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Zweite Debatte über PPP im Bundestag

17342 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005

Ich rufe die Zusatzpunkte 3 a bis 3 c auf:

a) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Beschleunigung der Umsetzung von öffentlich-privaten Partnerschaften und zur Verbesserung gesetzlicher Rahmenbedingungen für öffentlich-private Partnerschaften

– Drucksache 15/5668 –
(Erste Beratung 181. Sitzung)
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses
für Wirtschaft und Arbeit (9. Ausschuss)

– Drucksache 15/5859 –
Berichterstattung:
Abgeordneter Dr. Michael Fuchs

b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit (9. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Otto Fricke, Gudrun Kopp, Rainer Brüderle, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP : Privatisierung und öffentlich-private Partnerschaften

– Drucksachen 15/2601, 15/5859 –
Berichterstattung:
Abgeordneter Dr. Michael Fuchs

c) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (14. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach), Hartmut Schauerte, Christian Freiherr von Stetten, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU : Wachstumsstrategie für Deutschland: Public Private Partnership weiterentwickeln und nunmehr realisieren – Infrastruktur optimieren, Investitionsstau auflösen

– Drucksachen 15/5676, 15/5861 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Margrit Wetzel

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

Als ersten Redner rufe ich den Kollegen Dr. Michael Bürsch von der SPD-Fraktion auf.

Dr. Michael Bürsch (SPD):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich stelle am heutigen Tag mit Freude fest, dass wir uns beim Thema öffentlich-private Partnerschaften und ihre Förderung weitgehend einig sind. Auf jeden Fall sind wir uns in der Zielsetzung einig, dass diese Partnerschaften in Deutschland gefördert werden sollen. Auch über die Maßnahmen, um die es jetzt geht, sind wir uns im Wesentlichen einig. Diese Zustimmung kommt nicht nur von allen Fraktionen des Parlaments, sondern auch von wichtigen Verbänden wie dem BDI und der Deutschen Industrie- und Handelskammer.

Wir sind mit diesem Projekt in diesen schwierigen Zeiten auf einem guten Wege Lassen Sie mich zum Grundverständnis von öffentlich-privaten Partnerschaften Folgendes sagen – denn ich muss feststellen, dass dieses Grundverständnis noch nicht überall vorhanden ist –: Im Kern geht es um eine neue Aufgaben- und Risikoverteilung zwischen öffentlicher Hand und Privatwirtschaft. Es gibt grundsätzlich zwei Möglichkeiten, wie man öffentliche Aufgaben wahrnehmen und Infrastruktur bauen und betreiben kann: rein öffentlich oder rein privat. Mit den öffentlich-privaten Partnerschaften gehen wir einen dritten Weg.

An dieser Stelle sage ich an die Adresse der FDP: Wir haben auch Ihren Antrag mit Interesse gelesen. Einige Aspekte halten wir durchaus für richtig. An einer Stelle sind wir allerdings anderer Meinung als Sie; denn in Ihrem Antrag setzen Sie eine deutliche Priorität bei Privatisierungen. Für uns sind die öffentlich-privaten Partnerschaften dann eine Möglichkeit, wenn ein Wirtschaftlichkeitsvergleich zu dem Ergebnis kommt, dass sie tatsächlich der günstigere, der effizientere und auch von den Zahlen her beste Weg sind. Das ist in England bis jetzt bekanntlich schon in 20 Prozent der Fälle so. Dieses Ziel sollten wir auch für Deutschland anstreben.

Aber ich sage sehr deutlich: Die Koalition setzt ein deutliches Zeichen für öffentlich-private Partnerschaften, wenn sie denn infrage kommen.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wir halten Privatisierungen – auch angesichts der Ergebnisse, zu denen es zum Beispiel in England zur Zeit von „Maggie“ Thatcher gekommen ist – nicht für den Königsweg. Lassen Sie mich noch ein paar Worte zur Einordnung unseres Gesetzentwurfes sagen – denn das ist von Verbänden und anderen außerhalb des Parlaments kritisch angemerkt worden –: Der DIHK schreibt, dass sich die Diskussion über ÖPP nicht nur auf die Beseitigung rechtlicher Hemmnisse beschränken darf. Erforderlich ist eine offene Auseinandersetzung darüber, welche politischen Rahmenbedingungen nötig sind. An der Stelle stimme ich dem DIHK vollkommen zu: Wir brauchen in Deutschland einen Bewusstseinswandel, die Bereitschaft dazu, sich diesen öffentlich-privaten Partnerschaften wirklich zu öffnen. Die Bereitschaft, das in aller Sorgfalt und Offenheit zu prüfen, muss auf öffentlicher, aber auch auf privater Seite vorhanden sein.

Was wir hier vorlegen, ist, wenn man so will, solides Handwerk. Wir haben uns einige Punkte vorgenommen, denen in der Tat in Deutschland rechtliche Hemmnisse entgegenstehen. Diese wollen wir mit diesem Gesetzeswerk beseitigen. Wir sind uns alle einig, dass wir noch einiges auf der Agenda haben; da kann ich auch ganz zwanglos aus dem Antrag der CDU/CSU zitieren. Natürlich sind wir auch für ein bundesweit einheitliches Verfahren für den Wirtschaftlichkeitsvergleich. Wir sind auch dafür, dass standardisierte Vertragsstrukturen entwickelt und die Ausschreibungs- und Vergabebedingungen standardisiert werden. Auch privates Kapital zum Abbau des öffentlichen Investitionsstaus wollen wir akquirieren.

(Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Heuschrecken!)

Insbesondere sind wir uns mit der CDU/CSU und auch der FDP darüber einig, dass der Mittelstand bei den öffentlich-privaten Partnerschaften eine herausragende Rolle spielen soll. Weil der Mittelstand 70 Prozent unserer Wirtschaft ausmacht, brauchen wir natürlich Angebote, die auch für die Mittelstandswirtschaft geeignet sind; darüber sind wir uns einig. Ich kann insofern aus dem Katalog, den die CDU/CSU vorgelegt hat, etliches unterschreiben. Wir werden daraus, wenn wir an diesem Thema weiterarbeiten wollen, die entsprechenden Agendapunkte herausfiltern. Ich stelle mir vor, dass wir dieses in den nächsten Monaten bzw. in den nächsten Jahren in Ruhe weiterentwickeln.

Wir brauchen in der Tat einen Bewusstseinswandel auf der öffentlichen und der privaten Seite – vielleicht auch noch bei den Haushältern – dahin gehend, dass die Bundeshaushaltsordnung kein heiliger Katechismus ist. Ich habe manchmal den Eindruck, dass es absolut verboten ist, an die Bundeshaushaltsordnung überhaupt Hand anzulegen. Aber wir wollen ja nur eine kleine Ausnahme schaffen, nämlich die Veräußerung von öffentlichem Eigentum dann erlauben, wenn die Aufgaben des Bundes auf diese Weise nachweislich wirtschaftlicher erfüllt werden können. Wir wollen eine minimale Öffnung.

Das ist das, was im 21. Jahrhundert, meine ich, der moderne Weg ist. Da braucht niemand zu befürchten, dass damit ein zusätzlicher Kreditrahmen eröffnet wird oder dass es negative Auswirkungen auf die Haushaltslage hat.

Ich komme zum Schluss und danke denen, die an diesem Werk mitgearbeitet haben und weiter mitarbeiten wollen, sehr herzlich. Ich glaube, dass wir gemeinsam einen Weg finden können, dieses wichtige Werk fraktionsübergreifend voranzubringen. Ich werbe sehr dafür, dieses gemeinsam zu tun und vielleicht auch im Bundesrat, bei den Ländern, über dieses Werk Einigkeit zu erzielen. Das bringt uns voran und das ist ein erster wichtiger Schritt, um bei den öffentlich-privaten Partnerschaften voranzukommen.Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Das Wort hat der Kollege Dr. Klaus Lippold von der CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach) (CDU/CSU):

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich knüpfe an das an, was der Kollege Dr. Bürsch gerade gesagt hat: dass wir die Dinge gemeinschaftlich vorantreiben sollen. Ich halte das für richtig, Herr Kollege Bürsch. Aber Sie hätten dies ja realisieren können, nachdem Sie dieses schon während der letzten Sitzung angesprochen haben und ich darauf gesagt habe, dass wir zu konstruktiver Zusammenarbeit bereit sind. Wir hätten hier und heute einen gemeinschaftlichen Entwurf verabschieden können und hätten dieses Vorhaben nicht weiter verschieben müssen.

Ich sage das – das ist besonders wichtig – deshalb, weil Sie davon gesprochen haben, dass jetzt die „Ruhe der nächsten Monate“ kommt. Ich sehe keine „Ruhe der nächsten Monate“, Herr Bürsch: Wir haben eine Arbeitslosigkeit auf Rekordniveau, wir haben eine Jugendarbeitslosigkeit, die überhaupt nicht mehr zu überbieten ist, wir haben einen Rekord an Unternehmenspleiten.

(Ute Kumpf [SPD]: Sie haben das falsche Manuskript aus der Tasche gezogen! Für die Ausbildung sind die Unternehmen zuständig!)

Wir haben ein Haushaltsloch, das in der deutschen Geschichte einen Rekord darstellt, und das, obgleich wir zurzeit noch nicht einmal eine Sondersituation wie die Wiedervereinigung zu bewältigen haben. Das heißt, wir stehen unter der rot-grünen Koalition vor einer katastrophalen Entwicklung. Und Sie sagen, wir können das in Ruhe in den nächsten Monaten angehen!

Nein, das muss jetzt, also umgehend passieren, sonst kommen wir angesichts des katastrophalen Versagens der   Bundesregierung nicht weiter.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP])

Ich will auch noch einmal sehr deutlich machen: Ich glaube, dass – was Sie auch angesprochen haben – die Frage der Privatisierung nach wie vor ganz zentral ist. Ich meine, dass dort, wo sinnvoll privatisiert werden kann, die Privatisierung auch als Instrument genutzt werden muss, weil wir damit entscheidend weiterkommen.

Vor diesem Hintergrund ist die öffentlich-private Partnerschaft ein weiteres Instrument, das ich ebenfalls positiv bewerte. Es ist jedoch kein Allheilmittel, um das noch einmal ganz deutlich hinzuzufügen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP])

Mit diesem Mittel können wir unter Umständen aber das bewerkstelligen, was der Staat, die Länder und die Kommunen ansonsten nicht könnten.

