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Lobbyismus in Deutschland grenzt an Korruption

3 Aufsätze  der FR   vom 27.07.2007  weisen  nach  Meinung des  Inhabers der Homepage daraufhin


1.Aufsatz

http://www.fr-online.de/in_und_ausland/politik/aktuell/?em_cnt=1180244&

Lehrzeit im Ministerium  - Firmen und Politik tauschen Mitarbeiter aus

VON THOMAS KRÖTER

Eine neue "Strandbar" in der Berliner Mitte? Nein, die Herrschaften, die es sich am Donnerstag mit kühlen Drinks und dicken Zigarren vor dem Bundesfinanzministerium in ihren Liegestühlen bequem machen, sind nicht zum Relaxen da, sondern zum Demonstrieren. "Lobbyisten in die Sommerpause - und
dann nach Hause!" ist das Motto der Aktion.

Die Anti-Lobbyisten-Lobby protestiert dagegen, dass "Mitarbeiter von  Unternehmen und Wirtschaftsverbänden quasi als Scheinbeamte in den Ministerien" arbeiteten und so an Gesetzen mitwirken könnten, "die eigentlich ihre Unternehmen regulieren sollten". Nächste Woche bekommen noch mehr Ministerien Besuch - vom Bundesrechnungshof. Der will bis Jahresende  einen Bericht über die "Maulwürfe" (so das Wirtschaftsmagazin impulse) vorlegen.

Über 100 Einträge umfasst die kleine Datenbank, die lobbycontrol ins Internet gestellt hat (www.keine-lobbyisten-in-ministerien.de). Sie liest sich wie ein "who is who" der Deutschen Wirtschaft: Die KfW-Bankengruppe hat Mitarbeiter ins Kanzleramt entsandt, die Deutsche Bank ins Innen- und Finanzministerium, Daimler, Telekom, Thyssen ins Wirtschaftsressort, Bayer
 
und BASF ins Umweltministerium und so weiter. In Antworten auf Anfragen der FDP sowie der Grünen hat das Bundesinnenministerium Ende 2006 die Angaben im Großen und Ganzen bestätigt: "Insgesamt 100 externe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die ganz oder teilweise von Unternehmen, Verbänden und
Gewerkschaften bezahlt werden", aktuell dürften es noch etwas über 50 sein.

Dem Ministerium zufolge arbeiten "embedded lobbyists" unter strenger Aufsicht, nicht selbstständig. "Mit ihrem spezifischen Fachwissen unterstützen sie vielmehr die laufende Referatstätigkeit, insbesondere durch den Erfahrungsaustausch." Eine politische Einflussnahme sei "ausgeschlossen".

In einem Fall musste sich ein Haus jedoch unfreundlich von einem seiner hilfreichen Gäste trennen. Ein Mitarbeiter einer großen Krankenkasse hatte im Gesundheitsministerium interne Unterlagen gesammelt, die wenig später in den Medien auftauchten. "Eine unerquickliche Geschichte", so ein
Ministeriumssprecher. Im Haus von Ulla Schmidt (SPD) gibt es jedoch einen externen Mitarbeiter, mit dem die Chefin offenbar hoch zufrieden ist. Seit Februar 2006 arbeitet ein Vertreter des Verbandes der Ortskrankenkassen als Referatsleiter für die Bund-Länder-Koordinierung.

Ähnliche Fälle aus anderen Häusern sind nicht bekannt, auch kein offensichtlicher Missbrauch. Bekannt geworden ist aber, dass "Leiharbeiter" in Abteilungen schnuppern dürfen, die für ihre Firmen interessant sind - Mitarbeiter der Energiekonzerne Wintershall und Eon in einer Stelle des
Auswärtigen Amtes, wo es um strategische Energiepolitik geht, Banklobbyisten in der Finanzmarktabteilung des Finanzministeriums.

