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2 Vertreter von Attac Deutschland (Rüdiger Heescher und Simone
Heyers) nahmen an dieser internationalen Konferenz teil. Hier ihr
kurzer Bericht vom 04.11.2006
Vorangestellt: Die Konferenz wurde unter anderem auch von der Friedrich
Ebert Stiftung unterstützt und finanziert. Allerdings haben wir (auch auf
Anfrage ) niemanden von der Friedrich Ebert Stiftung antreffen können. Aus
Deutschland waren daher nur Simone Heyers und Rüdiger Heescher als
Attac-Vertreter dort. Aus Österreich waren auch nur zwei Vertreterinnen von
attac Österreich dort: Brigitte Kratzwald und Alexandra Strickner, wobei
letztere auch in anderer Funktion dort war und primär in jener Funktion
auftrat. Es wäre sicherlich gut gewesen, wenn von deutscher Seite noch andere
Vertreter von anderen Organisationen, vor allem Gewerkschaften anwesend gewesen
wären, so wie es auch vor allem aus francophonen und englischsprachigen Ländern
der Fall war.
Die Konferenz wurde mit Simultandolmetschern in französisch, englisch und
italienisch, teilweise auch in deutsch und spanisch begleitet. Aus finanziellen
Gründen wurde der Dolmetscherdienst kostenlos angeboten, was sich auf die
Qualität der Übersetzung stark auswirkte, zumal diese aus der Sache heraus auf
sehr hohem Fachniveau abgehalten wurde. Die primäre Sprache war französisch, da
es sich um eine maßgeblich von Frankreich ausgehende Initiative französischer
Kommunen handelte, die maßgebliche Organisation von attac Schweiz (Genf) sowie
attac Frankreich ausging und die weiteren Vortragenden entsprechend stark aus
dem französischsprechenden Raum (Belgien, Kanada etc.) rekrutiert wurden.
Trotzdem war es insgesamt tatsächlich eine internationale Konferenz, die vor
allem Vertreter der Gewerkschaften, attac und entsprechenden NGOs mit
speziellen Interessen wie zum Beispiel Wasser oder Wissensfreiheit/Allmende
oder auch Organsiationen die sich mit Korruption (Libera Internationale –
italienische NGO im Kampf gegen die Mafia) zusammengebracht hat. Daneben gab
viele BürgermeisterInnen sowie städtische Abgeordnete “gatsfreier Städte”.
Weitere VertreterInnen kamen von der ministerialen Ebene (Belgien –
Christian Valenduc und Pierre Verbeeren) bis hin zu europäischen
Parlamentsebene.
Die Begrüssungsrede hat der Bürgermeister von Genf Andre Hediger gehalten. Genf
gehört dabei zu den Städten, die sich neben Basel und Zürich in der Schweiz zu
GATSfreien Städten erklärt haben.
Es folgten weitere Begrüssungsreden und schon sehr inhaltliche Beschreibungen
von dem Wesen der globalen Liberalisierung und Privatisierung von öffentlichen
Dienstleistungen aus mehreren Perspektiven.
Einen Rundumschlag machte Maurice Chauvet aus Frankreich und leitete die
Konferenz inhaltlich ein mit Thesen, die mit denen aus unserer GATS-Kampagne
vollkommen übereinstimmen..
Eine kurze Analyse zu Liberalisierung und Demokratieabbau machte Francois
Houtart aus Belgien, der auch Mitglied des Rates im Weltsozialforum ist.
Dann trat ein sehr engagierter Kämpfer als Redner aus den Gewerkschaften in
Neuseeland auf – Mike Waghorne – der hier als Generalsekretär der
Internationale der öffentlichen Dienste auftrat. Er ging auf die Gewerkschaften
ein als die wichtigsten Player gegen GATS und die WTO.
Von Libera Internationale war es dann Francesca Rispoli, die sich sehr
ausführlich zu Privatisierung in öffentlichen Diensten und der Korruption und
mafiösen Strukturen ausgelassen hat aus eigenen Erfahrungen in Italien mit der
Mafia, was sehr an Trineken in Köln erinnerte aber auch noch weitere Vorgänge
beschrieb, wie in Italien die Stadtwerke als Geldwaschanlagen genutzt werden.
Zum Schluss der Einführung sprach Pierre Verbeeren aus Belgien über Bildung und
GATS. Seine Ausführungen passten insgesamt allerdings nicht ganz in das Konzept
der Veranstaltung.
