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2 Vertreter von Attac Deutschland (Rüdiger Heescher und Simone Heyers) nahmen an dieser internationalen Konferenz teil. Hier ihr kurzer Bericht vom 04.11.2006

Kurze Zusammenfassung zu der Konferenz ”Convention internationale des collectives locales pour la promotion des public services” in Genf am 28.10. und 29.10.2006


Vorangestellt: Die Konferenz wurde unter anderem auch von der Friedrich Ebert Stiftung unterstützt und finanziert. Allerdings haben wir (auch auf Anfrage ) niemanden von der Friedrich Ebert Stiftung antreffen können. Aus Deutschland waren daher nur Simone Heyers und Rüdiger Heescher als Attac-Vertreter dort. Aus Österreich waren auch nur zwei Vertreterinnen von attac Österreich dort: Brigitte Kratzwald und Alexandra Strickner, wobei letztere auch in anderer Funktion dort war und primär in jener Funktion auftrat. Es wäre sicherlich gut gewesen, wenn von deutscher Seite noch andere Vertreter von anderen Organisationen, vor allem Gewerkschaften anwesend gewesen wären, so wie es auch vor allem aus francophonen und englischsprachigen Ländern der Fall war.

Die Konferenz wurde mit Simultandolmetschern in französisch, englisch und italienisch, teilweise auch in deutsch und spanisch begleitet. Aus finanziellen Gründen wurde der Dolmetscherdienst kostenlos angeboten, was sich auf die Qualität der Übersetzung stark auswirkte, zumal diese aus der Sache heraus auf sehr hohem Fachniveau abgehalten wurde. Die primäre Sprache war französisch, da es sich um eine maßgeblich von Frankreich ausgehende Initiative französischer Kommunen handelte, die maßgebliche Organisation von attac Schweiz (Genf) sowie attac Frankreich ausging und die weiteren Vortragenden entsprechend stark aus dem französischsprechenden Raum (Belgien, Kanada etc.) rekrutiert wurden.

Trotzdem war es insgesamt tatsächlich eine internationale Konferenz, die vor allem Vertreter der Gewerkschaften, attac und entsprechenden NGOs mit speziellen Interessen wie zum Beispiel Wasser oder Wissensfreiheit/Allmende oder auch Organsiationen die sich mit Korruption (Libera Internationale – italienische NGO im Kampf gegen die Mafia) zusammengebracht hat. Daneben gab viele BürgermeisterInnen sowie städtische Abgeordnete “gatsfreier Städte”. Weitere VertreterInnen kamen von der ministerialen Ebene (Belgien – Christian Valenduc und Pierre Verbeeren) bis hin zu europäischen Parlamentsebene.

Die Begrüssungsrede hat der Bürgermeister von Genf Andre Hediger gehalten. Genf gehört dabei zu den Städten, die sich neben Basel und Zürich in der Schweiz zu GATSfreien Städten erklärt haben.

Es folgten weitere Begrüssungsreden und schon sehr inhaltliche Beschreibungen von dem Wesen der globalen Liberalisierung und Privatisierung von öffentlichen Dienstleistungen aus mehreren Perspektiven.

Einen Rundumschlag machte Maurice Chauvet aus Frankreich und leitete die Konferenz inhaltlich ein mit Thesen, die mit denen aus unserer GATS-Kampagne vollkommen übereinstimmen..

Eine kurze Analyse zu Liberalisierung und Demokratieabbau machte Francois Houtart aus Belgien, der auch Mitglied des Rates im Weltsozialforum ist.

Dann trat ein sehr engagierter Kämpfer als Redner aus den Gewerkschaften in Neuseeland auf – Mike Waghorne – der hier als Generalsekretär der Internationale der öffentlichen Dienste auftrat. Er ging auf die Gewerkschaften ein als die wichtigsten Player gegen GATS und die WTO.

Von Libera Internationale war es dann Francesca Rispoli, die sich sehr ausführlich zu Privatisierung in öffentlichen Diensten und der Korruption und mafiösen Strukturen ausgelassen hat aus eigenen Erfahrungen in Italien mit der Mafia, was sehr an Trineken in Köln erinnerte aber auch noch weitere Vorgänge beschrieb, wie in Italien die Stadtwerke als Geldwaschanlagen genutzt werden.

