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Köhler stoppt Verkauf der
Flugsicherung
von Peter Ehrlich
(Berlin) und Jenny Genger (Hamburg)
Bundespräsident Horst Köhler hat die Privatisierung der
Deutschen Flugsicherung (DFS) vorerst gestoppt und den Bundestag
ausgebremst. Nun wird diskutiert, ob Köhler seine Kompetenzen
überschreitet.
Köhler habe entschieden, das Gesetz zur Neuregelung der
Flugsicherung nicht auszufertigen, teilte das Bundespräsidialamt
am Dienstag in Berlin mit und bestätigte damit Informationen der
FTD. Das Gesetz verstoße gegen das Grundgesetz, hieß es in
der Mitteilung. Eine privatisierte Flugsicherung sei unvereinbar mit
dem Erfordernis einer bundeseigenen Verwaltung.
Für den Bundestag und für das Innen- und Justizministerium
ist die Entscheidung Köhlers ein Affront. Die Abgeordneten hatten
bereits im April mit großer Mehrheit dem neuen
Flugsicherungsgesetz zugestimmt. Die beiden Ministerien hatten die
Verfassungskonformität zuvor geprüft und auf Bitten
Köhlers auch noch einmal ihre Auffassung bestätigt.
Die Entscheidung wird Bundespräsident Horst Köhler viel
Kritik einbringenDass ein Bundespräsident seine Unterschrift unter
ein Gesetz verweigert, ist ein historischer Ausnahmefall. Vor
Köhler hatte bereits Bundespräsident Richard von
Weizsäcker ein DFS-Gesetz zunächst blockiert: Anfang der
90er-Jahre ging es dabei um die Umfirmierung der DFS in eine privat
organisierte Gesellschaft.
Köhler kann die Unterschrift unter von Bundestag und Bundesrat
verabschiedete Gesetze nur verweigern, wenn er verfassungsrechtliche
Bedenken hat. Auch bei solchen Bedenken unterzeichnet der
Präsident allerdings normalerweise und leitet dann eine
Überprüfung durch das Verfassungsgericht ein. In
Regierungskreisen wird daher kritisch gefragt, ob Köhler seine
Kompetenzen jetzt zu weit auslege.
Projekt auf unbestimmte Zeit verschoben
Der ursprünglich für dieses Jahr geplante Verkauf von 74,9
Prozent der DFS muss nun auf unbestimmte Zeit verschoben werden.
Nachdem Köhler eine Prüfung des Gesetzes eingeleitet hatte,
hatten Regierung und DFS die Privatisierung für die nahe Zukunft
bereits abgeschrieben. Der Einnahmeausfall - die Privatisierung sollte
bis zu 1 Mrd. Euro bringen - kann Finanzminister Peer Steinbrück
aber durch höhere Steuereinnahmen kompensieren.
Köhler verweigert seine Zustimmung zum Flugsicherungsgesetz
voraussichtlich wegen verfassungsrechtlicher Bedenken. "Wir empfehlen,
dass wir das Problem mit einer Klarstellung im Grundgesetz lösen",
sagte SPD-Verkehrspolitiker Uwe Beckmeyer der FTD. Darüber seien
sich die 69
Verkehrspolitiker der Großen Koalition einig.
Die Luftverkehrssicherung ist eigentlich eine hoheitliche Aufgabe. Die
DFS sollte auch nach der Privatisierung im staatlichen Auftrag
tätig bleiben und zudem von einem Bundesaufsichtsamt kontrolliert
werden.
Erhebliche Probleme in Sicht
Auf die Deutsche Flugsicherung und die Bundesregierung kommen nun
erhebliche Probleme zu. Das Luftraumkontrollzentrum bereitet sich
bereits seit Jahren auf die Privatisierung vor, um seine Expansion in
Europa künftig vorantreiben zu können. Den
Fluggesellschaften, die das Unternehmen bislang über Gebühren
finanziert, waren zudem mittelfristig Preissenkungen in Aussicht
gestellt worden.
Zudem geraten durch die Blockade des Flugsicherungsgesetzes in
Deutschland die Vorbereitungen zur Liberalisierung des
europäischen Luftraums ins Stocken. Die EU-Kommission fordert von
den Mitgliedsstaaten, dass sie bereits bis Anfang 2007 die
Voraussetzungen für diesen sogenannten Single European Sky (SES)
schaffen. "Das wird für uns nun sehr schwierig", heißt es im
DFS-Vorstand. Sollte die Bundesregierung die Vorschrift nicht
spätestens bis Mitte 2007 umsetzen, droht eine
Vertragsverletzungklage.
Aus der FTD vom
24.10.2006
© 2006
Financial Times Deutschland, © Illustration: AP