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Zeitschrift Marxistische Erneuerung "Z", Nr. 53, März 2003

Staatsmonopolistische Sumpfblüte

Annäherungen an einige Probleme im Zusammenhang mit der Berliner (Bank) Gesellschaft

Von Kurt Neumann

"Gen. Mitzerscherling(1) berichtet, dass eine Fusion der Sparkasse der Stadt Berlin West und der Berliner Bank bis zur Eröffnung des europäischen Binnenmarkts im Frühjahr 1993 erfolgt sein sollte, wenn es eine sinnvolle Maßnahme sein soll." (auf einer Sitzung der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus im Oktober 1989)

"... dass Konstruktionen dieser Art, nämlich öffentlich-rechtliche Einheiten mit privatrechtlichen Einheiten zu verbinden, eine hervorragende Konstruktion sind, um im Wettbewerb auch als öffentlich-rechtliche Bank bestehen zu können. ... Glauben Sie auch einmal an die Chancen und miesepetern Sie nicht nur." (Ditmar Staffelt(2) in der Sitzung des Abgeordnetenhauses am 12. März 1998)

"Angesichts der Unklarheiten im Zusammenhang mit der Wiederherstellung der langfristigen Rentabilität (der Bankgesellschaft), der möglicherweise unzureichenden Kompensationsmaßnahmen, der offenen Fragen in Bezug auf die Qualifizierung der Beihilfe und der Begrenzung auf das erforderliche Mindestmaß hat die Kommission ernste Zweifel hinsichtlich der Vereinbarung der Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt."(Schreiben der Europäischen Kommission vom 14. Juni 2002)(3)

I.

Berlin ist fast Pleite. "Mit 16.000 Euro je Einwohner dürfte Berlin im Jahre 2005 von allen Ländern am höchsten verschuldet sein."(4) Nach Auffassung des Senats liegt eine Haushaltsnotlage vor. Ein Anspruch des Landes auf Bundesergänzungszuweisungen sei begründet. Der werde demnächst in einem Rechtsstreit vor dem Bundesverfassungsgericht durchgesetzt.

Trotz der katastrophalen Haushaltslage zahlte Berlin im Sommer 2001 zunächst für eine Kapitalerhöhung bei der Bankgesellschaft aus Steuermitteln einen Betrag von 1,755 Mrd.

Dann beschloss das Abgeordnetenhaus am 9. April 2002 das "Gesetz über die Ermächtigung des Senats zur Übernahme einer Landesgarantie für Risiken aus dem Immobiliengeschäft der Bankgesellschaft"(5). In dem Gesetz werden Zahlungszusagen von weiteren bis zu 21,6 Mrd. Euro(6) für einen Zeitraum bis Ende 2032 gemacht. In Wirklichkeit aber "beträgt der theoretische nominale Höchstwert der zu deckenden Risiken 35,34 Mrd. EUR. ... Deutschland (hat) Schätzwerte für das tatsächliche Risiko für drei Szenarien angegeben: 2,7 EUR im besten Fall, 3,7 EUR7 im "Basisfall‘ und 6,1 EUR im schlimmsten Fall. Die Grundlage für die Schätzung dieser Summen wurde jedoch nicht mitgeteilt."(8) Unklarheit also auf der ganzen Linie!

Für das "Ermächtigungsgesetz" haben bis auf jeweils zwei Abgeordnete die Mitglieder der Regierungsfraktionen von SPD und PDS gestimmt. Die Abgeordneten der CDU enthielten sich, während Grüne und FDP dagegen stimmten. Allerdings hatten alle drei Oppositionsparteien zuvor in trauter Gemeinsamkeit einen Änderungsantrag(9) zum ursprünglichen Senatsentwurf vorgelegt, der inhaltlich im wesentlichen dem beschlossenen Gesetz entsprach. Die ungeheuer aufwendige Risikoabschirmung der Bankgesellschaft war so von einer "Allfraktionenkoalition" dem Inhalt nach voll abgesegnet worden.

