Bei der erfolgreichen Planung und
Bereitstellung von Dienstleistungen arbeitet RWE Thames Water mit den
wichtigen ‹Stakeholders› zusammen, wie den lokalen Regierungen,
den lokalen Beschäftigten und den lokalen Gemeinschaften.»
Wenn man diese drei Sätze von RWE ernst nimmt, und das muss man im konkreten
Fall, dann bestehen gute Chancen, dass die Bürger in den USA ihr Wasser
zurückbekommen.
Das Heft selber in die Hand nehmen
Zusammenfassend und abschliessend stellt sich die Frage,
was können einzelne tun, was können aktive Gruppen und Initiativen tun, um
die Bürger in den USA (und natürlich auch in Berlin) bei der Erreichung ihrer
Ziele zu unterstützen?
- Um wirklich
sicherzugehen, dass RWE die Ernsthaftigkeit des Anliegens erkennt, ist
es erforderlich, dass die internationale Gemeinschaft mit mobilisiert
und das Anliegen der Bürger in den USA mit unterstützt und diese
Nachricht so weit wie möglich verbreitet. Besonders wichtig ist dabei
die Verbreitung in Deutschland, da nun mal der Hauptsitz des
Multi-Utility-Konzerns RWE in Deutschland ist.
- Eine andere Form
der Unterstützung könnten Gespräche mit den kommunalen Aktionären von
RWE sein, die unter dem Dach des VKA organisiert sind (Verband der
kommunalen RWE-Aktionäre GmbH, Dreilindenstrasse 71, 45128 Essen,
Tel. +41 201 22 13 77, Fax +41 201 22 29
74)
- Sinnvoll sind
sicherlich auch Gespräche mit oder Briefe an die RWE-Zuständigen oder
-Vorstände: Herrn Harry Roels, Vorsitzenden, sowie Herrn Dr. Klaus
Sturany, Herrn Berthold Bonekamp, Herrn Jan Zilius und Herrn Alwin
Fitting oder Herrn Dr. Thomas R. Fischer, Vorsitzenden des
Aufsichtsrats. (Hinweis: Herr Harry Roels wird voraussichtlich
Verständnis für die Forderung der Bürger in den USA haben, weil in
seinem Heimatland, den Niederlanden, seit Jahren die Privatisierung der
Wasserversorgung verboten ist.) Adresse: RWE AG, Opernplatz 1,
45128 Essen, Web: www.rwe.com; Tel. +41 201 12 00, Fax
+41 201 12 15 744
Wenn genügend Menschen helfen, kann es gelingen, dass neben
Städten wie El Alto, La Paz, Cochabamba, Santa Fe, Atlanta, Grenoble, Potsdam
und anderen die Bürger ihr Wasser zurückbekommen und sich die Liste der
erfolgreichen Rekommunalisierungen um weitere Städte und Gemeinden verlängern
lässt! •
Kontakt in den USA bezüglich dieses Aufrufs:
Victoria Kaplan, nationale Koordinatorin von «Food and Water Watch», 1400
16th St NW, Suite 225;
Tel. aus Deutschland: +1 202 797 6556
E-Mail: vkaplan@fwwatch.org;
Web: www.foodandwaterwatch.org
Jens Loewe, Mitglied im «Stuttgarter Wasserforum» sowie im bundesweiten
Wasserbündnis «Wasser in Bürgerhand», E-Mail: info@nwwp.de,
Fax +41 711 48 74 69, Tel. +41 711 46 00 632
Die RWE-Jahreshauptversammlung am 13. April 2006
Selten habe ich so viel telefoniert wie in der ersten April-Woche 2006. Bei den
Gesprächen mit Victoria Kaplan, der Kampagnenleiterin von
food & waterwatch in den USA, mit Gerlinde Schermer in Berlin,
die um die Rekommunalisierung der Berliner Wasserversorgung kämpft, mit Henry
Mathew vom Dachverband der kritischen Aktionärinnen und Aktionäre und vielen
anderen ging es um strategische Überlegungen, um das Thema Wasserversorgung
in den USA publik zu machen. Letztlich haben wir uns entschlossen, zu
einem Pressegespräch am 10. April ins Abgeordnetenhaus in Berlin einzuladen,
um so möglichst auch ausländischen Journalisten die Wasserproblematik in den
USA darzulegen. Leider sind weniger Journalisten unserer Einladung gefolgt,
als wir gehofft hatten, was nicht zuletzt mit dem Rücktritt des
SPD-Vorsitzenden Platzek am selben Tag zusammenhängen dürfte.
