Neue Westfälische ( Ausgabe Höxter ) vom 21. 10. 1992
Auch die „großen Fische" sollen gefaßt werden
„Gläserne Verwaltung": SPD fordert Akteneinsicht für alle
Kreis Höxter. „Immer mehr Fälle werden bekannt, in denen öffentliche
Verwaltungen sich nicht gesetzeskonform verhalten haben Wasserfall' in
der Stadt Beverungen„ illegale Waffengeschäfte von Bundesbehörden
usw.). Durch ein grundsätzliches Akteneinsichtsrecht für Bürger
mit Zivilcourage können die »großen Fische' des sogenannten
'organisierten Verbrechens' besser bekämpft werden als durch sogenannte
^Lauschangriffen', die letztlich unkontrollierten Geheimdiensten noch größere
Einwirkungsmöglichkeiten geben", so die SPD Höxter.
Sie fordert daher die SPD-Spitze auf, sich gemäß den sozialdemokratischen
Zielsetzungen des neuen Par-teiprogrammes auf dem Gesetzgebungsweg dazu
einzusetzen, daß ein grundsätzliches Akteneinsichtsrecht für
jeden Bürger auf allen staatlichen Ebenen (Kommunen, Länder,
Bund) verwirklicht werde.
Diesen Antrag beschloß auf seiner jüngsten Mitgliederversammlung
der SPD-Ortsverein Höxter. Er werde zum nächsten SPD-Bundesparteitag
eingebracht, um einen ähnlichen, dem Parteitag bereits vorliegenden
Antrag des Ortsvereins zu konkretisieren.
Bei der Einreichung dieses ursprünglichen Antrags auf ein grundsätzliches
Informations- und 'Akteneinsichtsrecht für jeden Bürger bei der
Bundespartei habe man nämlich erfahren, daß diese alte Forderung
der Höxtera-ner SPD der 70er und 80er Jahre Ende 1989 fast wörtlich
in das SPD-Grundsatzprogramm eingegangen sei. Unter der Überschrift
„Demokratie und Öffentlichkeit" sei hierzu lesen:
„Demokratie lebt vom Prinzip Öffentlichkeit. Staat und Verwaltung,
nicht die Bürger, müssen gläsern sein. Die Bürger müssen
den Staat, nicht der Staat die Bürger kontrollieren.
Recht auf Information
Alle müssen das Recht auf Zugang zu Informationen haben, über
Vorgänge, die das Gemeinwesen oder sie selbst betreffen, müssen
Bürgerinnen und Bürger sich kundig machen und ein Urteil bilden
können. Nur dann können sie die Staatsgewalt, die in ihrem Namen
ausgeübt wird, kontrollieren. Daher ist ein gesetzlicher Anspruch
auf Akteneinsicht und Zugang zu öffentlichen Datenbanken zu schaffen,
soweit Datenschutz und begründete Geheimhaltungsinteressen nicht verletzt
werden."
Der Parteivorstand lieferte gleichzeitig die Beschlußunterlagen
mit, aus denen hervorgeht, daß diese programmatische Forderung der
SPD auf die Initiative der Höxteraner SPD zurückzuführen
sei.
Im Wahlprogramm der SPD Schleswig-Holstein befinde sich bereits die
Forderung nach einem Informationsfreiheitsgesetz, welches dieser Zielsetzung
in der laufenden Legislaturperiode Rechnung tragen wolle. In der SPD-Mitgliederversammlung
sei der Antrag begründet worden:
In der Bundesrepublik Deutschland existiere im Gegensatz zu vielen
anderen demokratischen Ländern (USA, skandinavische Länder, Niederlande
usw.) aufgrund der langen obrigkeitsstaatlichen Tradition für Verwaltungsangelegenheiten
immer noch ein grundsätzliches Nichtöffentlichkeits-prinzip (Geheimhaltungsprinzip).
Die Realisierung des dem Bürger einzuräumenden Informationsrechts
setze voraus, daß auf Ausnahmeregelungen gestützte Auskunfts-
und Einsichtsverweigerungen der Verwaltung gerichtlich überprüfbar
seien. Die staatlichen Stellen müßten dem Gericht gegenüber
nachweisen, warum eine Akteneinsicht verweigert werde (Umkehr der Beweispflicht).
Bei dieser Gelegenheit werde vom SPD-Ortsverein Höxter erinnert,
daß seine Beschlüsse und Anträge auch bei der Einführung
der Öffentlichkeit in den kommunalen Ausschüssen einen maßgeblichen
Anteil hätten, die 1975 erstmals in Nordrhein-Westfalen in die Gemeinde-
und Kreisordnung aufgenommen worden sei.
Im übrigen sei laut Information der Höxteraner SPD in Schleswig-Holstein
erst nach der Barschel-Affäre und der darauf folgenden Regierungsübernahme
durch die Sozialdemokraten im Jahre 1990 die Öffentlichkeit der kommunalen
Ausschüsse eingeführt worden.