Selbst der nicht gerade wirtschaftsfeindlichen FDP wird da mulmig. Im Gespräch mit der FR fordert der Abgeordnete Patrick Döring, die Fälle genau zu untersuchen "und eine mögliche verdeckte Einflussnahme" aufzudecken. Der Austausch von Wirtschaft und Politik sei nötig, "aber er muss transparent sein".

Ein Teil der Fälle geht auf ein Austauschprogramm zurück, das Innenminister Otto Schily (SPD) mit der Deutschen Bank aufgelegt hat. Es brachte auch Beamte in die Wirtschaft. In einer wissenschaftlichen Auswertung fand die Hertie School of Governance heraus, dass die Besucher aus der Wirtschaft auch auf unerwartete Weise lernen. Der Aufenthalt führe "zur Änderung grundlegender Einschätzungen über die Ministerialverwaltung und zu einer deutlich skeptischeren Sichtweise der eigenen Organisation".

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Lobbycontrol

Die kleine Organisation arbeitet seit Beginn des vergangenen Jahres als gemeinnütziger Verein. Sie hat sich zur Aufgabe gemacht, professionellen Interessenvertretern in Berlin und Brüssel auf die Finger zu schauen.

Dazu hat sie Studien über den "Lobbyplanet Brüssel" im Allgemeinen und die Interessenvertretung der Atomindustrie bei der EU im Besonderen, aber auch den "Konvent für Deutschland" herausgegeben.

Finanziert wird Lobbycontrol zum größten Teil von der "Bewegungsstiftung", einer Initiative, die dem globalisierungskritischen Netzwerk Attac nahesteht. www.lobbycontrol.de und www.bewegungsstiftung.de
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2. Aufsatz


http://www.fr-online.de/in_und_ausland/politik/aktuell/?em_cnt=1180245

Lobbyarbeit

Dieses Sommerfest wird Ihnen präsentiert von .

VON RICHARD MENG

Sommerfest des Landes Niedersachsen? Das auch. Aber wer so stolz ist, keinen Cent öffentliche Mittel für den Event in Berlin ausgegeben zu haben, hat sich dafür eben eine ganze Sponsorenparade eingehandelt. Die Currywurst kommt von Air Berlin. Das halbe Huhn von einem Großvermarkter. Der Weinstand von der "Südlichen Weinstraße" ist inzwischen schon obligatorisch. Und wer ein paar Tage später das Sommerfest des Bundespräsidenten besucht, muss dort allerlei PR-Stände in Kauf nehmen. Von EADS, Post und so weiter.

Dass auf diese Weise freigiebig Spaß und gute Laune gesponsert werden, ist nicht zuletzt im Sinne des Bundes der Steuerzahler. Dass auf Parteitagen der Parlamentsparteien Getränkefirmen die Journalisten verköstigen und bis vor kurzem auch die Zigarettenlobby, ist schon länger üblich. Vom riesigen Pressezentrum beim G8-Gipfel in Heiligendamm ganz zu schweigen. Aber noch etwas kritischer ist Sponsoring zu betrachten, wenn es direkt mit politischen Aktivitäten des Staates verknüpft wird. Und auch da gibt es inzwischen kaum mehr die alten Hemmschwellen.

49,7 Millionen Euro Sponsorengeld gab es binnen zwei Jahren für das Bundesgesundheitsministerium. 133 000 Euro waren es allein für den Hightech-Gipfel des Kanzleramtes Ende 2006. Das Jahrestreffen "Wirtschaft und Politik" des Finanzministeriums wurde mit freundlicher Unterstützung der Deutschen Telekom ausgerichtet. 193 000 Euro stark. Das Auswärtige Amt griff bei Sachleistungen der Pharmabranche im Wert von 50 000 Euro zu. Für den guten Zweck Impf-Symposium.

Die Zahlen stammen aus dem neuesten Sponsoring-Bericht des Innenressorts.  Die Beamten haben auch dafür inzwischen eine Verwaltungsvorschrift: Ab 5000 Euro müssen die Namen der Sponsoren in dem Bericht erscheinen.

