Ist auch gut so
Am Thema Übernahme von Unternehmen scheiden sich die Geister, wie das knappe Abstimmungsergebnis im Europäischen Parlament zeigt. Das ist kein Wunder. Denn hinter dem Streit über die Frage, ob und wie der Vorstand einer Firma den feindlichen Angriff einer anderen abwehren darf, verbirgt sich letztendlich ein Kampf zweier Linien: des rheinischen Konsens-Kapitalismus gegen die krude, an den Gewinnen der Aktionäre und des Finanzgewerbes orientierte angelsächsische Spielart.
Erst spät dämmerte den Abgeordneten in Straßburg (und den Politikern in Berlin), dass der Vorschlag der EU-Kommission, dem zufolge Unternehmensvorstände den Fusionsversuchen eines Konkurrenten tatenlos zuzusehen haben, eine doppelte Schlagseite aufweist. Erstens ignorierte er, dass in der Union keineswegs Waffengleichheit herrscht, sondern Konzerne in einigen Länder über Verteidigungsinstrumente wie die "Goldene Aktie" verfügen, die beispielsweise in der Bundesrepublik nicht zulässig sind. Zweitens dient die geplante Richtlinie zwar den Interessen von Banken, Unternehmensberatern, Wirtschaftsprüfern und Rechtsanwälten, die bei Firmenübernahmen prächtig Kasse machen, berücksichtig aber nicht die Belange der Beschäftigten, die meist die Kosten in Form von Arbeitsplatzverlusten tragen müssen.
Die Abgeordneten haben das Projekt gestoppt, und das ist auch gut so. Schließlich sollte sich in Brüssel inzwischen herumgesprochen haben, dass feindliche Übernahmen nicht nur mehr Schaden anrichten als Nutzen stiften, sondern auch falsche Anreize setzen. Sie machen, anders als es ihre Apostel immer wieder behaupten, nicht lahmen Managern Beine. Denn auf den Kauflisten stehen üblicherweise nicht die angeschlagenen sondern die erfolgreichen Unternehmen. Die Europäer sollten sich auf ihre besonderen sozialen Grundlagen und Stärken besinnen und nicht jeden Unsinn nachäffen, der in den USA oder Großbritannien verzapft wird. mrm
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Dokument erstellt am 04.07.2001 um 21:15:43 Uhr
Erscheinungsdatum 05.07.2001