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16.03.1960: Privatisierung des Volkswagenwerkes wird
beschlossen
Autor: Stefan
Schmid
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Marktschreier:
Erwerben sie Eigentum am Volkswagenwerk – werden Sie
VW-Aktionär. Verkaufsangebot über nominal 360 Millionen auf
den Inhaber lautende Aktien der Volkswagenwerk AG mit
Gewinnanteilberechtigung ab 1. Januar 1961 aus dem Besitz der
Bundesrepublik Deutschland. Den Kaufpreis können Sie bar oder in
Raten bezahlen.
Sprecher:
Der Sound des VW-Käfers war im vergangenen Jahrhundert Musik in
den Ohren breiter Bevölkerungsschichten. Deswegen hat sich die
Bundesregierung 1961 nicht schwer getan, 60 Prozent der VW-Aktien an
Menschen zu verkaufen, für die Aktiensparen ein Fremdwort war:
Zuspielung:
Meine Mutter hat dann wohl zum ersten Mal Aktien gekauft. Aber ich
nehme an, sie spekulierte weniger auf einen Wertzuwachs der Aktien,
sondern es erfüllte sie mit einer gewissen Befriedigung, dass ihr
ein winziges Stück des Unternehmens gehörte. Wenn sie sich
auch keinen Volkswagen leisten konnte, so konnte sie eben immerhin doch
ein Stück dieses Unternehmens kaufen.
Sprecher:
Eineinhalb Millionen Deutsche bekamen damals 2 oder 3 VW-Aktien
zugeteilt. 30 Prozent waren Angestellte, 24 Prozent waren Hausfrauen,
14 Prozent waren Pensionäre und Rentner. Die Aktie wurde mit
Sozialrabatten angeboten, so dass wohl niemand den Ausgabepreis von 350
Mark bezahlt hat. Geistiger Vater der VW-Privatisierung war
Wirtschaftsminister Ludwig Erhard, der heute als „Vater des
Wirtschaftswunders“ durch die Geschichtsbücher geistert.
„Wohlstand für alle“, auf diese Parole hat Erhard 1957 die CDU
eingeschworen. Ein Mittel zum Zweck sollte die Ausgabe von Volksaktien
sein:
Zuspielung: Erhard
Die CDU hat es sich zum politischen Ziel gesetzt, mit jedem weiteren
wirtschaftlichen Fortschritt zu einer immer breiteren Streuung des
Eigentums an Produktionsmitteln zu kommen. Das gilt in erster Linie
für das in öffentlichem Eigentum stehende
Produktivvermögen. Ich bin deshalb sehr glücklich, aufgrund
des gestrigen Beschlusses der Fraktion verkünden zu dürfen,
dass diese sofort nach Beendigung des Parteitages ein Initiativgesetz
einbringen wird, dass die Überführung des wohl attraktivsten
Bundesvermögens, nämlich des Volkswagenwerkes in breit
gestreuten Privatbesitz bewerkstelligen soll.
Sprecher:
Doch Erhards Glück war von kurzer Dauer, weil es im Bundestag
großen Widerstand gab gegen den „Entwurf eines Gesetzes über
die Regelung der Rechtsverhältnisse bei der Volkswagenwerk
Aktiengesellschaft mit beschränkter Haftung in die
Überführung der Anteilsrechte in private Hand“. VW-
Arbeitnehmer und Gewerkschaften protestierten, der SPD-Abgeordnete
Kurlbaum kritisierte:
Zuspielung: Kurlbaum
Der Erfolg einer etwaigen VW-Privatisierung steht also in keinem
Verhältnis zu dem, was dadurch verloren geht. Ich habe schon am
vergangenen Donnerstag darauf hingewiesen, dass wir allerdings darauf
Wert legen, ein gewisses Instrumentarium für die
Konjunkturpolitik, für die Wettbewerbspolitik, für die
Preispolitik in der Hand zu behalten. Es ist einfach so dass auf diesem
Markt für Personenkraftwagen einfach ein wirksamer preis
drückender Einfluss bleiben muss.
Sprecher:
Der Widerstand gegen die VW-Privatisierung war so groß, dass
zuerst ein weniger strittiges Privatisierungsprojekt durchgezogen
wurde: Aber nachdem die Privatisierung der Preussag AG 1959 gelang, war
1961 der Weg frei für die Volksaktie VW. Es kam übrigens, wie
es kommen musste: Der Börsenkurs explodierte, binnen zweier Monate
hatte die Aktie die magischen 1000 Mark übersprungen. Viele
Volksaktionäre haben das Kursgeschenk aber verschmäht. Denn
beim Verkauf in den ersten zwei Jahren hätten sie den Sozialrabatt
zurückzahlen müssen. Schade! Denn schon im Juli 1962 war das
Strohfeuer an der Börse erloschen und der Kurs wieder auf 400 Mark
abgeschmolzen. Ach ja: Beschlossen wurde die Privatisierung des
Volkswagenwerkes vom Deutschen Bundestag am 16. März 1960 – vor
genau 66 Jahren also.
Quellenangaben :
Kalenderblatt, Montag mit Freitag,
9.50 Uhr und 0.05 Uhr, Bayern 2 Bayern 2- radioWissen
Kalenderblatt vom März
2006
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