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Oberhessische Zeitung Leserbriefe Donnerstag, 14. Februar 2002 • Seite 10

„Nicht in fremde Hände"

Betrifft: Wasserversorgung Grebenau

Mit Befremden beobachte ich als Bürger der Großgemeinde Grebenau das politische Handeln von Bürgermeister Jürgen Ackermann in den letzten Monaten, besonders sein derzeitiges Vorgehen im Zusammenhang mit der von ihm gewünschten und forcierten Verpachtung unserer Wasserversorgung an die OVAG. Sein Vorgehen in dieser Angelegenheit ist für mein Dafürhalten höchst undemokratisch.

So hat er dieses Problem bis zur Bürgerversammlung am 22. Januar in Udenhausen weitgehend unter der Decke gehalten. Seine Entrüstung über die mangelnde Beteiligung der Bürger der Großgemeinde an dieser Veranstaltung und sein daraus abgeleitetes Desinteresse der Bevölkerung war eine gekonnte schauspielerische Leistung.

Seine miserable Informationspolitik zu dieser Angelegenheit war der Grund. Selbst die Informationsmaterialien der OVAG und die Musterverträge - ich hatte sie mir bereits besorgt - waren bis zu diesem Termin weder bei den Magistratsmitgliedern noch bei den Stadtverordneten im Umlauf, wie er mir an diesem Abend bestätigte.

Diese Tatsache belegt meine Annahme, dass er von Beteiligung der Öffentlichkeit nicht viel hält, besonders aber auch seine schroff ablehnende Reaktion auf die Ankündigung eines Bürgerbegehrens, das die FWG für den Fall eines Beschlusses für die Verpachtung der Wasserversorgung durch das Stadtparlament einleiten will. Übrigens kann ein Bürgermeister nach der Hessischen Gemeindeordnung ein Bürgerbegehren nicht ablehnen.

Bisher konnte er sich erfreulicherweise mit seinem Vorhaben nicht durchsetzen. Kritische Bürger brachten ihn und Herrn Lipphardt, den Direktor der OVAG, bei der Bürgerversammlung stark in Bedrängnis. Auch die drei leitenden Angestellten der OVAG, die er zur Haupt- und Finanzausschusssitzung am Dienstag der letzten Woche eingeladen hatte, konnten die Kritiker in diesem Gremium nicht überzeugen, wie ich als Besucher der Sitzung feststellen konnte.

Ich gehe davon aus, dass den Bürgermeister die Möglichkeit lockt, die Forderungen aus dem Pachtvertrag mit der
OVAG durch ein so genanntes „Factoring" an ein Kreditinstitut zu verkaufen, was eine neue Art der Verschuldung und nur ein kurzfristiger Vorteil wäre. Die schwierige Finanzlage der Gemeinde Grebenau wäre damit sicherlich nicht behoben. Dies gilt auch für ein „Factoring" einer möglichen Konzessionsabgabe. Am Ende der Laufzeit des Pachtvertrages (in den Musterverträgen 30 Jahre) würde der Wasserbetrieb an Grebenau zurückgehen. Hat die OVAG Erweite-rungs- und Ersatzinvestitionen geleistet, ist Grebenau verpflichtet, der OVAG den Restbuchwert dieser Maßnahmen zu erstatten.
Wenn die Anlagen aus Gewinnstreben auf Verschleiß gefahren worden sind, hat die Kommune sowieso das Nachsehen. Die Leidtragenden sind auf jeden Fall unsere Kinder und Kindeskinder.

Bei einer Verpachtung der Wasserversorgung würde der aus sieben Mitgliedern bestehende Vorstand des Zweckverbandes Oberhessische Versorgungsbetriebe (ZOV) - der Zweckverband hält über eine Holdinggesellschaft alle Anteile an der OVAG - den Wasserpreis festlegen, die Gestaltung der Wasserpreise läge dann nicht mehr in Grebenauer Hand.

Wer sagt uns, dass nicht eines Tages die OVAG privatisiert wird? Dem Bürgermeister ist sicherlich nicht entgangen, dass der Kampf von Großkonzernen um Wasserrechte bereits voll entbrannt ist. Bei der Energie-Aktiengesellschaft Mitteldeutschland (EAM) hält Eon bereits 46 Prozent der Aktien. Eons Tochter Gelsenwasser ist bei dem heißen Kampf der Multis um den deutschen Wassermarkt beteiligt, denn es geht um ein Milliardengeschäft.

Bei Eintreten eines solchen nicht auszuschließenden Falles wäre dies gleichbedeutend mit der Umwandlung von Wasser in möglichst viel Geld. Wasser würde nicht mehr als wichtigstes und kostbarstes Lebensmittel sondern als x-beliebige Handelsware verstanden. Diese Entwicklung beginnend mit der OVAG, die seit geraumer Zeit nicht mehr der Vereinigung kommunaler Arbeitgeber, sondern der Arbeitgebervereinigung energiewirtschaftlicher Unternehmen e.V. angehört, ein nicht unerheblicher Schritt in Richtung Privatisierung - dürfte nicht im Interesse der Bürger von Grebenau und auch nicht in Ackermanns Interesse liegen, es sei denn, er plant mit diesem Schritt eine eigene Karriere nach seiner Bürgermeisterzeit in Grebenau.

Posten gibt es genügend -.egal wie die Entwicklung läuft. Herr Lipphardt ist ein Beispiel - er gab sein Amt als direkt gewählter Landrat während der vergangenen Legislaturperiode für einen lukrativeren Job bei der OVAG auf.

Die Wasserversorgung unserer Großgemeinde ist auf unsere Größe zugeschnitten. Unsere Anlagen sind dank der örtlichen Wartung zum großen Teil gut in Schuss - Versäumnisse der letzten zehn Jahre hat Bürgermeister Ackermann zu verantworten. Unser Wasser ist qualitativ sehr gut. Die Versorgung ist langfristig gesichert. Es gibt aus der Sicht der Bürgerinnen und Bürger in Grebenau, wie ich meine, keinen stichhaltigen Grund, die Wasserversorgung in fremde Hände zu geben.

Artikel 28 des Grundgesetzes garantiert den Ge neinden das Recht, alle Angelegenhe Jen der örtlichen Gemein-
;r Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Von daher ist die Versorgung der Einwohner mit Trinkwasser - dem wichtigsten Lebensmittel überhaupt - die vornehmste und originärste Aufgabe der Gemeinde und muss auch in Zukunft die Aufgabe der Kommune bleiben.

Hans-Georg Bodien, Finkenrain 3, Grebenau