Herr Dr. Bürsch, man muss sehen, dass das katastrophale Versagen der Regierung natürlich auch dazu geführt hat, dass die anderen staatlichen Ebenen in der Republik – Länder und kommunale Gebietskörperschaften – nicht über die Investitionsmittel verfügen, über die sie verfügen könnten, wenn Sie eine konsequente Wachstumspolitik betrieben hätten.

(Anton Schaaf [SPD]: Steuervergünstigungsabbaugesetz! Sie haben sich aktiv daran beteiligt, dass die Kommunen 6 Milliarden Euro nicht erhalten haben!)

Das haben Sie nicht getan. Deshalb sind wir der Meinung, dass die Chancen für Public Private Partnership verbessert werden müssen. Vor diesem Hintergrund ist der vorliegende Gesetzentwurf ein Schritt in die richtige Richtung. Sie haben gerade schon angesprochen, dass er weiter verbessert werden muss. Hätten Sie unsere Vorschläge direkt aufgegriffen, dann müsste das nicht erst in Zukunft geschehen.

(Dr. Michael Bürsch [SPD]: In der Kürze der Zeit war das nicht möglich!)

Ich sage noch einmal ganz deutlich: Es gibt in den Passagen zum Vergaberecht Mängel. Die Mittelstandsproblematik ist absolut unzureichend berücksichtigt, um nicht deutlich von völlig vernachlässigt zu sprechen. Das können wir so nicht durchgehen lassen. Der nächste Punkt ist: Trotz der schlechten Erfahrungen mit der LKW-Maut ist Controlling in diesem Gesetzentwurf
kein Thema. Auch das kann nicht sein. Ich meine, deshalb werden wir hier sofort weiterarbeiten müssen.

(Albert Schmidt [Ingolstadt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum haben Sie nichts beantragt?)

Auch auf dem defizitären Feld der Verkehrsinfrastruktur – Ausbau des Fernstraßenbauprivatfinanzierungsgesetzes, um weitere Projekte im Straßenbau realisieren zu können, und Ausgestaltung der Verkehrswegeinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft als eine Managementgesellschaft – ist bei Ihnen Fehlanzeige; hier tut sich bei Ihnen nichts. Ich bin dafür, dass wir dies alles möglichst bald ändern.

Weil die Situation in der Bundesrepublik so katastrophal ist, Herr Bürsch, werden wir im Gegensatz zu Ihnen nicht kleinkariert handeln, sondern den Gesetzentwurf passieren lassen. Das ist aus unserer Sicht auch ein Zeichen an die Länder für die weiteren Beratungen. Deshalb bitte ich ganz einfach, das ernst zu nehmen. Wie gesagt: Wenn wir unsere Möglichkeiten total ausschöpfen würden, wäre eine Chance auf Vermehrung der Beschäftigung nicht gegeben.

Ich bedaure nochmals, dass Sie nicht willens und in der Lage waren, mit uns so konstruktiv zusammenzuarbeiten, wie das im ersten Durchgang hier diskutiert worden ist.

(Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]: Das waren die Grünen, die das verhindert haben!)

Wir jedenfalls werden bei unserer Linie bleiben. Was für Wachstum und Beschäftigung spricht, werden wir akzeptieren und vorantreiben. Deshalb lassen wir diesen Gesetzentwurf trotz großer Bedenken passieren. Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP])

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Das Wort hat die Kollegin Anja Margarete Hajduk vom Bündnis 90/Die Grünen.

(Zurufe von der CDU/CSU: Oh, „Margarete“!)

Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen! Es ist sicherlich notwendig und wichtig, unseren Staat Deutschland weiter zu modernisieren sowie ihn effizienter und mit Sicherheit teilweise auch schlanker zu machen. Dies ist jedenfalls die Position von Bündnis 90/Die Grünen.

Wir sind durchaus für Wettbewerb, wenn öffentliche Aufgaben dadurch besser erledigt werden können, als wenn der Staat das alleine macht.

(Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]: Aber nicht, wenn es konkret wird!)

In vielen Bereichen ist es sinnvoll, wenn sich der Staat eher auf eine Gewährleisterrolle beschränkt; das will ich hier ganz deutlich sagen. Der Staat muss die Erfüllung der öffentlichen Aufgaben sicherstellen, die konkrete Erbringung der Leistungen kann man aber auch auf Unternehmen übertragen.

Wir haben heute und in dieser Wahlperiode überhaupt eine ganze Menge für den Wettbewerb erreicht. Bei den netzgebundenen Infrastrukturen sorgen wir mit dem Energiewirtschaftsgesetz und dem Telekommunikationsgesetz wirklich für mehr Wettbewerb. Auch ÖPP meint nichts anderes: Der Staat soll einen bestimmten Teil der öffentlichen Aufgaben definieren, aber in einem wettbewerblichen Verfahren die Aufgabe selbst auf Private übertragen.

Wir Grünen wollen auch gerne bei der Bahn weiterkommen. Hier geht es um die Trennung des Schienenweges und des Bahnbetriebs.

(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Das hat mit ÖPP nichts zu tun!)

