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NRW-SPD-Chefin : "Wir sind das soziale Gewissen"
Nordrhein-Westfalens künftige SPD-Chefin Hannelore
Kraft über die Lage der Landespartei und ihre Rolle im Bund
Landtagswahlergebnisse
(FR-Infografik)
Frankfurter Rundschau: Frau Kraft, können Sie es nachvollziehen,
wenn die nordrhein-westfälische SPD zurzeit in der bayerischen CSU
als abschreckendes Beispiel gilt?
Hannelore Kraft: Ich habe diesen Vergleich noch nicht gehört -
aber mit der Realität hat er jedenfalls nichts zu tun.
Die CSU will nicht den Weg einer Partei gehen, die ihren
langjährigen Führungsanspruch verliert…
Wir jedenfalls haben unser Spitzenpersonal in der Vergangenheit nicht
so demontiert, wie die CSU es jetzt mit Stoiber macht. Und auch sonst
stimmt der Vergleich ja nicht. Die SPD liegt in NRW derzeit fast
gleichauf mit der Union. Wir haben immer noch eine lange Strecke vor
uns, aber beim Führungsanspruch für das Land bleibt es.
Kein Problem also in Düsseldorf?
Hannelore Kraft
(dpa Bild)
Wir haben die letzte Landtagswahl verloren, das ist wahr. Wir hatten
das Vertrauen der Menschen nicht mehr. Wenn man nach 39 Jahren
Regierungszeit in die Opposition geht, ist das nicht einfach. Aber
unsere Landtagsfraktion hat sich sehr schnell in die Oppositionsrolle
eingefunden. Die Partei hat sich damit schwerer getan. Auch dort gibt
es jetzt viel Bewegung. Wir arbeiten inhaltlich sehr hart.
Was muss sich in der nordrhein-westfälischen SPD ändern?
Wir müssen mit klaren Positionen klar erkennbar sein. Das verstehe
ich unter klare Kante. Wir müssen das Sprachrohr der Menschen in
diesem Land sein.
Wo müssen Sie den Kurs korrigieren?
Landespolitisch besonders wichtig ist das Thema Bildung. Da haben wir
unsere Position überarbeitet, hin zu einem neuen Konzept. Dazu
wird ein Parteitag im August ein bildungspolitisches Programm
beschließen. Der Kernpunkt ist: länger gemeinsam lernen -
und gebührenfreie Bildung vom Kindergarten bis zur Hochschule.
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Interview
Hannelore Kraft, 45-jährige
Fraktionschefin der SPD im nordrhein-westfälischen Landtag, wird
am Samstag den Landesvorsitz der SPD übernehmen. Beim Parteitag in
Bochum ist sie einzige Kandidatin für die Nachfolge des bisherigen
Vorsitzenden Jochen Dieckmann. Kraft soll 2010 Ministerpräsident
Jürgen Rüttgers (CDU) herausfordern. Bildung hält sie
landespolitisch für das herausragende Thema, sagte Kraft im
FR-Interview. Kern des bildungspolitischen Programms solle
gebührenfreie Bildung bis zur Hochschule werden. me
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Wiederholen Sie in der Schulpolitik nicht alte Strukturdebatten, in
denen es nie einen Sieger gab?
Wir schlagen mit der Gemeinschaftsschule eine neue Schulstruktur
für alle weiterführenden Schulen vor. Fünfte und sechste
Klasse gemeinsames Lernen für alle - und danach entweder eine
Differenzierung zwischen Haupt-, Real-, Gymnasial- oder auch
Gesamtschulklassen. Aber unter einem Dach, mit einem Lehrerkollegium.
Das schafft mehr Aufstiegsmöglichkeiten und mehr Chancen. Denn ich
will auch nicht drum herumreden: Wir haben die Regierungsrolle in
Nordrhein-Westfalen wahrscheinlich auch verloren, weil wir uns nicht
schnell genug auf gesellschaftliche Veränderungen eingestellt
haben. Auch bei uns im Land hat das dazu geführt, dass Bildung vom
Geldbeutel der Eltern abhängt. Das darf so nicht bleiben. Es muss
über Bildung wieder Aufstieg möglich sein.
Sie sagen, auch die SPD hat Bildung vom Einkommen abhängig
gemacht?
Das war ja keine willentliche Entscheidung. Ich stelle nur das Ergebnis
fest.
War die frühere SPD-Landesregierung nicht auch einfach zu weit weg
vom alten sozialen Anspruch?
Ich stehe zu den bundespolitischen Reformprozessen, die wir in den
vergangenen Jahren begonnen haben. Wir mussten in NRW in dieser Zeit
massiv sparen, und auch damit macht man sich keine Freunde.
Was wird in Zukunft die Rolle der NRW-SPD in der Bundespartei sein?
Es wird darum gehen, unsere soziale Kompetenz auch weiterhin nach
Berlin zu transportieren. Unser Landesverband ist immer das soziale
Gewissen der Partei gewesen und wird es bleiben. Zum Beispiel zur
Unternehmensteuerreform, bei der wir strikt auf weitgehender
Aufkommensneutralität bestehen werden. Aber nicht aus reiner
Profilierungssucht, das ist nicht mein Weg: Streit ja, wo es inhaltlich
nötig ist.
Mit welchem Thema wird Kurt Beck gegen Angela Merkel die nächste
Bundestagswahl gewinnen?
Mit seiner sozialen Kompetenz. Er ist nah bei den Bürgern.
Und wenn Ihnen dann jemand vorhält, Ministerpräsident
Jürgen Rüttgers beweise in NRW gerade, wie man soziale
Kompetenz als Unionsprofil aufbaut?
Dann sage ich Ihnen, dass genau das Gegenteil stattfindet.
Rüttgers verliert auch in der Wahrnehmung der Bürger gerade
sein soziales Profil. Weil die Menschen langsam beginnen, ihn an seiner
Politik zu messen. Was er sagt, hat nichts mit dem zu tun, wie er
regiert.
Interview: Richard
Meng
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Copyright © FR online 2007
Dokument erstellt am 17.01.2007 um 17:20:04 Uhr
Letzte Änderung am 17.01.2007 um 22:20:38 Uhr
Erscheinungsdatum 18.01.2007