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Lobbyisten haben das Steinbrück-Konzept kastriert
Die aktuellen Pläne für die Unternehmensteuerreform 2008
sind unsozial und machen das Steuerrecht noch komplizierter als es
heute schon ist
Unternehmensgewinne sollen künftig mit gut 25 Prozent besteuert
werden, private Kapital- erträge mit maximal 25 Prozent. Nur die
Löhne werden weiterhin mit bis zu 42 Prozent besteuert. Und die
Steuerlöcher von jährlich über zehn Milliarden Euro
werden durch die Einnahmen aus der Mehrwertsteuer gestopft.
VON LORENZ JARASS
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Der Autor
Lorenz Jarass ist
Professor an der Applied Sciences Wiesbaden. 1998 bis 2000 war er
Mitglied der Kommission zur Reform der Unternehmensbesteuerung, die die
Grundlagen für die deutsche Steuerreform im Zeitraum 2001 bis 2005
legte. 2002 bis 2003 war er Mitglied des wissenschaftlichen Beirats der
Kommission zur Reform der Gemeindefinanzen. Bei einer Anhörung im
Finanzausschuss des Bundestags trägt er am kommenden Mittwoch
seine hier dargelegten Thesen vor. ber
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Die für 2008 beschlossene Unternehmenssteuerreform wird
- wie in 2001 - zu massiven Steuerausfällen führen und
die bestehenden strukturellen Probleme: steuerliche Subventionierung
des Arbeitsplatzexports und der Zerschlagung inländischer Firmen,
nicht angehen. Die resultierenden massiven Steuerausfälle bezahlen
Arbeitnehmer, Rentner und das Gewerbe durch die erhöhte
Mehrwertsteuer.
Die Bundesregierung hatte im Juli 2006 zwar die Senkung des
Steuersatzes festgeklopft, aber es wurde parallel nur ein Wunschkatalog
an Maßnahmen niedergeschrieben, wie die
teuervermeidungsmöglichkeiten reduziert werden könnten, um
eine Gegenfinanzierung der Steuersatzsenkung sicherzustellen. Das war
der entscheidende politik-strategische Fehler: Warum sollten die
Wirtschaft und ihre Interessenvertreter in Parlament und Regierung
später Maßnahmen zur Gegenfinanzierung zustimmen, wenn der
gesenkte Steuersatz schon sicher ist? Das ist wie beim
Weihnachtssingen: Wenn die Kinder ihre Geschenke schon haben, wollen
sie nicht mehr singen.
Feind des Kaufmanns
Die neue Bundesregierung hofft, dass allgemeine Steuersatzsenkungen
automatisch mittelfristig zu Steuermehreinnahmen in Deutschland
führen. Aber warum sollte ein Unternehmen, das derzeit ganz legal
in Deutschland erwirtschaftete Erträge in Irland mit 12,5Prozent
versteuert, bei einer Senkung des deutschen Steuersatzes diese
Erträge plötzlich in Deutschland versteuern? Denn wenn man
Körperschaft- und Gewerbesteuer zusammenzählt, dann erreicht
der offizielle Satz auch nach der Reform noch immer knapp 30 Prozent.
Unter diesen Bedingungen werden Gewinne nur in Deutschland versteuert,
wenn sie nicht mehr ins Ausland verschoben werden können.
Ursprünglich hatte Finanzminister Steinbrück ein sinnvolles
Konzept: So schlug er noch im Mai 2006 eine hälftige Begrenzung
der steuerlichen Absetzbarkeit von Finanzierungsaufwendungen vor. Vom
Bruttoertrag wäre dann nur noch die Hälfte der
Zinsaufwendungen steuerlich abzugsfähig gewesen, die aggressive
Fremdfinanzierung von equity und hedge fonds wäre steuerlich nicht
mehr so stark belohnt worden. Doch diese dringend erforderliche und
einfach umzusetzende steuerliche Begrenzung wurde auf Druck der
Wirtschaftsverbände und der CDU/CSU-Bundestagsfraktion bis zur
Unkenntlichkeit kastriert.