Nichtsdestotrotz gab es einige Meldungen, so dass wir mit
guter Hoffnung nach Essen zur RWE-Jahreshauptversammlung fahren konnten. Über
den Dachverband der kritischen Aktionäre und besonders über Henry Mathew
wurden Gegenanträge gestellt, die nach deutschem Aktiengesetz auf der Website
des betreffenden Konzerns wiedergegeben werden müssen. Dadurch konnten wir
unser Anliegen auch auf der RWE-Website publizieren.
Die interne RWE-Kommunikation funktioniert offensichtlich
perfekt: Als wir morgens am 13. April in Essen vor der Grugahalle ankamen,
hatte uns einer der zahlreichen Sicherheitsleute sogar mit Namen angesprochen
und mit dem Hinweis aufs Hausrecht darum gebeten, dass wir unsere diversen
Flyer und Pressemappen bitte draussen lassen sollen.
Die Grugahalle nebst Anbauten und Zelten wurde für diesen
Tag in ein imposantes, in blau gehaltenes kathedralenartiges «Heiligtum»
verwandelt, bei dem die auf der Bühne thronenden Vorstände und Aufsichtsräte
Altar und Geistlichkeit gleichermassen bilden. Nach der Rede des
Vorstandsvorsitzenden Harry Roels folgten die Beiträge der Aktionäre, die
vorher per Formular angemeldet werden müssen. Wir hatten über den Dachverband
der kritischen Aktionäre ein Rederecht bekommen und uns darauf eingestellt,
dass unser Vorbringen an den Schluss gesetzt und kleingehalten wird. Um so
überraschter waren wir, als der Leiter der Hauptversammlung,
Aufsichtsratschef Thomas Fischer, uns in die beste Zeit, also in den
Vormittag genommen hatte. So konnten die Bürgermeisterin von Urbana/Illinois,
Frau Laurel Prussing, Victoria Kaplan von food & waterwatch
und ich nacheinander sprechen und darlegen, warum die Bürger in den USA ihr
Wasser von RWE zurückkaufen und wieder in öffentlicher Hand verwalten wollen.
Wir hatten die Gelegenheit aber auch genutzt, um ganz
generell die Problematik der Wasserprivatisierung anzusprechen und zu
erläutern, warum auch Städte wie Berlin, Mülheim, London und Jakarta ihre
Wasserversorgung rekommunalisieren und von RWE zurückhaben wollen. Bis dahin
hatte der RWE-Vorstand es noch nicht einmal für nötig gehalten, solche
Gespräche zu führen, um die verschiedene US-Bürgermeister gebeten hatten.
Entsprechend dem üblichen Prozedere bei einer
Hauptversammlung antwortet der Vorstand auf die Fragen, die in den
verschiedenen Beiträgen gestellt wurden. Was die Fragen nach einer
Rekommunalisierung der Wasserversorgung in den USA anbelangt, teilte der
Vorstandsvorsitzende in souveräner und höflicher Manier mit, dass es bei dem
RWE-Beschluss bleibe, die Wasserversorgung an die Börse zu bringen, dass nur
«im Paket» verkauft werde und dass dies für RWE sowie auch für die Bürger in
den USA das beste sei. Bemerkenswert ist bei diesen Ausführungen, dass der
RWE-Vorstand glaubt, die Interessen der US-Bürger besser beurteilen zu können
als diese selbst …
An den Antworten zeigt sich aber auch, dass ganz
grundsätzlich ein Konzern, der mit den Grundbedürfnissen der Bürger Millionen
verdienen will, den Widerspruch zwischen Traumrenditen und «gesellschaftlicher
Verantwortung» ganz prinzipiell gar nicht befriedigend auflösen kann.
Jens Loewe