Während der ganzen Konferenz gab es drei Schwerpunkte, die in Workshops
behandelt wurden.
Der Erste Workshop handelte von der Neudefinition der öffentlichen
Dienstleistungen als Antwort auf die sozialen, wirtschaftlichen und
ökologischen Herausforderungen. Die Fragestellungen hierzu waren:
Warum und wie müssen bestimmte Bereiche wieder in die Logik der öffentlichen
Umverteilung integriert werden?
Warum und wie muss der Begriff öffentliche Dienstleistungen neu definiert
werden, gleichermassen universell sein und den lokalen Bedingungen entsprechen?
Hierzu wurde unter anderem von einem englischen Gewerkschafter von
”public services internationale” aus dem Plenum etwas Interessantes
gesagt, was ich hier mal einbringen möchte:
Er sagte, dass man nicht über Alternativen sprechen sollte, sondern über
politische Lösungen, weil der Neoliberalismus sich andauernd anpasst und so
eher eine Möglichkeit wäre, mit guten Konzepten auch im Neoliberalismus dem
entgegenzuwirken. Wenn man nur in politischen Auseinandersetzungen über
Alternativen spricht, dann wird es als etwas angesehen, was nicht eine bessere
Lösung darstellt, sondern als Gegenideologie zu der vorherrschenden Ideologie.
Der zweite Workshop (an welchem wir teilgenommen haben) handelte von
einer gerechten Besteuerung und effizienten Umverteilung zur Stärkung der
öffentlichen Finanzen.
Die Fragestellungen waren hier:
Die öffentliche Hand sollte eine regulierende Funktion ausüben und dem Ausufern
spekulativer Märkte mittels einer ausgewogenen Verteilung der Reichtümer
entgegenwirken. Ist die Frage nach einer effizienten Umverteilung mittels einer
gerechten Besteuerung, durch welche die für die öffentliche Finanzierung der
Sozialausgaben und der Ko-Entwicklung notwendigen Rescourcen freigesetzt
werden, unumgänglich?
Kann auf dem Boden einer sozial-ökonomischen Ordnung, welche alles der
Konkurrenz opfert, eine solidarische Gesellschaft in einer solidarischen Welt
überhaupt etabliert werden?
Muss auf die Handlungsinstrumente Besteuerung, Kreditmittel und öffentliche
Dienstlsietungen verzichtet werden, zu Lasten der sozialen und
wirtschaftlichen Investitionen?
Welche Instrumente sind einzusetzen, welche Methoden?
Hierzu wurde vor allem vorgeschlagen ein ”Tax package” einzusetzen,
welches auf globaler Ebene erhoben wird und für die öffentliche Daseinsvorsorge
eingesetzt wird. Dieses ”Tax package” würde vor allem aus dem
Verbraucherbereich entnommen werden, wie die Kerosin Steuer und auch der
”Custom Duties Tax” um vor allem Kinderarbeit aus Indien und
anderen Ländern zu verhindern. Es hat etwas von einer Mehrwertsteuer mit
Zollfunktion, wie es sich Götz Werner vorstellt. Dieser Vorschlag kam von
Christian Valenduc aus Belgien und wurde sehr wohlwollend diskutiert.
Der dritte Workshop handelte von der Möglichkeit, die neoliberale Logik
des GATS auszuhebeln durch Demokratie als Werkzeug. Die These war, dass die
Ablehnung öffentlicher Dienstleistungen einhergeht mit der Ablehnung der
Demokratie.
Diskutiert und vorgestellt wurde hier vor allem das partizipative Budget und
Bürgerhaushalt. Aus der Vorstellung dieses Workshops ging hervor, dass es sich
um die Vorstellung von Konzepten wie in Porto Alegre und auch anderen
Beispielen handelte.
Am Ende des ersten Tages der Konferenz wurde versucht eine gemeinsame Erklärung
zu finden. Hierzu wurde ein bereits vorbereiterer Text als Diskussionsgrundlage
vorgelegt. Neben dem französischen Haupttext gab es auch eine englische und
eine deutsche Übersetzung, allerdings eher als grobe Orientierungshilfe denn
als ernstzunehmender Text. Ein ursprünglich aus Hamburg stammendes Paar von
attac Frankreich hat sich angeboten, den endgültigen (französischen) Text ins
Deutsche zu übersetzen. Eine offizielle deutsche oder englische Textversion ist
nicht vorgesehen.
