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Wirtschaft
Protest gegen Bahn-Verkauf
Bündnis denkt an Klage
Berlin · Mit einer zweitägigen Tagung und der
Uraufführung des kritischen Dokumentarfilms „Bahn unterm Hammer“
startete am Wochenende in Berlin eine breit angelegte Kampagne gegen
den Börsengang der Deutschen Bahn. Die Alternative zur
Börsenbahn sei eine Bürgerbahn, erklärte das
Bündnis „Bahn für alle“. Statt Geschwindigkeitswahn brauche
man ein Unternehmen, das auch ländliche Gebiete angemessen
versorge. Konzernchef Hartmut Mehdorn dagegen konzentriere das
Geschäft und die staatlichen Milliardenzuschüsse zunehmend
auf lukrative „ICE-Rennstrecken“ zwischen Großstädten und
Güterverkehrsachsen.
Dem Bündnis gehören die Globalisierungskritiker von Attac,
der Verkehrsclub Deutschland und zahlreiche Umweltverbände wie der
BUND, die Naturfreunde und Robin Wood an. Der Kampagne haben sich zudem
die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi) sowie einige
SPD-Bundestagsabgeordnete wie der alternative Nobelpreisträger
Hermann Scheer angeschlossen.
Scheer kritisierte bei der Podiumsdiskussion den Regierungskurs scharf.
Der von Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) kürzlich
vorgelegte Entwurf zum Privatisierungsgesetz sei offenkundig
verfassungswidrig und „eine Provokation“. Die Vorgabe des Bundestages
und des Grundgesetzes, dass der Staat das Netz und die Kontrolle
darüber behalten müsse, werde nicht erfüllt. Vielmehr
könnte die teilprivatisierte Bahn das Schienennetz langfristig
weiter betreiben und sogar bilanzieren, sagte Scheer. Die
Renditeinteressen künftiger Aktionäre stünden aber „in
klarem Widerspruch“ zum öffentlichen Interesse und zum
Grundgesetz, betonte der Politiker. Mögliche Verfassungsklagen
werden vom Bündnis dem Vernehmen nach bereits vorbereitet.
Der SPD-Politiker kritisierte weiter, dass künftige
Miteigentümer der Bahn umfangreiche Zugriffsrechte auf die
wertvollen Bahnimmobilien bekämen. Dabei lehre „doch die Erfahrung
aus vielen Privatisierungen, dass es den Käufern oft nur um das
Versilbern von Filetstücken geht, durch das der Kaufpreis schnell
wieder reingeholt wird“.
Scheer beklagte „offenkundige Demokratiemängel“ in der
Bundesregierung. Um den Fortbestand der großen Koalition und
zuständige Minister nicht zu gefährden, nickten Abgeordnete
zunehmend auch offenkundig falsche Weichenstellungen ab. Nach seiner
Einschätzung seien drei Viertel des Bundestags gegen eine
Privatisierung der Bahn. Der Koalitionszwang aber könne dazu
führen, dass der Gesetzentwurf Tiefensees trotzdem durchgehe.
wüp
Frankfurter Rundschau
Ausgabe: Stadtausgabe (Nr. 66)
Datum: Montag, den 19. März 2007
Seite: 9