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Kommentar Bankenprozess

Berliner Ökonomie

VON HARRY NUTT

Das Urteil im Berliner Bankenprozess ist nicht zuletzt auch ein Richterspruch über die politisch wohl einflussreichste K-Gruppe der Berliner Nachkriegsgeschichte. Unter K-Gruppe verstand der Berliner Volksmund keine kommunistische Splittergruppe, sondern eine Interessen- und Wertegemeinschaft, die sich bereits in den frühen sechziger Jahren um den späteren Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen, um Klaus-Rüdiger Landowsky, Heinrich Lummer und den Namensgeber Peter Kittelmann gebildet hatte.

Über einen Zeitraum von mehr als dreißig Jahren bildete diese Gruppe, zu der unter anderen auch der verstorbene Filmkaufmann Jürgen Wohlrabe und der Kulturanwalt Peter Raue gehörten, eine mal geschickt taktierende, mal dreist ihre Strippen ziehende Verbindung, die aus einer schlagenden Studentenvereinigung hervorgegangen war. Die Protagonisten dieser K-Gruppe füllen heute seitenlange Register in den Büchern über die Hauptstadt von Filz und Korruption. Die mit Abstand meisten Einträge hat Klaus-Rüdiger Landowsky aufzuweisen, der gestern vom Berliner Landgericht zu einem Jahr und vier Monate auf Bewährung wegen Untreue verurteilt worden ist. Klaus-Rüdiger Landowsky war der heimliche Architekt dieses die Mauerstadt politisch wie wirtschaftlich über Jahrzehnte prägenden Westberliner Nachkriegsgebäudes.

Das Urteil im Berliner Bankenprozess mag kein adäquater Schlussstrich unter der Westberliner Parteibuchpolitik und Ämterpatronage sein, deren Beurteilung wohl auch nicht der Rechtsprechung zufallen kann. Und doch scheint es so, als historisiere das gestrige Urteil ein langes Kapitel klebriger Netzwerkerei.

Die sozialen Folgen werden noch lange sichtbar sein. Die Hauptstadt, die nicht zuletzt unter der Pleite der Berliner Bankgesellschaft zu leiden hat, schiebt eine Schuldenlast von 61 Milliarden Euro vor sich her. Jeder neugeborene Berliner bekommt eine 17 700 Euro als Belastung in die Wiege gelegt. Verlässt man die von den Medien gut ausgeleuchteten Trampelpfade, auf denen laut Spiegel derzeit eine neue Berliner Gelassenheit zu bestaunen ist, dann kann man schnell auf soziale Verhältnisse stoßen, die weder Reichtum assoziieren lassen noch sexy sind.

Ein paar Stichproben im Alltag und ein Blick in die Statistiken ergeben, dass Berlin mehr Armut und soziale Desintegration aufweist als Hamburg, Köln, Frankfurt oder München. Wer angesichts dieser Situation nicht in eine trostlose Verelendungsklage einfallen will, beruft sich auf eine immer wieder auch problematische Bezirke erschließende junge Generation, die mit Experimentierfreude und künstlerischen Ambitionen kompensiert, was an bloßer Kaufkraft fehlt. Man pflegt seit jeher die Kunst des Durchwurschtelns in der Hauptstadt des Prekariats.

Berlin ist weder das Zentrum des Kunsthandels, noch gilt es als dominierender Filmstandort. Aber immer mehr Künstler und Schauspieler verlegen ihre Haupt- und Nebenwohnsitze an die Spree, um einen Koffer vor Ort zu haben. Die Prominenzdichte ist hoch, und der Standortfaktor Kreativität mobilisiert auch ökonomische Interessen. Seit Monaten staunt man auf dem Berliner Immobilienmarkt insbesondere über dänische Käufer, die ganze Häuserblocks erwerben, die vor nicht allzu langer Zeit als unveräußerbar galten. Von außen betrachtet scheint Berlin längst wieder ökonomische Boomversprechen auszusenden, während die heimischen Makler noch die Wunden ihrer Fehlspekulationen aus der Nachwendezeit lecken. Auch in dieser Hinsicht hat die Landowsky-Zeit tiefe Spuren hinterlassen.

Das Urteil des Berliner Landgerichts wird man zukünftig als einen Kommentar zur Geschichte des Westberliner Sumpfes lesen. Es erzählt auch von der Endlichkeit einer arroganten Machtkonstruktion. Für bloße Genugtuung jedenfalls fehlt dem Berliner Tempo die Zeit.

Berliner Bankenskandal: Hängende Mundwinkel

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Copyright © FR online 2007
Dokument erstellt am 21.03.2007 um 17:36:02 Uhr
Letzte Änderung am 21.03.2007 um 19:50:58 Uhr
Erscheinungsdatum 22.03.2007