Bei der (sich demnach auf den französischen Text beziehenden) Diskussion ergab
sich, dass sich bereits im Passus “Gegen das GATS” nicht alle
teilnehmenden Organisationen wiederfinden konnten. Diese wird daher wohl
gestrichen werden. Der Text selbst sei in dieser Hinsicht hinreichend
klarstellend. Gerade die weitere Diskussion auch über Begrifflichkeiten in der
Übersetzung zeigte, dass die kulturelle Einbettung sich gerade auch in der
Sprache zeigt und einige wichtige Begrifflichkeiten wie zum Beispiel der
Begriff des “Wohlfahrtstaates” in Norwegen eine sehr klare
Bedeutung hat, wohingegen er im Französischen gar nicht existiert. Die
Diskussion wurde nach eineinhalb Stunden mit überwiegend im Ausdruck
bestehenden Änderungen in die Arbeitsgruppe zurückgegeben. Nach Erhalt der
Endfassung werden wir diese sowie die übersetzte Erklärung weiterleiten.
Der nächste Tag war der praktischen Erfahrung gewidmet. Er begann nach der
Einführungsrede des Bürgermeisters von Seine-Saint-Denis Hervé Bramy mit einem
sehr engagierten Bericht des Leiters der größten privaten Wasserwerke Italiens,
Ricardo Petrella. Diese Rede wird in Auszügen ebenfalls in die
Abschlusserklärung einfließen. Von attac Finnland sprach der Bibliothekar
Mikael Book, der die Aufgabe von EBLIDA (http://www.eblida.org/events/index.htm
) darstellte und insgesamt die Wichtigkeit hervorhob, dass das in Bibliotheken
aufbewahrte Wissen sowie auch der Zugang zum Internet weiterhin frei zugänglich
ist.
In der folgenden Diskussion wurden weitere Projekte, zum Beispiel die AMECE
(World Water Assembly of Elected Citizens), die sich vom 18. bis zum 20. März
2007 in Brüssel trifft, vorgestellt.
Die Tagung war dem verstorbenen Bürgermeister von Bobigny, Bernard Birsinger,
gewidmet, welcher bei den (französchischen) Vortragenden nach wie vor ein sehr
hohes Ansehen geniesst und dessen Tod sowohl menschlich als auch fachliche eine
starke Lücke hinterlässt. Die stellvertretende Bürgermeisterin von Maire
d’Aubagne, Marie-Claire Bonomo, die den dritten Workshop einführte, war
bei ihrer Rede auch sichtlich aufgewühlt. Die emotionale Beteiligung, der
Ausdruck von Visionen, die Beschreibung von Vorstellungen und Werten war
ohnehin ein in weiten Teilen begleitender Eindruck, den viele RednerInnen
hinterlassen haben. Weder also Lippenbekenntnisse noch ein schnödes Aufspringen
auf einen gerade “hippen” Zug, sondern echte innere Verankerung der
hinter den in Angriff genommenen Projekte stehenden Ideen.
Die schmale Präsenz Deutschlands (Gewerkschaften, Netzwerk PPG) wurde übrigens
mehrfach angemerkt. Wenn auch die starke Ausrichtung auf französische Kommunen
einen direkten Vergleich resp. eine konkrete Zusammenarbeit “vor
Ort” nicht gerade einfach macht, da die insbesondere die staatlichen
Systeme nicht direkt vergleichbar sind, so sind Netzwerke und der
Erfahrungsaustausch sicherlich in mehrerlei Hinsicht sinnvoll. Denn zum einen
nimmt der Einfluss der Europäischen Union mehr und mehr zu, so dass sich auch
die Maßnahmen auf kommunaler Ebene angleichen werden. Außerdem haben wir die
Erfahrung gemacht, dass hier deutsche Ideen und Umsetzungen durchaus gefragt
sind, sei es die Erfahrung mit Bürgerentschieden, die Umsetzung von
Genossenschaftsmodellen, die Besteuerungsmodelle von Eigenbetrieben etc..
Allerdings ist anzumerken, dass der Austausch auf einer sehr hohen fachlichen
Ebene stattfindet, und vorgestellte Projekte und Maßnahmen sich nicht auf eine
politische Betrachtung beschränken. Aber es wäre sicherlich eine Möglichkeit,
attac wieder mit interessanten und erfolgversprechenden Themen zur kommunalen
Daseinsvorsorge ins Gespräch zu bringen.
Uns hat es jedenfalls sehr gefallen.
Rüdiger und Simone