Zum Schluss der Einführung sprach Pierre Verbeeren aus Belgien über Bildung und GATS. Seine Ausführungen passten insgesamt allerdings nicht ganz in das Konzept der Veranstaltung.

Während der ganzen Konferenz gab es drei Schwerpunkte, die in Workshops behandelt wurden.

Der Erste Workshop handelte von der Neudefinition der öffentlichen Dienstleistungen als Antwort auf die sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Herausforderungen. Die Fragestellungen hierzu waren:

Warum und wie müssen bestimmte Bereiche wieder in die Logik der öffentlichen Umverteilung integriert werden?
Warum und wie muss der Begriff öffentliche Dienstleistungen neu definiert werden, gleichermassen universell sein und den lokalen Bedingungen entsprechen?

Hierzu wurde unter anderem von einem englischen Gewerkschafter von ”public services internationale” aus dem Plenum etwas Interessantes gesagt, was ich hier mal einbringen möchte:

Er sagte, dass man nicht über Alternativen sprechen sollte, sondern über politische Lösungen, weil der Neoliberalismus sich andauernd anpasst und so eher eine Möglichkeit wäre, mit guten Konzepten auch im Neoliberalismus dem entgegenzuwirken. Wenn man nur in politischen Auseinandersetzungen über Alternativen spricht, dann wird es als etwas angesehen, was nicht eine bessere Lösung darstellt, sondern als Gegenideologie zu der vorherrschenden Ideologie.

Der zweite Workshop (an welchem wir teilgenommen haben) handelte von einer gerechten Besteuerung und effizienten Umverteilung zur Stärkung der öffentlichen Finanzen.

Die Fragestellungen waren hier:

Die öffentliche Hand sollte eine regulierende Funktion ausüben und dem Ausufern spekulativer Märkte mittels einer ausgewogenen Verteilung der Reichtümer entgegenwirken. Ist die Frage nach einer effizienten Umverteilung mittels einer gerechten Besteuerung, durch welche die für die öffentliche Finanzierung der Sozialausgaben und der Ko-Entwicklung notwendigen Rescourcen freigesetzt werden, unumgänglich?

Kann auf dem Boden einer sozial-ökonomischen Ordnung, welche alles der Konkurrenz opfert, eine solidarische Gesellschaft in einer solidarischen Welt überhaupt etabliert werden?

Muss auf die Handlungsinstrumente Besteuerung, Kreditmittel und öffentliche Dienstlsietungen  verzichtet werden, zu Lasten der sozialen und wirtschaftlichen Investitionen?

Welche Instrumente sind einzusetzen, welche Methoden?

Hierzu wurde vor allem vorgeschlagen ein ”Tax package” einzusetzen, welches auf globaler Ebene erhoben wird und für die öffentliche Daseinsvorsorge eingesetzt wird. Dieses ”Tax package” würde vor allem aus dem Verbraucherbereich entnommen werden, wie die Kerosin Steuer und auch der ”Custom Duties Tax” um vor allem Kinderarbeit aus Indien und anderen Ländern zu verhindern. Es hat etwas von einer Mehrwertsteuer mit Zollfunktion, wie es sich Götz Werner vorstellt. Dieser Vorschlag kam von Christian Valenduc aus Belgien und wurde sehr wohlwollend diskutiert.

Der dritte Workshop handelte von der Möglichkeit, die neoliberale Logik des GATS auszuhebeln durch Demokratie als Werkzeug. Die These war, dass die Ablehnung öffentlicher Dienstleistungen einhergeht mit der Ablehnung der Demokratie.

Diskutiert und vorgestellt wurde hier vor allem das partizipative Budget und Bürgerhaushalt. Aus der Vorstellung dieses Workshops ging hervor, dass es sich um die Vorstellung von Konzepten wie in Porto Alegre und auch anderen Beispielen handelte.

Am Ende des ersten Tages der Konferenz wurde versucht eine gemeinsame Erklärung zu finden. Hierzu wurde ein bereits vorbereiterer Text als Diskussionsgrundlage vorgelegt. Neben dem französischen Haupttext gab es auch eine englische und eine deutsche Übersetzung, allerdings eher als grobe Orientierungshilfe denn als ernstzunehmender Text. Ein ursprünglich aus Hamburg stammendes Paar von attac Frankreich hat sich angeboten, den endgültigen (französischen) Text ins Deutsche zu übersetzen. Eine offizielle deutsche oder englische Textversion ist nicht vorgesehen.

