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Protestaktion
Wie kamen die Karabinerhaken ins Parlament?
Demonstranten enterten am Freitag mit
professioneller Ausrüstung das Parlament. Nun wird im Bundestag
diskutiert, wie das geschehen konnte.
VON THOMAS KRÖTER
"Schade, dass die das Parlament nicht gestürmt und Revolution
gemacht haben", lautet einer von vielen zustimmenden Kommentaren zu
einem 3,43-Minuten-Video, das auf der Internetplattform Youtube zu
sehen ist. Professionell aufgenommen, zeigt es eine bislang einmalige
Protestaktion, von der sich die Verantwortlichen im Bundestag noch
nicht erholt haben.
Am vorigen Freitag waren Aktivisten der Gruppe "Geld oder Leben"
während einer Debatte in den Plenarsaal gesprungen und hatten vom
Dach des Reichstags ein Transparent heruntergelassen. "Der Deutschen
Wirtschaft", stand da Schwarz auf Gelb, knapp über der Inschrift
"Dem Deutschen Volke". Auch drinnen wurde ein Plakat entrollt: "Die
Wünsche der Wirtschaft sind unantastbar."
Schreier auf der Besuchertribüne, Störer, die
Flugblätter auf die Abgeordneten haben regnen lassen - all das hat
es schon gegeben. In Bonn wurde anlässlich der Asylgesetzgebung
das Parlamentsgebäude einmal von Demonstranten abgeriegelt. Aber
die sind draußen geblieben. Diesmal haben es nach amtlichen
Erkenntnissen insgesamt 13 Demonstranten ins Herz des Parlamentarismus
geschafft. Wohl vorbereitet, abgestimmt und ausgerüstet, mit
Bergsteigerequipment vom Karabinerhaken über Sturzhelme bis zu
professionellem Kletterseil, von einem voluminösen Transparent zu
schweigen.
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Video
Auf der Internetplattform Youtube wird die Protestaktion in einem
dreieinhalb Minuten langen Film gezeigt.( http://www.youtube.com/watch?v=eo0_3h7OBc8
)
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Eine Revolution fürchtet man in dem Gebäude noch nicht, von
dem Philipp Scheidemann nach der Revolution 1918 die Republik
ausgerufen hat. Aber besorgte Fragen werden gestellt: Wie kamen die
Demonstranten in ein Gebäude, das kein Fremder unkontrolliert
betreten darf? Wie konnten sie Metallgegenstände durch
Sicherheitsschleusen wie auf Flughäfen bringen? Was, wenn es
Waffen gewesen wären? Die Bundestagsverwaltung ermittelt, die
Polizei auch.
Bislang gehen sie nach FR-Informationen davon aus, dass die
Ausrüstung nicht durch einen der Besuchereingänge geschleust
wurde. Bleibt die Lieferantenzufahrt, bleiben Abgeordnete und
Mitarbeiter, die nur ihren Hausausweis zeigen müssen. Ohne
Ausrüstung konnten die Demonstranten als normale Besucher ins
Gebäude "einsickern" und von der Besucherterasse aufs Dach
gelangen. Aber wer hat ihr Material versteckt? Auf die
Besuchertribüne im Plenarsaal kommen nur geladene Gruppen.
Gehörten sie zu einer davon? Wer hatte sie geladen?
Bundestagspräsident Norbert Lammert findet, dass derlei "immer mal
wieder auftreten" könne in einem Parlament mit Millionen Besuchern
pro Jahr. Daraus einen Hochsicherheitstrakt machen? Undenkbar. Das will
auch Bernhard Kaster nicht. Der Parlamentarische
Geschäftsführer der Unionsfraktion meint im Gespräch mit
der FR dennoch: "Wir müssen im Ältestenrat darüber
nachdenken, wo es noch Möglichkeiten gibt, die Sicherheit behutsam
aber effektiv zu erhöhen."
Die Gruppe "Geld oder Leben" will nach eigener Aussage keine
Sicherheitsdebatte, sondern "einen ehrlichen Diskurs über die
Veränderung des bestehenden Systems". Die Demokratie sei
gescheitert. Deshalb sei man bereit, auch Gesetze zu brechen.
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Dokument erstellt am 02.05.2007 um 17:56:02 Uhr
Letzte Änderung am 03.05.2007 um 13:13:08 Uhr
Erscheinungsdatum 03.05.2007