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Verkauf von Landesimmobilien birgt hohe Risiken

Am Beispiel Behördenzentrum Gutleut in Frankfurt zeigt sich, dass Rückmieten das Land schnell Hunderttausende Euro kosten kann

Die hessische Landesregierung will in diesem Jahr 18 weitere Behördengebäude verkaufen und zurückmieten, um Geld in ihre leeren Kassen zu bekommen. Doch das Beispiel des Gutleut-Behördenzentrums in Frankfurt zeigt, dass dies für die Steuerzahler ein teures Geschäft werden kann.

VON MATTHIAS BARTSCH

Wiesbaden · 7. Juli · Vor gerade mal zweieinhalb Jahren sind die Polizisten in den 278 Millionen Euro teuren Neubau eingezogen, noch immer beklagen sie viele unbeseitigte Baumängel - und dennoch soll das Gebäude jetzt schon wieder verkauft werden. Das neue Frankfurter Polizeipräsidium in der Adickesallee steht ganz oben auf der Liste von 18 Landes-Gebäuden, die Finanzminister Karlheinz Weimar (CDU) noch in diesem Jahr zu Geld machen muss, um die erwarteten Landeseinnahmen wenigstens halbwegs erreichen zu können.

Das Bieterverfahren unter Leitung eines professionellen Beraterkonsortiums laufe an, teilte Weimar am Donnerstag mit. Den Frankfurter Polizisten drohe aber keine Obdachlosigkeit: Das Land will die 18 Gebäude nach dem Verkauf sofort für
mehrere Jahrzehnte "vollständig zurückmieten".

Diese Form der Kapitalbeschaffung hatte Weimar bereits Ende vergangenen Jahres mit dem Behördenzentrum Gutleutstraße in Frankfurt erprobt. Das Gebäude nahe dem Hauptbahnhof, in dem mehrere Finanzämter untergebracht sind, wurde vom H.F.S.
Immobilienfonds für 270,5 Millionen Euro gekauft. Dafür hat das Land einen 30 Jahre gültigen Mietvertrag abgeschlossen und muss jeden Monat 1,3 Millionen Euro Miete an den Fonds überweisen.

"Das rechnet sich für das Land", behauptete Weimar, doch die Zweifel sind groß. Und ein aktueller Bericht des Rechnungshofes, der der FR vorliegt, schürt diese Zweifel weiter. Denn Weimars Annahmen liegen, so der Rechnungshof, "am oberen Rand" der möglichen Parameter für eine Wirtschaftlichkeitsberechnung.

Konkret geht Weimar in seiner komplizierten und mit Fragezeichen behafteten Wirtschaftlichkeitsberechnung von einem kalkulierten Zinsfuß ("Diskontierungssatz") von 5,70 Prozent über 30 Jahre aus. Träfe diese Annahme ein, bliebe dem Land durch Verkauf und Rückmieten unter bestimmten Voraussetzungen nach drei Jahrzehnten ein "Barwertvorteil" von rund 824000 Euro, bestätigt der Rechnungshof.

Liegt der tatsächlich erreichte Zinsfuß aber nur um 0,05 Punkte niedriger, also bei 5,65 Prozent, macht das Land schon ein schlechtes Geschäft: Mehr als 840 000 Euro beträgt dann laut Rechnungshof der "Barwertnachteil" gegenüber dem Szenario, dass das Land weiter im Besitz des Gebäudes geblieben wäre.

Weimars Problem: Die Prüfer gehen davon aus, dass die erwartbare Bandbreite des Zinsfußes zwischen 5,11 und 5,76 liegt. Weimar hat also mit 5,70 einen Wert "am oberen Rand" gewählt. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass in Wirklichkeit ein
deutlich niedrigerer Wert erreicht wird.

Zudem unterstellt Weimar in seiner Berechnung, dass das Behördenzentrum nach 30 Jahren Mietzeit so heruntergekommen ist, dass der Renovierungswert dem Gebäude-Restwert entspricht. Das Gebäude wäre dann also praktisch wertlos. Diese Annahme können die Rechnungsprüfer zwar nicht widerlegen, sie beklagen aber, dass der Finanzminister überhaupt "keine eingehenden Untersuchungen" zur Restwert-Bestimmung vorgenommen habe - und dass solche Prognosen auf einen Zeitraum von 30 Jahren mit "erheblichen Unsicherheiten" behaftet seien.

Der SPD-Haushaltsexperte Norbert Schmitt schätzt die Wahrscheinlichkeit, dass das Land durch den Verkauf des Behördenzentrums kräftig draufzahlen muss, auf "90 Prozent". Sein Fraktionschef Jürgen Walter warnt deshalb dringend vor einem weiteren "Sommerschlussverkauf der Landesimmobilien".

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Copyright © Frankfurter Rundschau online 2005
Dokument erstellt am 07.07.2005 um 19:00:22 Uhr
Erscheinungsdatum 08.07.2005
 

KOMMENTAR

Notverkauf

VON MATTHIAS BARTSCH

Finanzminister Karlheinz Weimar ist schwer in der Klemme: Die Landesausgaben finanziert er seit Jahren mit Krediten, die höher sind, als die Verfassung erlaubt. Das Land gerät immer tiefer in den Schuldenstrudel, zumal die CDU-Regierung nicht nur den offiziellen Schuldenberg auf Rekordhöhen treibt,sondern gleichzeitig die noch vorhandene Substanz kurzsichtig verscherbelt.

So sollen Polizeipräsidien, Behördenzentren und Ministeriumsgebäude im großen Stil verkauft und über Langfrist-Verträge zurückgemietet werden. Ein Notverkauf mit vielen Risiken, wie jetzt ein Rechnungshof-Bericht am Beispiel des Behördenzentrums Gutleut in Frankfurt zeigt. Nur unter sehr günstigen Rahmenbedingungen und der Annahme, dass das Gebäude am Frankfurter Hauptbahnhof nach 30 Jahren Mietzeit praktisch wertlos sein wird, würde sich das "Geschäft"
für Hessen rechnen.

Die Wahrscheinlichkeit, dass der Steuerzahler am Ende kräftig draufzahlt, ist also hoch. Das muss niemanden wundern. Denn jeder Investor, der ein Gebäude kauft und vermietet, will schließlich nicht nur seine eigenen Kapitalkosten erstattet bekommen, sondern auch noch Gewinn machen - in diesem Fall auf Kosten des Landes.

Eine Landesregierung, die ihr Haus verkaufen muss, um die Kreditzinsen bezahlen zu können, ist arm dran und sollte wenigstens so ehrlich sein zuzugeben, dass ihre Notverkäufe nichts anderes sind als eine weitere verdeckte Kreditaufnahme, für die der Steuerzahler in den nächsten Jahren und Jahrzehnten dann auch noch geradestehen muss.

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Dokument erstellt am 07.07.2005 um 19:00:47 Uhr
Erscheinungsdatum 08.07.2005