Aber die SPD-Abgeordnete Petra Merkel hat im Frühjahr im Bundestag auch schon klargemacht, warum die große Koalition nichts vom Vorschlag der Linkspartei hielt, das Politiksponsoring abzuschaffen. 40 Millionen Euro für die Aids-Aufklärungskampagne der Bundeszentrale für gesundheitliche
 Aufklärung: "Und das wollen Sie nicht mehr zulassen?"

Das sind Gegenfragen, wie sie inzwischen auch bei privaten Finanzspritzen für Schulen und Hochschulen üblich sind. Die einzige Konzession: Transparenz.


3. Aufsatz

http://www.fr-online.de/in_und_ausland/politik/aktuell/?em_cnt=1180246

Gehobene Kontaktaufnahme im Club

Erst ein Anruf, dann eine Verabredung, schließlich die direkte Intervention - die Instrumente der Lobbyisten

VON MICHAEL BERGIUS

Wo die Lobby baggert (FR-Infografik)

Den Anfang macht oft ein Telefonanruf. Die Abgeordnete X oder der Ministerialbeamte Y werden um ein Gespräch gebeten. Man könne sich doch mal ganz informell treffen, so heißt es vom anderen Ende der Leitung, "damit wir Ihnen unseren Standpunkt näherbringen können". So oder ähnlich beginnt die
Kontaktaufnahme eines Verbandes, eines Unternehmens oder einer Gewerkschaft zu den Volksvertretern oder jenen der höheren Bürokratie.

Das Ziel lautet: eine Botschaft in den Apparat einspeisen. Angerufen werden Unzählige. Sie brüten gerade an einem Eckpunktepapier zur Reform des Arzneimittelrechts oder zur Besteuerung von Zweitwohnsitzen. Sie versuchen, politische Verpflichtungen zum Klimaschutz in konkrete Gesetze und
Verordnungen zu gießen oder den Rechtsrahmen für Rauchverbote auszuloten. Die Ansprechpartner werden "genau ausgeguckt", sagt einer, der schon lange dabei ist; welcher Parlamentarier ist im Agrar-, im Gesundheits-, im Finanz- oder im Rechtsausschuss für dieses oder jenes Dossier zuständig?

Der Anbahnung kann ein Ortstermin folgen. Im Café oder im Restaurant. Die gehobene Kontaktaufnahme kann auch in der Parlamentarischen Gesellschaft stattfinden. Bei ihr handelt es sich um einen gediegenen Club in einer entsprechenden Villa zwischen Reichstag und Abgeordnetenhäusern. Wem es
gelingt, einen Volksvertreter als Saal-Paten zu gewinnen, der kann dort einen "parlamentarischen Abend" ausrichten. Am Anfang steht meist ein - überschaubarer - fachlicher Teil, der der Firma A oder dem Verband B Gelegenheit bietet, seine Wünsche oder Sorgen unters Volk zu bringen. Über den späten Ausklang des Abends wird allgemein gerne Stillschweigen gewahrt.

Wenn die legislativen Dinge schon weit gediehen sind, gar drohen, in eine unerwünschte Richtung zu laufen, bietet sich die direkte Intervention weiter oben an: wenn Autokonzerne oder deren Landschaftspfleger den Kanzler anschreiben, um "Sorge" über geplante Abgasnormen zu manifestieren; wenn der Bauernpräsident seinen Minister vor der Kürzung von Subventionen warnt. Die Liste ließe sich fortsetzen.

"Erfolge" der wie auch immer gearteten Beeinflussung lassen sich täglich besichtigen. Zuletzt etwa bei der Gesundheitsreform: Den Apothekern gelang   es, ihnen drohende Höchstpreise für Medikamente abzuschwächen. Die Privatversicherer blieben - auch dank aktiver Hilfe von Unions-Abgeordneten - von größerem Ungemach verschont.

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Copyright © FR-online.de 2007
Dokument erstellt am 26.07.2007 um 17:52:01 Uhr
Letzte Änderung am 26.07.2007 um 19:03:50 Uhr
Erscheinungsdatum 27.07.2007