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Kurt der Starke und Basta-Beck

von Winfried Wolf

Um aus dem 25-Prozent-plus-x-Loch der Meinungsumfragen herauszukommen, sollte auf dem SPD-Parteitag  das unsoziale Profil der Partei aufgehübscht, um den enormen personellen Vorsprung der CDU- Kanzlerin abzubauen, sollte in Hamburg das Bühnenstück „Kurt der Starke“ aufgeführt werden. Brav bestätigten die Delegierten Kurt Beck mit 95,5 Prozent als Parteivorsitzenden. Worauf sich dieser fortan durch den Saal wie ein aufgeklärt absolutistischer Weinkönig bewegte. Der Parteitag fasste auch den Beschluss, die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes auf bis zu 24 Monate anzuheben. Jeder im  Kongresszentrum wusste, dass die CDU-Kanzlerin und ihr SPD-Arbeitsminister die unter Gerhard Schröder beschlossene Politik der sozialen Kälte fortsetzen werden.

Nun wurden die Delegierten aufmüpfig – u.a. mit dem Beschluss zur Einführung eines 130-km/h-Tempolimits. Beim zentralen Thema Bahn erlebten Parteiführung und Parteilinke dann eine deutliche  Niederlage. Dabei gab es durchaus eine durchdachte Dramaturgie: Hubertus Heil (Generalsekretär) und Wolfgang Tiefensee (Bundesverkehrsminister) erklärten den Delegierten, dass die Bahn nur als privatisiertes Unternehmen die notwendige Rolle als global player spielen könne. Hermann Scheer  (MdB) und Björn Böhning (Juso-Bundesvorsitzender) plädierten als linker Flankenschutz für die Bahnprivatisierung in Form von stimmrechtslosen Volksaktien – eine Position, der in der Debatte Tiefensee und sogar der Transnet-Chef Norbert Hansen zustimmten. Doch als der ehemalige, langjährige Bundestagsabgeordnete Peter Conradi in seinem ersten Satz mitteilte, er stimme gegen jede Art von Bahnprivatisierung, spendete der Saal befreit den ersten, anhaltenden Applaus. Als der Delegierte ohne jegliche Hausmacht erklärte, das Modell einer Volksaktienbahn öffne die Tür für jede Art Privatisierung, wuchs die Zustimmung. Als er Becks Bekenntnis, „nah an der Bevölkerung“ sein zu wollen, in Verbindung mit den Mehrheiten in der Bevölkerung für eine Bahn in öffentlichem
Eigentum brachte, erhielt er derart langanhaltenden Beifall, dass Norbert Hansen als nächster

Redner peinlich lange stumm am Rednerpult ausharren musste.Nun präsentierte sich der Parteichef statt huldvoll als Basta-Beck: Wer ihn am Tag zuvor gewählt
habe, müsse ihm nun auch vertrauen. Stimme der Koalitionspartner dem Volksaktienmodell nicht zu, werde die neue Situation im Parteivorstand und auf einem neuen Parteitag diskutiert. Die Debatte wurde brüsk abgewürgt und ein Beschluss herbeigeführt.

Nimmt man den Wortlaut der Entscheidung – ein Ja zu einer Teilprivatisierung von 25,1 Prozent in  Form von Volksaktien – so ist diese ausgesprochen zwiespältig. Betrachtet man die Entscheidung im Kontext der übrigen Widersprüche in der Koalition, im Bundesrat und mit dem GDL-Streik, dann  erlitten die Bahnprivatisierer eine weitere Niederlage.
 
Diese wird nur dann wirksam bleiben, wenn die Kampagne gegen die Bahnprivatisierung fortgesetzt wird.