Gleichzeitig ist die gegenwärtige Berliner Haushaltspolitik nur schwer mit den Grundsätzen sozialer Gerechtigkeit, mit den Prinzipien einer sozialstaatlichen Verfassungsordnung zu vereinbaren:

Überall wird gekürzt, auch bei Sozialleistungen, auch in den Bereichen von Bildung und Kultur, auch bei den Investitionen in öffentlich genutzte Gebäude und in die Verkehrsinfrastruktur.

Erst kürzlich ist der Senat zudem in einer Blitzaktion mit sofortiger Wirkung aus dem Tarifverband der öffentlichen Arbeitgeber ausgetreten, um die Löhne und Gehälter der Arbeiter und Angestellten einfrieren zu können. Zudem betreibt er eine Grundgesetzänderung mit dem Ziel des Ausstiegs aus der bundeseinheitlichen Beamtenbesoldung. Die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse in Ost und West stellt sich für ihn aktuell nur dar als allgemeines unaufhaltsames "Rennen nach unten"(10) - in West wie Ost.

Dagegen haben nicht nur die einzelnen Abgeordneten gestimmt. Dagegen wendet sich massiver außerparlamentarischer Widerstand, der sich um die Bürgerinitiative "Berliner Bankenskandal" und um "attac" zentriert. Aber auch in den beiden Koalitionsparteien regt sich heftige Kritik. Vor allem in der PDS wird ein Zusammenhang zwischen der schweren Niederlage bei der Bundestagswahl 2002 und der Berliner Landespolitik gesehen. In dem zentralen, von der Parteivorsitzenden gegen die Mehrheit des alten Parteivorstands initiierten Beschluss des Geraer Parteitags heißt es: "So ist für viele Menschen nicht nachvollziehbar, dass in Berlin Steuergelder in Milliardenhöhe an vermögende Zeichner von Immobilienfonds fließen, während die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst auf wohlerworbene Ansprüche verzichten sollen, während im Sozialbereich, bei kulturellen Einrichtungen und in der Infrastruktur gespart wird, "bis es quietscht‘."(11)

II.

Die angeschlagene Bankgesellschaft umfasst als Holding privatrechtlich organisierte Banken und öffentliche Kreditinstitute. Neoliberale in den Unionsparteien und FDP, aber auch bei den Grünen und in der SPD sehen durch den dramatischen Niedergang der Bank wohlgepflegte Vorurteile bestätigt: Der Staat könne nun einmal nicht wirtschaften und schon gar nicht erfolgreich eine Bank betreiben. Sogar in der PDS gibt es Stimmen, die -in fortdauernder antithetischer Bindung an den vermeintlichen "Staatssozialismus" der DDR - den avisierten Verkauf der gesamten Bankgesellschaft euphorisch zum Akt "progressiver Entstaatlichung" stilisieren.

Mit der Realität des Kreditwesens in Deutschland, speziell in Berlin, hat das alles wenig zu tun.

Dort gibt es im wesentlichen drei Hauptgruppen(12): Die größte bilden Sparkassen(13) und Landesbanken mit einem Marktanteil von 36 %. Privatbanken haben einen Anteil von 25 %, Kreditgenossenschaften von 13 %. Die Sparkassen verfügen bundesweit über etwa 18.000 Geschäftsstellen.(14) Am Privatkundengeschäft sind sie mit 40 % beteiligt. Noch bedeutender ist ihre Stellung mit 60 % beim Handwerk und beim Mittelstand,(15) die stärker als andere Bereiche Arbeitsplätze schaffen und sichern. Die großen Privatbanken ziehen sich aus diesen Bereichen zunehmend zurück, kümmern sich um die Großkunden und verweisen im übrigen auf das "electronic banking". Die Schwerpunkte in der Bankenwelt überraschen nicht, vielleicht aber die Tatsache, dass die Sparkassen auch die ertragsstärkste Gruppe sind: "Mit Renditen in Höhe von fast 20 Prozent vor Steuern und 7,1 Prozent nach Steuern sind die Sparkassen erfolgreicher als die privaten Kreditbanken (10,1 bzw. 6,8 Prozent) und deren Untergruppe Großbanken (8,9 bzw. 6,7 Prozent)."(16)