Eine Privatisierung von Netz und dem früheren Monopolisten in einem Unternehmen dagegen führte eher zu neuen Verkrustungen.

(Beifall der Abg. Franziska Eichstädt-Bohlig [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Das ist eine ordnungspolitische Entscheidung und hat nichts mit PPP zu tun!)

– Das hat im engeren Sinne nichts mit ÖPP zu tun. Ich will nur im Zusammenhang mit dem Wettbewerb dieses sehr heiße Thema trotzdem ansprechen.

Da der FDP-Kollege hier dazwischenruft, will ich noch etwas anderes sagen: Wir sind gegen ein einseitiges Primat der Privatisierung. Diese Tendenz ist bei Ihnen stark ausgeprägt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Dagegen spricht auch die Erfahrung. Das muss nicht sein. Insofern gibt es auch beim Thema ÖPP Differenzen, wenn auch keine grundsätzlichen.Die Effizienzgewinne durch die Einbeziehung von Privaten sind das entscheidende Kriterium für ÖPP; das hat auch der Kollege Dr. Bürsch deutlich gemacht. In einer Zeit, in der der Bedarf an der Modernisierung der öffentlichen Infrastruktur – das betrifft nicht nur den Straßenbau, sondern zum Beispiel auch öffentliche Gebäude und Schulen – sehr hoch ist, aber die Finanzierungsmöglichkeiten der öffentlichen Hand beschränkt sind, ermöglicht es ÖPP, die Kooperation zwischen Staat und Privatwirtschaft zu fördern. Ich sage aber auch: Eine verdeckte Erhöhung von Schulden durch ÖPP, wenn man sie nur als eine privatrechtliche Konstruktion nutzt und anwendet, sollten wir aus haushaltsrechtlichen Gründen vermeiden. Es kommt dabei sehr auf den Einzelfall an; das finde ich wichtig.

(Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Das haben Sie doch gewollt!)

Unter der Begrifflichkeit ÖPP werden oft unterschiedliche Dinge gefasst. Ich unterstelle niemandem Böses, sondern formuliere das als einen Anspruch, hier sorgsam abzuwägen, Herr Fuchs.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Für Bündnis 90/Die Grünen, aber auch für die anderen kommt es entscheidend darauf an, Chancen und Risiken zwischen Staat und Privaten fair zu teilen. Deswegen passen wir eine Reihe von rechtlichen Regelungen im Bereich des Vergabe-, Gebühren-, Haushalts- und Steuerrechts an, damit sie öffentlich-privaten Partnerschaften nicht entgegenstehen. Uns war wichtig, von einer generellen Öffnung von geschlossenen Immobilienfonds für ÖPP-Projekte aus Gründen des Anlegerschutzes abzusehen. Vor dem Hintergrund der Anträge von Union und Bündnis 90/Die Grünen ist hier eine kleine Differenz festzustellen. Einen anderen Weg zur Finanzierung von ÖPP öffnen wir hingegen: Offene Immobilienfonds können bis zu 10 Prozent die Finanzierung
des Nießbrauchsrechts von ÖPP-Projekten nutzen.

Ich möchte zum Abschluss noch etwas sagen, Herr Dr. Lippold, weil Sie kritisiert haben, dass wir nicht vollends zusammenkommen konnten, obgleich in der ersten Lesung und auch in der Tendenz der Diskussion Gemeinsamkeiten deutlich wurden. Das ist auch ein Problem der knappen Zeit gewesen. Sie selber haben gesagt, dass wir hier weiterkommen müssen und wir uns in einer schwierigen Situation befinden. Sie haben das ein bisschen drastischer formuliert und uns dabei angegriffen.

Auf einen Gegenangriff verzichte ich selbstverständlich; ich möchte nur sagen: Eine Anhörung – dazu wären wir bereit gewesen – war in der Tat nicht verabredet. Zudem hatten wir für die Einbeziehung Ihrer Anliegen, um diese mit unseren Positionen zu vereinbaren, in einer ausführlichen Diskussion keine Zeit.

Sie haben eine sehr starke Ausweitung der Fernstraßenbauprivatisierung vorgeschlagen. Da sind wir eben nicht zu 100 Prozent d’accord.

(Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Da kommt dann die Ideologie!)

Das ist aber nur ein Teil des ganzen Reigens. Ursächlich war nicht mangelnder Wille unsererseits, fair mit Ihnen umzugehen; vielmehr gab es bei den Akzenten, die Sie setzen wollten – das betraf auch das Steuerrecht –, schlicht Differenzen. Ich finde es gut, dass Sie mit Blick auf den Bundesrat dennoch weiterkommen wollen. Deswegen beschließen wir hier – ich hoffe, ohne Gegenstimmen von Ihrer Seite – unser Gesetz. Den weiteren Beratungen im Bundesrat sehen wir hoffnungsvoll entgegen. Ich danke Ihnen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Das Wort hat der Kollege Horst Friedrich von der FDP-Fraktion.

