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Perspektiven für eine Bahn für alle
Stand 18.03.2007
Präambel
Die Bundesregierung hat erkannt, dass der Straßen- und
Luftverkehr wesentlich zu den sich abzeichnenden Klima-, Umwelt- und
Energieproblemen beiträgt. Sie wird deshalb jede Art der
Kapitalprivatisierung ablehnen, die Deutsche Bahn in
ausschließlich öffentli-chem Eigentum behalten, ausbauen und
als wesentliches Instrument der Verkehrs-, E-nergie- und Klimapolitik
nutzen. Sie wird die Bürgerinnen und Bürger über den
hohen klima- und energiepolitischen Stellenwert der Bahn aufklären
und durch entsprechende Rahmensetzungen zum umweltgerechten
Verkehrsverhalten bewegen. Sie wird dem Ausbau der Bahn Vorrang vor dem
Straßen- und Luftverkehr einräumen.
1. Neue Zielsetzungen für
Wachstum der Bahn
Die Marktanteile von 7 % der Personenverkehrs- bzw. 15 % der
Güterverkehrsleistung in Deutschland sind zu klein. Deshalb wird
die Bundesregierung durch eine bahnorien-tierte Verkehrspolitik und ein
großes Engagement als Eigentümer der Bahn ein starkes
Wachstum der Bahn im Schienenverkehr ermöglichen: Sie setzt sich
folgende Ziele für ein innovatives Bahnsystem:
• Zumindest jeder Siedlungsbereich mit mindestens 5000 EinwohnerInnen
wird im Schienenpersonennahverkehr mindestens stündlich, in dicht
besiedelten Regionen halbstündlich bedient.
• Jedes Oberzentrum und Mittelzentrum wird im
Schienenpersonenfernverkehr mindes-tens stündlich, bei
großen Städten und auf dicht besiedelten Achsen auch
halbstünd-lich, bedient. Dem Fernverkehr dienen vertaktete IC/EC-
bzw. ICE- und InterRegio-Angebote.
• Die Reisezeiten im Personenverkehr werden durch integrale
Taktfahrpläne minimiert und durch ein flächendeckendes
Fahrplansystem ergänzt.
• Strecken und Bahnhöfe werden bedarfsgerecht und barrierefrei
ausgebaut, bei Bedarf werden stillgelegte Strecken und Bahnhöfe
reaktiviert und Netzlücken durch Neubau beseitigt. Der
flächendeckende Systemausbau erhält Vorrang vor
Großprojekten und Hochgeschwindigkeitsstrecken.
• Im Güterverkehr werden Gleisanschlüsse wieder hergestellt
bzw. eingerichtet, um Güter in breitem Maße von der
Straße auf die Schiene zu verlagern. Das System der
Güterverkehrszentren und die Anlagen für den kombinierten
Verkehr wird ausgebaut.
• Der Schienen-Güterverkehr wird durch staatliche
Lenkungsmaßnahmen (wie z.B. in der Schweiz) angemessen
unterstützt.
2. Strategische Ausrichtung –
Steuerung – Kontrolle
Die Bahnorganisation wird diesem Auftrag angepasst. Der Aufsichtsrat
(AR) wird neu konstituiert: Die Bundesregierung bestimmt eine
Vertretung des Verkehrsministers und weitere Vertretungen aus den
Bahn-affinen Verbänden, z.B. Pro Bahn, VCD, Bahn für alle.
Zusammen mit den ArbeitnehmerInnen-Vertretungen wird der AR damit
kompetent, die strategische Ausrichtung, Steuerung und Kontrolle der DB
AG im Sinne der verkehrspolitischen Ziele „mehr Verkehr auf die
Schiene“ und „effizienter Einsatz der Bundesmittel“ zu leisten. Der
Aufsichtsrat erhält dazu einen Kreis von MitarbeiterInnen und wird
durch angemessene Ressourcen in die Lage versetzt, die
Verantwortlichkeiten effektiv wahrzunehmen.
Der Bund veranlasst, dass die DB die Planungen für alle Projekte
fristgerecht durchführt und die bereit gestellten Bundesmittel
fristgerecht in Baumaßnahmen investiert. Die Verteilung der
Mittel erfolgt regional ausgewogen mit dem Ziel einer angemessenen
Systemqualität im ganzen Land.
3. Sinnvolle „organische“ Expansion statt ‚Welteroberung’
Die Deutsche Bahn konzentriert sich als demokratisch kontrolliertes
Unternehmen der öffentlichen Daseinsvorsorge auf den deutschen
Verkehrsmarkt. Sie beendet ihre Politik der Streckenstilllegungen und
Bahnhofsschließungen. Und sie beendet ihre global ange-legten
Aufkäufe von Speditionen, Logistikzentren, Häfen usw., um
damit hohe unter-nehmerische Risiken und finanzielle Entzugseffekte zu
vermeiden.
Den europäischen Verkehrsverflechtungen trägt sie durch
angemessene Kooperationen mit den achbarbahnen und Forcierung
einheitlicher technisch-logistischer und juristi-scher Standards
Rechnung. Um die besonders wichtigen Märkte der
grenzüberschreiten-den Nahverkehre zu erschließen, baut sie
in Kooperation mit den Nachbarbahnen und mit Mitteln der EU für
die kleinen Transeuropäischen Netze grenzüberschreitende
Nah-verkehrs- und InterRegio-Netze im Personen- und Güterverkehr
auf.