Bei der (sich demnach auf den französischen Text beziehenden) Diskussion ergab sich, dass sich bereits im Passus “Gegen das GATS” nicht alle teilnehmenden Organisationen wiederfinden konnten. Diese wird daher wohl gestrichen werden. Der Text selbst sei in dieser Hinsicht hinreichend klarstellend. Gerade die weitere Diskussion auch über Begrifflichkeiten in der Übersetzung zeigte, dass die kulturelle Einbettung sich gerade auch in der Sprache zeigt und einige wichtige Begrifflichkeiten wie zum Beispiel der Begriff des “Wohlfahrtstaates” in Norwegen eine sehr klare Bedeutung hat, wohingegen er im Französischen gar nicht existiert. Die Diskussion wurde nach eineinhalb Stunden mit überwiegend im Ausdruck bestehenden Änderungen in die Arbeitsgruppe zurückgegeben. Nach Erhalt der Endfassung werden wir diese sowie die übersetzte Erklärung weiterleiten.

Der nächste Tag war der praktischen Erfahrung gewidmet. Er begann nach der Einführungsrede des Bürgermeisters von Seine-Saint-Denis Hervé Bramy mit einem sehr engagierten Bericht des Leiters der größten privaten Wasserwerke Italiens, Ricardo Petrella. Diese Rede wird in Auszügen ebenfalls in die Abschlusserklärung einfließen. Von attac Finnland sprach der Bibliothekar Mikael Book, der die Aufgabe von EBLIDA (http://www.eblida.org/events/index.htm ) darstellte und insgesamt die Wichtigkeit hervorhob, dass das in Bibliotheken aufbewahrte Wissen sowie auch der Zugang zum Internet weiterhin frei zugänglich ist.

In der folgenden Diskussion wurden weitere Projekte, zum Beispiel die AMECE (World Water Assembly of Elected Citizens), die sich vom 18. bis zum 20. März 2007 in Brüssel trifft, vorgestellt.

Die Tagung war dem verstorbenen Bürgermeister von Bobigny, Bernard Birsinger, gewidmet, welcher bei den (französchischen) Vortragenden nach wie vor ein sehr hohes Ansehen geniesst und dessen Tod sowohl menschlich als auch fachliche eine starke Lücke hinterlässt. Die stellvertretende Bürgermeisterin von Maire d’Aubagne, Marie-Claire Bonomo, die den dritten Workshop einführte, war bei ihrer Rede auch sichtlich aufgewühlt. Die emotionale Beteiligung, der Ausdruck von Visionen, die Beschreibung von Vorstellungen und Werten war ohnehin ein in weiten Teilen begleitender Eindruck, den viele RednerInnen hinterlassen haben. Weder also Lippenbekenntnisse noch ein schnödes Aufspringen auf einen gerade “hippen” Zug, sondern echte innere Verankerung der hinter den in Angriff genommenen Projekte stehenden Ideen.

Die schmale Präsenz Deutschlands (Gewerkschaften, Netzwerk PPG) wurde übrigens mehrfach angemerkt. Wenn auch die starke Ausrichtung auf französische Kommunen einen direkten Vergleich resp. eine konkrete Zusammenarbeit “vor Ort” nicht gerade einfach macht, da die insbesondere die staatlichen Systeme nicht direkt vergleichbar sind, so sind Netzwerke und der Erfahrungsaustausch sicherlich in mehrerlei Hinsicht sinnvoll. Denn zum einen nimmt der Einfluss der Europäischen Union mehr und mehr zu, so dass sich auch die Maßnahmen auf kommunaler Ebene angleichen werden. Außerdem haben wir die Erfahrung gemacht, dass hier deutsche Ideen und Umsetzungen durchaus gefragt sind, sei es die Erfahrung mit Bürgerentschieden, die Umsetzung von Genossenschaftsmodellen, die Besteuerungsmodelle von Eigenbetrieben etc.. Allerdings ist anzumerken, dass der Austausch auf einer sehr hohen fachlichen Ebene stattfindet, und vorgestellte Projekte und Maßnahmen sich nicht auf eine politische Betrachtung beschränken. Aber es wäre sicherlich eine Möglichkeit, attac wieder mit interessanten und erfolgversprechenden Themen zur kommunalen Daseinsvorsorge ins Gespräch zu bringen.

Uns hat es jedenfalls sehr gefallen.


Rüdiger und Simone