Horst Friedrich (Bayreuth) (FDP):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Genau da, liebe Kollegin Hajduk, ist das Problem: Sie möchten ÖPP nach Ihren Kriterien definieren. Sie vergessen dabei, dass ÖPP nur funktioniert, wenn es insgesamt ein gesellschaftliches Klima gibt, in dem überhaupt akzeptiert wird, dass sich Private stärker beteiligen. Dieses Klima müssen Sie aber zunächst schaffen; denn das, was Sie wollen, ist auch jetzt schon möglich, nämlich mit Gesetzen, die im Übrigen aus den Jahren 1993 und 1994 stammen und die damals gegen Ihre Stimmen verabschiedet wurden. Mit dem, was Sie jetzt vorgelegt haben, schaffen Sie bestenfalls eine Arbeitsgrundlage für die beiden Leuchttürme – in Rostock und bei der Querung der Trave in Lübeck –, die zwei Unternehmer gesetzt haben. Das ist das, was hier drinsteht.

Das, was Sie machen und wie Sie es machen, ist allerdings einer parlamentarischen Beratung von Gesetzen nicht angemessen; denn Sie treiben das im Schweinsgalopp voran. Die Opposition wird im Prinzip nicht beteiligt, es gibt kaum Chancen, sich einzubringen, und Sie haben offensichtlich noch nicht einmal Ihren Koalitionspartner so informiert, dass er weiß, wie er in den Ausschüssen abstimmen muss.

Sie führen hier neue Rechtsbegriffe ein und verwenden diese zum Teil sogar noch unterschiedlich. Sie reden im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen von „öffentlichen Auftraggebern“, in der Vergabeverordnung hingegen auf einmal von „staatlichen Auftraggebern“. Das mag ein Flüchtigkeitsfehler sein, aber man müsste die Begriffe zumindest definieren.

Tatsächlich neu ist allerdings, dass Sie neben den schon bekannten Begriffen „offene Verfahren“, „nicht offene Verfahren“ und „Verhandlungsverfahren“ in der Vergabeverordnung den so genannten wettbewerblichen Dialog einführen – einen Begriff, den es in Deutschland im Vergaberecht noch gar nicht gibt. Derartiges ist in der EU zwar angedacht, aber noch keineswegs mgesetzt.

Es ist auch nicht verpflichtend, dies umzusetzen; tatsächlich weiß niemand, was „wettbewerblicher Dialog“ heißt.Dies führt uns zu der Frage: Wer schützt denn den Mittelstand? Denn die Konsequenz Ihrer Gesetzesvorgaben ist, dass der Auftraggeber aus dem wettbewerblichen Dialog heraus – nach Zustimmung der anderen Vorschläge – berechtigt sein soll, technische Lösungen und innovative Ansätze mit anderen zu erarbeiten. Das kann es aus meiner Sicht nicht sein.

(Beifall bei der FDP)

Die hoch innovativen Mittelstandsfirmen, die konsequente Vorschläge machen, dann aber vielleicht nicht in der Lage sind, die Finanzierung zu realisieren, liefern die Technik, aber ein anderer produziert und benutzt diese Firmen als Subunternehmer. Das kann aus unserer Sicht nicht sein. Deswegen wäre es gut gewesen, diesen Begriff überhaupt einmal zu definieren und deutlich zu machen, was das Ganze soll.

In der Summe sagen wir: Was Sie vorlegen, ist im Grunde nicht falsch; es geht uns aber nicht weit genug. Sicherlich ist das nicht das richtige Zeichen: Sie wollen ÖPP ausschließlich dann nutzen, wenn der Staat bei der Finanzierung nicht mehr weiter weiß und ein Loch gestopft werden muss. Genau das kann es nicht sein. Das ist ein völlig falsches Signal. Deswegen werden wir uns
bei der weiteren Beratung enthalten. Sollte es am 18. September Neuwahlen geben, dann muss dieses Gesetz als allererstes auf den Prüfstand und dann muss das Thema richtig angefasst werden, hoffentlich unter anderen Mehrheitsverhältnissen. Danke sehr.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Das Wort hat der Kollege Klaus Brandner von der SPD-Fraktion.

Klaus Brandner (SPD):

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich freue mich auch, dass wir trotz der schwierigen Debattenlage vor Beginn eines Wahlkampfes – Dr. Lippold hat einen kleinen Beitrag dazu am Anfang seiner Rede geliefert –

(Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Es kommt noch mehr! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Gleich kommt der Fuchs!)

über den vorliegenden Gesetzentwurf so sachlich und konstruktiv debattieren können, wie es dem Thema angemessen ist. Ich hoffe nur, dass sich dieser Wille zum Konsens von heute auch auf die Beratungen des Bundesrates am 8. Juli erstrecken wird. Dann nämlich hätten wir alle einen wichtigen Beitrag zur Stärkung des Wirtschaftsstandortes Deutschland geleistet.

Im Übrigen muss ich Ihnen klar sagen, Herr Dr. Lippold: Wir warten nicht ab, wir sitzen auch nicht aus, sondern wir haben schnell gearbeitet und sehr früh dazu eine Arbeitsgruppe installiert. Wir haben mit Praktikern geredet und insofern ein Gesetz vorgelegt, das anwendungstauglich ist. Wir hoffen wirklich, dass es im Bundesrat recht bald Zustimmung erfahren wird, damit
der Segen dieses Gesetzes von allen am Wirtschaftsstandort Deutschland genutzt werden kann.

