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Gescannte Berichte der FR vom 14.11. 2006, Nr. 265

Parteien streiten über Privatisierung

Die Suche nach Käufern für die Städtischen Werke Kassel kann noch nicht wie geplant beginnen

Die Debatte über die Privatisierung der Städtischen Werke in Kassel ist ins Stocken geraten. Die Parteien sind uneins über den Sinn und die Vorgehensweise. Die Suche nach Käufern sollte bis Ende des Jahres beginnen -jetzt ist ungewiss, ob sie überhaupt in Gang kommt.

KASSEL • Eine Anfrage des schwedischen Energiekonzerns Vattenfall Europe im Frühjahr war nach der Darstellung des Magistrats der Auslöser für „Überlegungen über die Zukunft der Städtischen Werke". Vattenfall besitzt 24,9 Prozent der Stadtwerke; der Konzern überlegt, sie abzustoßen oder weitere Anteile zu kaufen. Für die hochverschuldeten Stadt ist das der Anlass, den Verkauf weiterer Anteile ins Auge zu fassen, um mit dem Erlös den Haushalt zu sanieren. Bis zu 74,9 Prozent sind im Gespräch. Die Stadt würde sich eine Sperrminorität von 25,1 Prozent sichern und das Trinkwassergeschäft weiter selbst betreiben.

Inzwischen schlägt der Magistrat ein „strukturiertes Bieterverfahren" vor, bei dem Käufer gesucht werden sollen. Vattenfall würde die Hälfte der 300 000 Euro bezahlen, die das Verfahren kosten soll - allerdings nur, wenn es bis Ende des Jahres beginnt. Daraus wird nichts. „Es gibt keine Mehrheiten", muss Kämmerer Jürgen Barthel (SPD) einsehen.

KVV-Aufsichtsrat soll sich äußern


„Das rechnet sich nicht" meinen die Grünen laut Wolfgang Friedrich. Was die Städtischen Werke an Gewinn abwerfen, sei mehr als die Zinseinsparung, die durch einen Verkauf von Anteilen erzielt würde. Die Grünen wollen in der Stadtverordnetenversammlung beantragen, den Rückkauf der Vattenfall-Anteile zu prüfen. Ähnlich wird ein Antrag der Kasseler Linken.ASG lauten.

Die CDU Fraktionsvorsitzende Eva Kühne-Hörmann schreibt in einem Brief an Oberbürgermeister Bertram Hilgen (SPD), es gebe „keinen Grund, über eine Magistratsvorlage und ein Verfahren ohne klare Zielsetzung zu entscheiden".

Zunächst sei ein Votum des Aufsichtsrates der Kasseler Verkehrs- und Versorgungs-GmbH (KW) nötig, zu der die städtischen Werke gehören. Wenn es zu einem Bieterverfahren kommt, will die CDU allerdings, dass auch ein hundertprozentiger Verkauf geprüft wird.

Die SPD „begrüßt die Ausschreibung eines Konzeptwettbewerbs". SPD-Vorsitzender Bernd Hoppe favorisiert allerdings die „kommunale Lösung".

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Privatisierungsgegner demonstrierten am Montag vor dem Kasseler Rathaus gegen einen Verkauf von Anteilen der Städtischen Werke (Bild).
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Nach seinen Angaben gibt es Kontakte zu drei Unternehmen aus „Städten, denen es finanziell besser als Kassel geht". Doch auch Hoppe bezeichnet die Gespräche mit den anderen Parteien als schwierig. Hinzu kommt, dass die Fraktionen gerade über den Haushalt für 2007 streiten.

So zeichnet sich ab, dass es dieses Jahr keinen Beschluss über ein Bieterverfahren für die Städtischen Werke geben wird. Kämmerer Barthel gibt sich jedoch optimistisch und meint, „dass sich in den nächsten Wochen einiges klären wird".

Unterdessen ließ die Gewerkschaft Verdi ein Gutachten über den Anteilsverkauf erstellen. Der Gelsenkirchener Wirtschaftsrechtler Heinz-J. Bontrup kommt darin zu dem Ergebnis: „Die wirtschaftlichen Effekte eines Stadtwerke-Verkaufs auf den Stadthaushalt Kassels sind nicht so bedeutend, als dass es hierdurch zu einer wesentlichen und nachhaltigen Entschuldung käme." Er rechnet vor, dass die Stadt gar vier bis fünf Millionen Euro weniger einnähme; hinzu kämen Kaufkraftverluste in einer Höhe von ISO Millionen Euro pro Jahr.

Die Städtischen Werke warnen in einem internen Papier vor dem Verlust von 300 Arbeitsplätzen, und da es zwischen ihnen und der KW diverse Synergieeffekte gebe, würde die KW bei einem Verkauf „zerschlagen".    RALF PASCH

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STADTISCHE WERKE

• Das Unternehmen Städtische Werke in Kassel ist eine Aktiengesellschaft und Teil der Kasseler Verkehrs- und Versorgungs-GmbH.

• Mit rund 900 Beschäftigten liefern die Städtischen Werke Strom, Gas, Wasser und Fernwärme.

• Im Auftrag der Kommune betreiben sie außerdem Schwimmbäder und schließen Contracting-Verträge für Betrieb und Unterhaltung von Energieversorgungsanfragen mit Krankenhäusern, Schulen, Firmen oder Privathaushalten ab.    RAP
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Initiative erfolgreich

Mehr Beteiligung der Bürger

KASSEL • Kasseler Bürger, die wollen, dass die Stadtverordnetenversammlung über Petitionen entscheidet, können einen ersten Erfolg verbuchen: Stadtverordnetenvorsteher Jürgen Kaiser (SPD) beauftragte das Büro der Stadtverordnetenversammlung, gemeinsam mit dem Rechtsamt einen Vorschlag für eine Änderung der Geschäftsordnung zu erarbeiten. Dieser Vorschlag muss dann von den Fraktionen beraten werden.

Über die Änderung entscheiden die Stadtverordneten. Die Initiative „Ein andere Welt - Ein anderes Kassel wie denn?" hatte in einer Petition gefordert, „Bürgeranträge" als „Herzstück der Bürgerbeteiligung" einzuführen. Mit solchen Anträgen, wie sie in anderen Bundesländern bereits üblich sind, sollen die Kasseler ihre Vorschläge direkt aa die Stadtverordnetenversammlung oder die Ortsbeirate einreichen können,

Anliegen sind in anderen Ländern zum Beispiel, dass eine Straße verkehrsberuhigt ausgebaut oder auf Gebührenerhöhungen verzichtet wird. Kommunalordnungen, die solche Anträge zulassen, verlangen ein Unterschriftsquorum zwischen ein und 30 Prozent. Außer den Wahlberechtigten können in einigen Kommunen auch Ausländer und Jugendliche abstimmen. Experten meinen, eine stärkere Bürgerbeteiligung verbessere die Qualität von Entscheidungsprozessen. In Kassel hatte es dieses Jahr ein Beteili-gungsverfahren für den Haushalt gegeben, die Resonanz war aber gering. Laut Kritikern war die Vorbereitung nicht ausreichend, auch sei der Rahmen, in dem Bürger Vorschläge zum Etat unterbreiten konnten, viel zu eng gewesen. Ein ähnliches Verfahrenläuft für die Umgestaltung der Museumslandschaft.    RAP