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Auszug von der
Seite 5 aus "express" Zeitung für sozialistische Betriebs- und
Gewerkschaftsarbeit Nr.3/2009, 47.Jahrgang (Gescannt, da entsprechende
Fehler)
Korrekte Wortwahl
»Barbarisch und asozial« -
Erklärung ehemaliger
DDR-Bürgerrechtler zu Emmely-Urteil
Richter und Anwälte haben Bundestagsvizepräsident Wolfgang
Thierse dafür kritisiert, dass er das Urteil des
Landesarbeitsgerichtes Berlin gegen die Kassiererin Barbara E. als
»barbarisches Urteil von asozialer Qualität«
bezeichnet hatte. Leider hat Wolfgang Thierse diesem Druck nicht
standgehalten und seine treffende Einschätzung inzwischen
abgewertet, indem er »die Schärfe« seiner Wortwahl
bedauerte. Doch nicht die Äußerung Wolf-gang Thierses,
sondern das Emmely-Urteil war eine Ungeheuerlichkeit. Es ist und bleibt
barbarisch und asozial!
Im Vordergrund der öffentlichen Debatte steht zumeist die
schreiende Unverhältnismäßigkeit des Urteils, durch das
eine Kassiererin, die 31 Jahre lang unbeanstandet ihre Arbeit
verrichtete, wegen zweier Pfandbons im Wert von 1,30 Euro nicht nur
eine Beschäftigung und ihr Arbeitseinkommen, sondern auch ihre
bisherige Wohnung verlor.
Die Unverhältnismäßigkeit des Urteils gegen Barbara E.
ist jedoch nur eine skandalöse Konsequenz eines skandalösen
Rechtsinstitutes -die Verdachtskündigung selbst ist
Unrechtsjustiz! Mit der Möglichkeit einer Kündigung auf
Verdacht hin wird jeder .Boden der Rechtsstaatlichkeit verlassen, die
Unschuldsvermutung außer Kraft gesetzt und die Umkehr der
Beweislast für abhängig Beschäftigte zu Gunsten der
Unternehmensleitungen erzwungen.
Begründet wird dieser Unrechtscharakter der
Verdachtskündigung mit der Notwendigkeit einer besonderen
Schutzwürdigkeit des Vertrauens der Unternehmensleitungen m
abhängig Beschäftigte. Doch diese Begründung
enthüllt den Kern des Unrechts der Verdachtskündi-gung: Sie
ist ein Institut der krassen und offenen Klassenjustiz gegen
abhängig Beschäftigte. Oder hat je der Vertrauensveriust von
abhängig Beschäftigten in die Ehrlichkeit des Managements
gegenüber den Beschäftigten zu dessen Entlassung
geführt? Die Verdachtskündigung kennt wegen dieses
Unrechtscharakters auch weder Bagatelldelikte noch das Prinzip der
Verhältnismäßigkeit. So ist das Unrechtsurteil gegen
Barbara E. auch kein Einzelfall. Immer öfter wird die
Verdachtskündigung von Seiten der Unternehmen gegen unbequeme
Beschäftigte angewandt, besonders wenn sie sich gegen Zumutungen
der Unternehmen wehren oder wie Barbara E. Streiks organisieren.
Im Angesicht der heutigen Vernichtung von abennilliarden Euro durch
Manager und Kapitaleigner ohne Bestrafung der dafür
Verantwortlichen ist das Unrechtsurteil gegen Barbara E. wegen 1,30
Euro besonders empörend. Mehr denn je muss deshalb gelten: weg mit
dem Arbeitsunrecht, Schluss mit jeder Klassenjustiz gegen abhängig
Beschäftigte!
Im 20. Jahr der demokratischen Revolution in der DDR muss aus diesem
Grunde daran erinnert werden, dass die Ziele einer radikal
demokratischen und sozialen Gesellschaft noch immer aktuell sind, wie
wir sie im Herbst 1989 gegen das seinerzeitige Unrecht der SED-Diktatur
durchsetzen wollten. In Forderungsprogrammen der Bürgerbewegungen,
in den Gesetzentwürfen des Runden Tisches oder seinem Entwurf
einer demokratischen Verfassung wurden sie niedergeschrieben. Ihrer
gilt es sich wieder zu erinnern, im Angesicht des Unrechtes von heute
harren sie noch immer ihrer Verwirklichung!
Berlin, den 12.
März 2009 Dr. Leonore Ansorg, Malte Daniljuk, Dr. Hans-Jürgen
Fischbeck, Bernd Gehrke, Joachim Hüngen, Dr. Renate Hüngen,
Werner John, Samirah Kenawi, Dr. Thomas Klein, Dr. Hans und Ruth
Misselwitz, Silvia Müller, Uwe Radioff Wolfgang Rüd-denklau,
Hans Scherner, Ingeborg und Dr. Ulrich Schroten Dr. Erhart Weinholz.