Über die Einzelheiten des Gesetzes ist von meinen Vorrednerinnen und Vorrednern schon ausführlich gesprochen worden. Ich möchte auf einen Aspekt zu sprechen kommen, der in der öffentlichen Debatte bisher, so meine ich, zu kurz gekommen ist. Das Konzept ÖPP geht weit über die Frage neuer Finanzierungsmodelle öffentlicher Leistungen hinaus. Es handelt sich auch nicht
allein um eine neue öffentlich-private Form des Entwerfens, des Bauens und des Betreibens bisher in Eigenrealisierung des Staates erbrachter Leistungen. ÖPP kann zu einem Effizienztreiber und Modernisierungsmotor für Staat und Gesellschaft schlechthin werden. Allein die Lebenszyklusbetrachtung und der Wirtschaftlichkeitsvergleich werden eine Debatte über den besten und kostengünstigsten Weg öffentlicher Leistungserstellung erzwingen.

Darauf werden zukünftig nicht nur die Finanzminister und die Kämmerer, sondern auch die Steuerzahler und die Öffentlichkeit bestehen müssen.

Richtig ist: Es gibt keinen Automatismus zugunsten von ÖPP. Richtig ist aber auch: Es darf keinen Automatismus mehr für die Eigenrealisierung durch die öffentliche Hand geben. Beide Beschaffungsvarianten sind zu hinterfragen; beide haben sich im Wettbewerb zu legitimieren. Ich gehe davon aus, dass in Zukunft jede öffentliche Investition mit einem Volumen von mehr als
5 Millionen Euro darauf überprüft werden wird, ob eine ÖPP-Variante nicht besser und kostengünstiger wäre. Allein eine solche Debatte wird zu einem Modernisierungsschub in den Verwaltungen führen, der unserem Land gut tun wird.

Wir alle wissen, dass bei herkömmlichen Bauvorhaben des Staates Kosten- und Zeitüberschreitungen an der Tagesordnung sind. Bei öffentlich-privaten Partnerschaften sind Kosten- und Zeitüberschreitungen dagegen die Ausnahme. Wir wissen aus anderen Ländern, dass mit ÖPP gegenüber der Eigenrealisierung des Staates eine durchschnittliche Kostenunterschreitung von bis zu 20 Prozent möglich ist. Auch bei den – wenigen – ÖPP, die zurzeit in Deutschland verwirklicht werden, verzeichnen wir Kostenvorteile von bis zu 19 Prozent; dies belegen zum Beispiel die Schulprojekte im Landkreis Offenbach. Auch in meinem Wahlkreis Gütersloh gibt es solche Projekte. Insofern gibt es schon diese „Leuchttürme“, für die wir werbend tätig werden sollten und denen wir durch die Verabschiedung des ÖPP-Gesetzes eine noch schnellere Verwirklichung ermöglichen.
Mithilfe von ÖPP können und sollen sich der Staat und die öffentliche Hand auf die Vorgaben und die Kontrolle der von den politischen Gremien gewünschten Projekte zurückziehen. Damit wird der Weg auch für ein modernes Staatsverständnis geebnet. Der Staat sieht sich nicht mehr in der Verantwortung, öffentliche Leistungen selbst zu erstellen; er sieht sich vielmehr in der Verantwortung, öffentliche Leistungen für die Bürgerinnen und Bürger in ausreichender Qualität und Quantität zu gewährleisten.

Rolf Böhme, der frühere Oberbürgermeister von Freiburg, hat neulich in einem Zeitungsbeitrag dazu geschrieben: Die Entwicklung zu einer Gewährleistungsgemeinde, die nicht mehr selbst über ihre Ämter plant, ausführt und bewirtschaftet, sondern nur noch die Inhalte bestimmt und ihre Gewährleistung gegenüber der Bürgerschaft überwacht, ist vorgezeichnet.
Die ÖPP-Modelle würden daher nicht nur Investitionen im öffentlichen Bereich, sondern auch Innovationen für die Struktur der öffentlichen Verwaltung insgesamt auslösen.

Dieser Prozess wird sich langsam vollziehen, aber ÖPP ist ein erster Schritt in die richtige Richtung; damit wird der richtige Weg eingeschlagen. So weit Rolf Böhme, der sich sehr engagiert mit diesem Themenkomplex befasst hat. Wir verabschieden heute das erste ÖPP-Gesetz in Deutschland. Es wird mit Sicherheit nicht das letzte sein.Nach wie vor ungelöst ist die Umsatzsteuerdiskriminierung von ÖPP gegenüber der Eigenrealisierung durch die öffentliche Hand. Schnelle und einfache Lösungen, wie sie in anderen Ländern mit so genannten Umsatzsteuerrefundsystemen möglich sind, sind in unserem föderalen
System nicht realisierbar.

Wir haben mit dem vorliegenden Gesetzentwurf nur einen ersten Einstieg in eine ÖPP-freundliche Ausgestaltung des Investmentgesetzes geschafft. Die Frage der Beimischung von ÖPP-Projektgesellschaften in Portfolios offener Immobilienfonds und die Schaffung von ÖPP-Infrastrukturfonds müssen wir in Zukunft angehen.Wir müssen wahrscheinlich auch das Dienstrecht noch einmal genauer betrachten. Des Weiteren werden wir die Ausweitung des Fernstraßenbauprivatfinanzierungsgesetzes
auf Bundesautobahnen zu thematisieren haben.

