Immobilien-Verkäufe
Seit dem Freiburger Bürgerentscheid gegen den Verkauf der kommunalen
Stadtbau-Gesellschaft wächst der Widerstand gegen die bundesweit laufende
Privatisierungswelle bei Wohnungen.
Widerstand gegen Immobilienverkäufe (Bild ap)
Freiburg - Gleich zu
Jahresbeginn wird es für Heidenheims CDU-Rathauschef Bernhard Ilg ungemütlich.
Noch im Januar dürfte der Gemeinderat über den Start eines Bürgerentscheids
befinden, mit dessen Hilfe SPD, IG Metall und Mieterverein die von Ilg
eingefädelte Veräußerung des knapp 30prozentigen Anteils an einer
Wohnungsgesellschaft mit mehreren tausend Unterkünften rückgängig machen
wollen. Erwerber ist die zum Investmentfonds Fortress gehörende Gesellschaft
Gagfah. 2500 Unterschriften hätten die Gegner dieser Privatisierung für den
Antrag auf ein Referendum sammeln müssen, binnen kurzem wurden es mehr als
4000.
Soziale Stadt gefährdet
Ohne das Beispiel Freiburg wäre es zu der Heidenheimer Widerstandsaktion wohl
nicht gekommen: Im Breisgau hatten Mitte November 70 Prozent der Teilnehmer
einer Volksbefragung den Plan des grünen Oberbürgermeisters Dieter Salomon und
der schwarz-grünen Mehrheit im Lokalparlament vereitelt, die Gesellschaft
Stadtbau mit rund 8000 Wohnungen zu versilbern. Mit dem Erlös sollten die
kommunalen Schulden in Höhe von 510 Millionen Euro reduziert werden. Tenor der
Kritik: Mieterinteressen geraten unter die Räder, eine soziale Stadtentwicklung
wird gefährdet.
Seit dem südbadischen Referendum weht ein etwas anderer Wind im Streit über die
Privatisierung von Wohnungen. Franz-Georg Rips, der Direktor des Deutschen
Mieterbunds, registriert inzwischen Akzeptanz für die in Nordrhein-Westfalen
gestartete Unterschriftensammlung gegen den geplanten Verkauf von 100 000
landeseigenen Wohnungen. Ähnliches zeichnet sich in Velbert ab, wo ebenfalls
kommunale Immobilien veräußert werden sollen. Saarbrückens SPD-Rathauschefin
Charlotte Britz kündigte an, keine städtischen Wohnungen mehr losschlagen zu
wollen. Zum Leidwesen der Freiburger Grünen ging jüngst sogar der
Bundesparteitag der Grünen auf Gegenkurs: "Umfangreiche Verkäufe
öffentlichen Wohnungsbestands sind in aller Regel abzulehnen", heißt es in
einer Resolution.
Folkert Kiepe, Dezernent beim Deutschen Städtetag, mahnt daher auch:
"Bürgermeister und Gemeinderäte sollten künftig vor einem
Verkaufsbeschluss die soziale und städtebauliche Bedeutung eines kommunalen
Wohnungsbestands stärker in Betracht ziehen."
Wie viele Wohnungen von Staats- in Privateigentum und dabei besonders in die
Hand großer Kapitalfonds übergingen, ist nicht genau bekannt. Nach Berechnungen
des Mieterbunds sind es bislang rund 850 000.
Gewinne locken
Im Vergleich zu vielen anderen Staaten wie zum Beispiel Großbritannien sind
Wohnimmobilien hier zu Lande günstig zu haben. Über Mieteinnahmen,
Rationalisierungen bei der Bewirtschaftung und profitable Weiterverkäufe haben
Fonds satte Gewinne im Auge.
Große Privateigentümer nutzten Spielräume bei Mieterhöhungen viel stärker aus
als öffentliche Unternehmen, kritisiert der Mieterbund. Laut Kiepe liegen die
Mieten kommunaler Gesellschaften meist zehn bis 15 Prozent unter der
ortsüblichen Vergleichsmiete.
Kiepe sieht in der sozialen Stabilisierung von Wohnquartieren und der
Aufwertung des Umfelds eine wichtige Aufgabe der Kommunen. Er plädiert deshalb
dafür, fünf bis zehn Prozent des örtlichen Bestands im Eigentum der
öffentlichen Hand zu lassen.
In einer Resolution tritt das Präsidium des Städtetags darüber hinaus dem
Argument entgegen, mit den Erlösen aus Immobilienverkäufen könnten die Kommunen
ohne Weiteres ihre Schulden tilgen und ihre Finanzprobleme lösen. Die Ursachen
der strukturellen Defizite würden dadurch keineswegs ausgeräumt. Karl-Otto
Sattler
[ document info ]
Copyright © FR online 2007
Dokument erstellt am 02.01.2007 um 17:36:02 Uhr
Letzte Änderung am 02.01.2007 um 18:19:45 Uhr
Erscheinungsdatum 03.01.2007