4. Statt Abbau: Innovationen und mehr
Arbeitsplätze
Die letzten größeren Innovationen der DB (ICE,
Neigezüge, Doppelstockfahrzeuge, Rei-sezentren, Servicepoints,
BahnCard, Huckepackzüge, Containerverkehre) stammen alle noch aus
der Zeit der „Bundesbahn“. Es ist längst an der Zeit, dass nach
nunmehr 12 Jahren die DB AG eigene Innovationen schafft, um weitere
Märkte zu erschließen: Neue IR-Züge, kundenspezifische
Fahrzeugausstattungen, neue Techniken für flächendecken-de
Güterverkehre; Generalabonnements für alle öffentlichen
Verkehre; spezielle Servi-ce- und Tarifangebote für Eltern mit
Kindern, Jugendliche, Senioren etc. Umfassende Kampagnen und
flächendeckende Fahrgast-Information verbessern die Marktposition
der Bahn grundlegend und schaffen neue Arbeitsplätze.
5. Gewinnung von Investitionsmitteln
Der Bund sichert der Bahn zu, dass sämtliche Gewinne im
Unternehmen verbleiben und investiert werden, um die
Zukunftsfähigkeit der Bahn zu erhalten und zu stärken.
Zu-sätzlich stellt der Bund genügend Mittel für Neubau,
Ausbau und Erhaltung des Netzes zur Verfügung und passt diese dem
Bedarf an. Er veranlasst, dass die DB Planungen fristgerecht leistet
und die Ausbauvorhaben durchführt, auch wenn dadurch keine
Stei-gerung des Unternehmensgewinns erwartet werden kann. Im Rahmen der
Verkehrswe-geplanung setzt der Bund klare Prioritäten für den
Ausbau der Bahn. Der Bund sichert die ausgewogene Verteilung und
ausschließlich bahnfixierte Verwendung der Finanzmit-tel
Spielräume für Aus- und Neubau, Modernisierung und Erhaltung
des Bahnsystems.
Die bisher geplanten Bundesmittel für Groß-Neubauvorhaben
werden umgewidmet, um dafür sinnvolle und wirtschaftliche
Alternativen zu verwirklichen. Außerdem können BahnkundInnen
mit der Finanzierung von Anleihen oder Fonds weitere Investitionsmittel
aufbringen.
6. Bessere
Dienstleistungsqualitäten
Die Bahn schafft eine nachhaltige, serviceorientierte Fahrgastpolitik.
Die MitarbeiterIn-nen werden aktiv in eine darauf ausgerichtete
Unternehmenskultur einbezogen. Gerade im Dienstleistungsbereich gilt:
Die Qualität der Arbeit bestimmt die Qualität der
Dienst-leistung. Die innere Organisation und ihr fachliches Know-How
sind konsequent auf die-se Ziele auszurichten. Die DB sucht den Dialog
mit der Öffentlichkeit, fördert Teamar-beit, baut Hierarchien
ab und bezieht Länder, Regionen und Kommunen angemessen in die
strategische Konzeptentwicklung und Angebotsplanung ein. Sie
konzentriert ihre An-strengungen auf eine verbesserte
Systemqualität im ganzen Land. Damit trägt sie den
differenzierten Mobilitätsbedürfnissen der Menschen und der
Wirtschaft Rechnung, bin-det Stammkunden und vervielfacht ihre
Marktanteile. Der Erfolg steigert die Motivation der MitarbeiterInnen
für qualifizierte Mobilitätsdienstleistung. Die Bahn pflegt
eine mo-derne Reisekultur, verbessert ihre Serviceangebote wie
Zuggastronomie, Schlafwagen, Kinder- und Ruheabteile,
Gepäckservice und Fahrradtransport und pflegt faire Koopera-tionen
mit allen anderen Bahnunternehmen und öffentlichen Verkehren in
Deutschland und Europa.
7. Beitrag zur Zukunftsfähigkeit
unseres Landes
Die Bahn wird durch eine solche Politik mit Hilfe des Eigentümers
Bund wieder zu einem primären Verkehrsmittel in Deutschland und
schafft es, ihren energie-, klima- und um-weltpolitischen Auftrag und
Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung aller Regionen in Deutschland zu
leisten. Die Bundesregierung präzisiert diese Ziele in klaren und
mess-baren Vorgaben und kontrolliert deren Einhaltung. Die Bahn wird
wieder zum Grundge-rüst der Siedlungsentwicklung und sichert
nachhaltige und gleichwertige Mobilität für alle und
überall. Sie behält das nötige Eigentum an Grund und
Boden und geht damit verantwortlich im Sinne der verkehrlichen
Zweckbindung um. Sie beteiligt sich nicht an Bodenspekulation und ist
ein verlässlicher Partner der Städte und Regionen in allen
Fra-gen der Verkehrs-, Stadt- und Regionalentwicklung. Mit diesem hohen
umwelt- und kli-mapolitischen Engagement wird die Deutsche Bahn zum
Vorbild moderner, nachhaltiger Mobilitätskultur auf der ganzen
Welt. Die Bahn ist damit – statt den Gewinninteressen von Investoren zu
dienen – eine wesentliche Basis für die zukunftsorientierte
Entwick-lung der Bundesrepublik Deutschland.
Beschlossen auf der Konferenz „Die Bahn ist keine Ware!“ in Berlin am
18.3.2007