Aktuell
Kosovo
Es droht wieder Krieg
VON THOMAS KRÖTER
Im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen bahnt sich eine scharfe
Konfrontation zwischen Russland und dem Westen an. Moskau lehnte auch
den jüngsten Kompromissvorschlag für eine Resolution
über die Zukunft des Kosovo ab. Wenn es keine international
abgestimmte Lösung gibt, wird immer wahrscheinlicher, dass die
unter UN-Verwaltung stehende serbische Provinz einseitig ihre
Unabhängigkeit erklärt.
Die Bundesregierung fürchtet nach Informationen der Frankfurter
Rundschau, dass die Lage auf dem Balkan dann außer Kontrolle
geraten könnte. Eine Militäraktion der serbischen
Zentralregierung gegen die hauptsächlich von Albanern bewohnte
Region wäre nicht auszuschließen.
"Ich glaube nicht", antwortete der EU-Sonderkoordinator für den
Balkan, Erhard Busek, am Dienstag im Deutschlandfunk auf die Frage, ob
er im UN-Sicherheitsrat noch einen Ausweg sehe. Offenbar setze Russland
darauf, "innerhalb der Europäischen Union und ihren Staaten eine
Differenzierung zu erzielen". Kurz: die EU zu spalten. Es gilt als
sicher, dass die USA ein unabhängiges Kosovo zügig anerkennen
würden. Während Frankreich in diesem Fall wohl der
amerikanischen Haltung zuneigt, ist die Bundesregierung skeptisch und
strebt eine abgestimmte Anerkennungspolitk an.
Berlin befürchtet nach FR-Informationen, dass die etwa 2900
Bundeswehr-Soldaten wie die gesamte Friedenstruppe Kfor dann ohne
internationales Mandat operierten. Denn der ihrem Einsatz zugrunde
liegende Beschluss der UN gilt für die serbische Provinz.
Letztes Angebot
In der Nacht zum Dienstag hatten sich die USA und die anderen Staaten
ein weiteres Stück vom Kosovo-Plan des UN-Vermittlers Martti
Ahtisaari entfernt. Sie gaben als Kompromissangebot den verbindlichen
Zeitplan auf, nach dem das Kosovo auf jeden Fall unabhängig wird,
wenn es der Provinz innerhalb von 120 Tagen nicht gelingen sollte, sich
mit Serbien auf ein einvernehmliches Vorgehen zu einigen. "Wir sind so
weit gegangen, wie wir konnten", sagte der französische
UN-Botschafter Jean-Marc de la Sablière. Russland sieht dagegen
einen "versteckten Automatismus", weil der Westen grundsätzlich an
der Unabhängigkeit des Kosovo festhält.
Bei seinem Besuch in Berlin bekräftigte der serbische
Ministerpräsident Vojislav Kostunica am Dienstag im Gespräch
mit Bundeskanzlerin Angela Merkel die Haltung seiner Regierung. Zuvor
hatte er gewarnt, dass eine Anerkennung des Kosovo die Beziehungen der
betreffenden Staaten zu Serbien "verschlechtern" werde.
Der außenpolitische Sprecher der Union im Bundestag, Eckart von
Klaeden, sage der FR, Russland solle nicht blockieren, "sondern sagen,
wie es sich die Zukunft des Kosovo vorstellt". Die grüne
Außenpolitikerin Marieluise Beck regte ein verstärktes EU-
Engagement an. Sie warnte vor einer " Lösung am Völkerrecht
vorbei", wie sie die USA mit ihrer einseitigen Anerkennungspolitik
vorhätten.
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Copyright © FR-online.de 2007
Dokument erstellt am 17.07.2007 um 17:36:01 Uhr
Letzte Änderung am 17.07.2007 um 21:12:21 Uhr
Erscheinungsdatum 18.07.2007
Kommentar dazu :
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Unterschätzter Kosovo-Konflikt
VON RICHARD MENG
Es ist nicht das erste Mal, dass alle Welt dachte, ein Konflikt sei
entschärft - und dann ging es erst richtig los. Im Kosovo glimmt
wieder die Lunte, weil keine Autonomielösung mehr in Sicht ist,
die international von allen akzeptiert würde. Vor allem, weil
zwischen den USA und Russland - siehe Raketenabwehr - generell wieder
das Misstrauen wächst. So stark, dass Vertrauensvorschüsse
und gemeinsame Sicherheitsgarantien, wie sie für einen
Kosovo-Konsens nötig wären, kaum zu erlangen sind.
Wie mit Ansage suchen die Großmächte ausgerechnet hier die
Machtprobe. Die Europäer, speziell die Deutschen mit ihrem
großen Bundeswehrkontingent im Kosovo, stehen ratlos dazwischen.
Ihre Hoffnung, mit Verlangsamung und Versachlichung des Verfahrens die
Kosovo-Autonomie für Serbien und die Schutzmacht Russland
akzeptabel zu machen, trog.
Falls es jetzt zur Zuspitzung kommt, zur einseitigen
Unabhängigkeitserklärung mit Washingtons Rückendeckung,
wird das auf dem Balkan wieder die Zentrifugalkräfte auf den Plan
rufen. Jede dauerhafte Lösung, irgendwann auch im EU-Rahmen,
wäre zunächst verschüttet. Nur die wichtigsten Partner
von außen können die Nationalisten auf serbischer und
albanischer Seite unter Einigungsdruck setzen - statt sich von ihnen
instrumentalisieren zu lassen. Im Moment erleben wir in diesem
unterschätzten Konflikt Letzteres: Die USA und Russland heizen
zusätzlich an. Deshalb hilft nur Klartext, auch gegenüber
Washington und Moskau.
Die Europäer haben zumindest diesen einen Trumpf: Allein sie
können der Region langfristig eine Perspektive garantieren. Aber
sie müssen sich einmischen, lauter als bisher.
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Dokument erstellt am 17.07.2007 um 17:28:02 Uhr
Letzte Änderung am 17.07.2007 um 21:21:12 Uhr
Erscheinungsdatum 18.07.2007