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Oberhessische Zeitung vom 04.04.2008 (gescannt)
Rechnungshof rügt Arbeit von „Leihbeamten" in Ministerien
Strengeren „Verhaltenskodex" gefordert - Keine Beteiligung mehr an
Gesetzentwürfen
BERLIN (dpa). Der Bundesrechnungshof hat die Tätigkeit von
Mitarbeitern aus der Privatwirtschaft und Verbänden in
Bundesministerien kritisiert. Diese „externen" Beschäftigten seien
zum Teil an der Ausarbeitung von Gesetzentwürfen und an der
Vergabe für Aufträge beteiligt, heißt es in einem
Prüfbericht. In Einzelfällen hätten vorübergehend
aus der Privatwirtschaft entsandte „Leihbeamte" sogar
„Führungsfunktionen" in Ministerien ausgeübt. Dabei seien
„Einflussmöglichkeiten von erheblicher Tragweite" festgestellt
worden.
Nach Ansicht der Rechnungsprüfer stellt auch die häufig
unentgeltliche Tätigkeit die Neutralität und
Glaubwürdigkeit der öffentlichen Verwaltung infrage.
Unübersehbar seien auch die „erhöhten Risiken für
Interessenkonflikte".
Laut dem vorliegenden Bericht waren zwischen 2004 und 2006 bis zu 108
Beschäftigte aus privaten und öffentlichen Unternehmen sowie
Verbänden oder Gewerkschaften bis zu fünf Jahre lang in den
Ministerien offiziell aktiv. In 60 Prozent der untersuchten Fälle
wurden sie aber weiter von ihrem eigentlichen Arbeitgeber bezahlt. Als
Grund für den Einsatz sei vor allem der Personalmangel in den
Ministerien angegeben worden.
So sei ein „Externer" im Büro eines Bundesministers als Referent
eingesetzt gewesen. Das öffentliche Unternehmen, das ihn entsandt
habe, sei als Auftragnehmer für das Ministerium tätig. In
einem anderen Fall sei ein solcher Beschäftigter im
Haushaltsreferat eines Ministeriums mit der Begründung eingesetzt
worden, es stehe sonst niemand dafür zur Verfügung. Eine
Beratungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, die sich um
Aufträge bei einem anderen Ressort bemühte, sei von sich aus
erfolgreich an das Ministerium mit dem Angebot herangetreten, einen
Mitarbeiter vorübergehend in ein Referat zu schicken, das sich mit
der strategischen Ausrichtung des Hauses befasst. Ein großes
öffentliches Kreditinstitut habe 2006 durchschnittlich 15
Mitarbeiter in oberste Bundesbehörden entsandt. Damit seien
Stellen besetzt worden, für die ansonsten Personalausgaben von
jährlich eine Millionen Euro angefallen wären.
Der Rechnungshof forderte einen einheitlichen und strengeren
„Verhaltenskodex" für den Einsatz solcher „Leihbeamten". Sie
dürften auf keinen Fall mehr an Gesetzentwürfen und der
Auftragsvergabe beteiligt und nicht länger als sechs Monate in
einem Ministerium beschäftigt werden. Die Grünen forderten
die Bundesregierung zum sofortigen Handeln auf.
Die weitaus meisten Fälle von „externen" Beschäftigungen gibt
es im Bundeswirtschaftsministerium. Dort waren .lau£ einer
parlamentarischen Antwort der Regierung 2006 etwa 35 Fälle
registriert. Dazu gehörten entsandte Mitarbeiter von Konzernen wie
DaimlerChrylser, Bayer, BASF, IBM oder Thyssengas und von
Lobby-Vertretungen wie dem Verband der Chemischen Industrie, dem
Verband Forschender Arzneimittelhersteller oder der deutsche Gas- und
Wasserwirtschaft.