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Klaus Brandner (SPD):

Mit dem ÖPP-Beschleunigungsgesetz, das wir heute in diesem Hohen Hause noch verabschieden können, werden wir einen wichtigen Schritt in die ÖPP-Zukunft Deutschlands tun. Dafür haben sich die Mühe und die Anstrengungen der vergangenen Monate gelohnt. Ich hoffe, dass der Gesetzentwurf in diesem Hohen Hause breite Zustimmung finden wird. Danke sehr.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Das Wort hat der Kollege Dr. Michael Fuchs von der CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dr. Michael Fuchs (CDU/CSU):

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Lieber Kollege Brandner, Sie haben das Ganze heute sehr staatstragend vorgetragen. Allerdings wäre es mir viel lieber gewesen, wenn Sie dieses taatstragende Verhalten schon eher hinbekommen hätten; dann hätten wir vielleicht die Punkte, die wir zwar gemeinsam diskutiert haben, die uns aber trennen, auch noch in diesen Gesetzentwurf aufnehmen können. Genau dies wäre unsere
Aufgabe gewesen. Es tut mir Leid; ich weiß, dass Sie, Herr Bürsch, viel Herzblut hineingesteckt haben, um dies hinzubekommen. Aber es ist eben nicht so weit. Ich werde gleich noch die Punkte aufzählen, warum es nicht
der Fall ist.

Zuerst mache ich deutlich, warum ÖPP für uns so wichtig ist: Wir haben einen riesigen Investitionsstau in unserem Land. Dieser Investitionsstau ist Ihr Investitionsstau.

(Ute Kumpf [SPD]: Na, na, na! Sie machen es sich ganz schön einfach!)

Er kommt schlicht und ergreifend daher, dass der Bundeshaushalt  ein strukturelles Defizit von über 60 Milliarden Euro ausweist. Das ist der Erfolg Ihrer Politik: ein strukturelles Defizit von über 60 Milliarden Euro. Sie werden in diesem Jahr die Maastricht-Kriterien zum vierten Mal verfehlen.

(Zurufe von der SPD)

– Ich weiß, dass Ihnen das weh tut. – Sie haben in den letzten Jahren eine Strukturpolitik gemacht, die dazu geführt hat, dass die Investitionen in Deutschland ständig weiter zurückgegangen sind.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Klaus Brandner [SPD]: Haben Sie vergessen, welchen Schuldenberg Sie uns hinterlassen haben?)

Ein weiterer Indikator für die Schieflage des Bundeshaushalts ist die Tatsache, dass 2005 erstmals die Sozial-, Versorgungs-, Zins- und Personalausgaben in Höhe von 207 Milliarden Euro die Einnahmen um über 20 Milliarden Euro übersteigen werden. Nach der letzten Korrektur, die Herr Eichel vornehmen musste, werden die Einnahmen in diesem Jahr nur 187 Milliarden Euro betragen.

Schauen Sie einmal nach, was Sie aus Investitionen gemacht haben! Sie werden feststellen, dass die Investitionsquote von 12,5 Prozent im Jahre 1998 auf heute 8,3 Prozent abgesackt ist. Alle Ihre Haushalte sind nicht mehr verfassungsgemäß. Die Investitionen, die letztendlich Arbeitsplätze in Deutschland bedeuten, haben Sie kaputtgemacht; dies sage ich ganz deutlich.

(Beifall bei der CDU/CSU – Klaus Brandner [SPD]: Saarland, Hessen!)

Herr Brandner, ich sage Ihnen dies an einem Tag, an dem Sie alle wirklich mit Asche auf dem Haupt in diesem Haus sitzen müssten: 4,7 Millionen Arbeitslose im arbeitsstärksten Monat Juni! Diese Zahl wurde heute in Nürnberg verkündet.

(Klaus Brandner [SPD]: Davon 380 000 durch Hartz IV! 1998 hatten wir die höchste Arbeitslosigkeit!)

– 471 000 mehr als im Juni letzten Jahres. Das ist die Folge Ihrer Politik, die Folge der Tatsache, dass wir in diesem Land keine Investitionen mehr haben, weil sich die Unternehmen nicht zu investieren trauen und weil Sie staatliche Investitionen derart erschwert haben. Genau das ist das Problem und das sollten wir hier ganz deutlich benennen.

(Klaus Brandner [SPD]: Jetzt reden Sie doch mal zu ÖPP!)

Deswegen halte ich es für richtig, dass wir heute hier gemeinsam ÖPP nach vorne bringen wollen. Nun wird ÖPP nicht das gesamte Problem lösen.

(Klaus Brandner [SPD]: Das hat auch keiner behauptet!)

Wir sollten uns auch davor hüten, zu glauben, dass wir – für mich ist es eine Second-best-Lösung – mit dieser Second-best-Lösung Privatisierungen verhindern könnten. Wir brauchen genauso die Privatisierungen. An diesem Thema sollten wir dran bleiben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. Horst Friedrich [Bayreuth][FDP])

Ich freue mich dennoch, dass wir gemeinsam – vor allen Dingen mit Ihnen, Kollege Bürsch – nach Lösungen gesucht haben. Allerdings will ich auch die Punkte ansprechen, die wir nicht gemeinsam hinbekommen haben. Wir werden mit dem ÖPP-Gesetz leben können, aber wir werden es so schnell wie möglich – das wird nach dem 18. September ziemlich zügig gehen – reformieren müssen, weil es uns zu viele großvolumige Projekte fördert.