Stattdessen wurde die so genannte "Zinsschranke" erfunden. Diesem Tiger
wurden aber von der CDU/CSU-Bundestagsfraktion durch eine Reihe von
Ausnahmeklauseln die meisten Zähne gezogen, equity und hedge
fonds, deren aggressive Fremdfinanzierungen eigentlich beschränkt
werden sollten, sowie der Großteil der im Ausland residierenden
Firmen können nun die Zinsschranke aushebeln. Betroffen sind -
wenn überhaupt - letztlich nur in Deutschland residierende
mittlere und größere Konzerne, die zum Großteil
eigentlich gar nicht Ziel der Zinsschranke waren. Auch diese
Unternehmen wird man deshalb im weiteren Gesetzgebungsverfahren Schritt
für Schritt ausnehmen, letztlich wird dann fast niemand mehr
betroffen sein. Gewinnverschiebung, Arbeitsplatzexport und Heuschrecken
werden damit weiter vom deutschen Fiskus steuerlich begünstigt.
Die vorgesehene Verschlechterung der Abschreibungsbedingungen ist die
widersinnigste Form der Gegenfinanzierung: Sie führt nur zu einem
Vorziehen von Steuereinnahmen und es werden ausschließlich
diejenigen belastet, die in Deutschland real investieren und
Arbeitsplätze schaffen, indem sie z.B. Hallen bauen und Maschinen
installieren. Übrigens: Die Wirtschaft stimmte den
Abschreibungsverschlechterungen zu, weil sie erwartet, dass beim
nächsten Wirtschaftsabschwung die alten
Abschreibungserleichterungen wieder eingeführt werden.
Auferstehung des Kirchhof-Models
Das ohnehin schon extrem komplizierte deutsche Unternehmenssteuerrecht
wird noch komplizierter. Die vielen neuen Wahlmöglichkeiten
ermöglichen ganz neue Steuervermeidungen und sind zusammen mit den
vielen neuen Einzelfallregelungen ein Beschäftigungsprogramm
für Steuerberater.
Einführung einer Abgeltungssteuer auf private Kapitalerträge:
Warum sollte ein Deutscher, der derzeit seine Zinsen (illegal)
steuerfrei in der Schweiz einstreicht, plötzlich die Erträge
in Deutschland versteuern, bloß weil der Steuersatz von maximal
42 Prozent auf nun maximal 25 Prozent gesenkt wird? Das geschieht doch
nur, wenn gleichzeitig massive Maßnahmen gegen Steuerbetrug
ergriffen werden und - wie in den USA - alle Informationsquellen zur
Risikoerhöhung für Steuerhinterzieher genutzt werden; die
Bundesregierung hingegen will zukünftig alle Kontrollmitteilungen
abschaffen. Damit entpuppt sich die Abgeltungssteuer als reine
Steuersatzsenkung ohne weitere Anreize zur Erhöhung der
Steuerehrlichkeit.
Im Herbst 2005 haben die Wähler gegen das 25-Prozent-Modell des
Heidelberger Professors Paul Kirchhof rebelliert und er wurde deshalb
von der politischen Bühne entfernt. Hinreichend lange vor der
nächsten Bundestagswahl haben die Wähler keine Macht, das
25-Prozent-Modell wird nun umgesetzt, aber - in einem ersten Schritt -
nur für Unternehmer und Sparer:
- Einbehaltene Unternehmensgewinne werden zukünftig mit gut 25
Prozent besteuert, private Kapitalerträge mit maximal 25 Prozent.
- Nur noch Löhne werden dann mit bis zu 42 Prozent besteuert, die
höhere Mehrwertsteuer finanziert die resultierenden massiven
Steuerausfälle.
Damit ist die weitere Entwicklung vorgezeichnet: Auch für die
Arbeitnehmer werden im nächsten Schritt die
Spitzensteuersätze gesenkt, die daraus resultierenden
Steuerausfälle wird man wieder durch Erhöhung der indirekten
Steuern und durch massive Kürzungen bei Arbeitslosen und Rentnern
gegenfinanzieren.
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Dokument erstellt am 22.04.2007 um 16:24:02 Uhr
Erscheinungsdatum 23.04.2007