Deswegen hatten wir auch eine Revisionsklausel verlangt, um nachprüfen zu können, ob wir nicht unter Umständen mehr Großprojekte fördern und den Mittelstand außen vor lassen. Unsere Aufgabe muss es sein, in diesem Hause dafür zu sorgen, dass gerade der Mittelstand gefördert wird, weil dort, wie Sie wissen, die meisten Arbeitsplätze entstehen.

Zugleich werden wir uns dafür einsetzen, dass die Potenziale des Fernstraßenbauprivatfinanzierungsgesetzes – auch wieder so ein wunderschönes Wort – für ÖPP besser ausgenutzt werden. Ich weiß, Frau Kollegin Hajduk, dass dies nicht unbedingt Ihre Vorstellung ist. Ich weiß auch, dass Sie gerade da blockiert haben und dass dies wahrscheinlich die Klippe war, weswegen wir
nicht zueinander gefunden haben, Herr Bürsch.

(Zuruf der Abg. Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Dieses Fernstraßenbauprivatfinanzierungsgesetz muss besser eingebaut werden. Es kann nicht sein, dass wir da nur über so genannte Ingenieurbauten sprechen. Es muss auch für gesamte Autobahnen gelten. Ich denke hier zum Beispiel an die A 20, die dringend notwendige Küstenautobahn. Könnten wir sie über ÖPP finanzieren, dann sollten wir es auch tun.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir lehnen auch ganz massiv die geplante Veräußerung unbeweglichen Vermögens dann ab, wenn das Vermögen immer noch zur Aufgabenerfüllung des Bundes benötigt wird. Art. 4 Abs. 2 Ihres Gesetzentwurfs hat aber den Nachteil, dass kurzfristige Veräußerungserlöse erzielt und zur Haushaltsfinanzierung verwandt werden können.

Wir brauchen aber keine zusätzlichen Schattenhaushalte und auch keine Ausweitung des Kreditrahmens auf diese Art. Wir haben schon viel zu hohe inakzeptable verdeckte Kreditaufnahmen. Wenn wir jetzt immobiles Vermögen des Bundes, der Länder und der Kommunen verkaufen, das in einem Sale-and-lease-back-Verfahren anschließend wieder zurückgemietet wird, verschieben wir wieder einmal die Verantwortung in die Zukunft, gemäß dem Motto „Was kümmern mich meine Schulden
von morgen?“

(Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:Das machen doch die Länder auch!)

Ich will es anders ausdrücken: Sie machen damit Politik nach dem Motto „Kinder haften für ihre Eltern“. Das machen wir nicht mehr mit. Auf die Verschiebung von Aufgaben in die Zukunft zulasten einer anderen Generation sollten wir verzichten. Das haben wir lange genug gemacht.

(Klaus Brandner [SPD]: So ist es! Aber was haben Sie bis 1998 gemacht?)

Ich glaube, in diesem Punkt muss das Gesetz geändert werden. Wir werden das so bald wie möglich tun. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Ich schließe die Aussprache. Es liegen einige Erklärungen nach § 31 der Geschäftsordnung vor, die ich zu Protokoll nehme.

(Dr. Michael Bürsch [SPD]: Von wem?)

– Einige Kollegen aus der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen haben eine Erklärung abgegeben.1)

(Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]:Wollen die nicht einmal ihrem eigenen Antrag zustimmen?)

Zusatzpunkt 3 a: Abstimmung über den von den Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen eingebrachten Gesetzentwurf zur Beschleunigung der Umsetzung von öffentlich-privaten Partnerschaften und zur Verbesserung gesetzlicher Rahmenbedingungen für öffentlich-private Partnerschaften, Drucksache 15/5668.

Der Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 15/5859, den Gesetzentwurf in der Ausschussfassung anzunehmen.

Ich bitte diejenigen, die  dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um ihr Handzeichen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen?

– Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Enthaltung von CDU/CSU- und FDP-Fraktion angenommen.

Dritte Beratung und Schlussabstimmung.

Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? –

Der Gesetzentwurf ist mit dem gleichen Stimmenverhältnis angenommen.

Zusatzpunkt 3 b: Unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion der FDP auf Drucksache 15/2601 mit dem Titel „Privatisierung und öffentlich-private Partnerschaften“.

Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? –

Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von FDP- und CDU/
CSU-Fraktion angenommen.

Zusatzpunkt 3 c: Beschlussempfehlung des Ausschusses für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen auf Drucksache 15/5861 zu dem Antrag der Fraktion der CDU/CSU mit dem Titel „Wachstumsstrategie für Deutschland: Public Private Partnership weiterentwickeln und nunmehr realisieren – Infrastruktur optimieren, Investitionsstau auflösen“.

Der Ausschuss empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 15/5676 abzulehnen.

Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? –

Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von CDU/CSU- und FDP-Fraktion angenommen.