In den wenigsten Fällen sind Sparkassen von ihren Trägern mit Eigenkapital ausgestattet. Das wurde meist erst aus thessaurierten Überschüssen gebildet. Die Träger stehen aber in anderer Weise für ihre Sparkassen ein, durch "Anstaltslast" und "Gewährträgerhaftung" : Als "Anstaltslast" wird die Verpflichtung des Anstaltsträgers bezeichnet, die eigene Sparkasse während der gesamten Dauer des Bestehens zur Erfüllung ihrer Aufgaben finanziell instand zu halten.(17) Aufgrund der "Gewährträgerhaftung" muss der Anstaltsträger Forderungen gegen die Sparkasse ausgleichen, wenn diese selbst dazu nicht in der Lage ist.(18) Insofern haben Kunden und sonstige Gläubiger einer Sparkasse besondere Sicherheiten.

Der unbegrenzten Haftung des Anstaltsträgers entsprechen die Begrenzung der Geschäftstätigkeit der Sparkassen und ihre intensive Kontrolle. Während Privatbanken grundsätzlich alle nicht ausdrücklich verbotenen Geschäfte betreiben dürfen, sind die Aufgaben der Sparkassen enumerativ in Gesetz oder Satzung festgelegt.(19) Sie sind regional gebunden. Gewinnerzielung
darf nicht Prinzip ihres Wirtschaftens sein.(20) Vor allem können ihre Träger über den von ihnen beschickten Verwaltungsrat unmittelbar „erforderliche Geschäftsweisungen“ erteilen(21) und die Geschäftspolitik des Kreditinstituts stärker beeinflussen als der Aufsichtsrat einer AG oder GmbH.

In Flächenländern sind die Sparkassen in Sparkassen- und Giroverbänden zusammengeschlossen, die mit dem jeweiligen Land Träger der Landesbanken sind.(22) Ausgehend von expansiver Geschäftstätigkeit der WestLB und der Helaba wurden Landesbanken immer weiter von öffentlichen Bindungen freigestellt. Sie betätigen sich inzwischen überregional und international wie „normale“ Allgemeinbanken(23) - allerdings bei Aufrechterhaltung von Anstaltslast(24) und Gewährträgerhaftung.

III.

Die Aktivitäten der Landesbanken gerieten in zunehmende Konkurrenz mit den privaten Banken und führten zu heftigen Gegenaktionen, insbesondere zu Beschwerden bei der EU-Kommission wegen Verstoßes gegen die Vorschriften über staatliche „Beihilfen“ (Subventionen).

Von den Großbanken wird massiv die Auffassung vertreten, bei „Anstaltslast“ und „Gewährträgerhaftung“ handele es sich um nach den Artikeln 87 ff. EG-Vertrag (EGV) unzulässige Beihilfen, die den Wettbewerb verfälschten, zumindest zu verfälschen drohten. Die Gegenposition stützt sich vielfach auf Art. 295 EGV, nach dem „die Eigentumsordnung in den verschiedenen Staaten unberührt“ bleibt. Das gewährleiste auch die öffentlich-rechtliche Ausgestaltung des Sparkassensektors mit all ihren Besonderheiten.(25)

Die EU-Kommission sieht nur dort kein Beihilfeproblem, wo öffentliche Einrichtungen „nicht mit kommerziellen Unternehmen konkurrieren“.(26) Sonst seien nach Artikel 86 Abs. 2 EGV die Beihilfevorschriften anzuwenden, wenn das nicht die Erfüllung der übertragenen öffentlichen Aufgabe rechtlich oder tatsächlich verhindere. In Gewährträgerhaftung und Anstaltslast sieht sie grundsätzlich staatliche Beihilfen.(27) Ob und wann diese erlaubt seien, ist noch nicht entschieden. Eine durch Vereinbarung vom 17. Juli 2001(28) getroffene Regelung gilt für die nicht beteiligten Bundesländer wie Berlin nicht.

Durch den Amsterdamer Vertrag wurde Art. 16 neu in den EGV eingefügt, der den „besonderen Stellenwert“ der „Dienste von allgemeinem öffentlichen Interesse“ hervorhebt und ihre Funktion gleichrangig neben die Marktregeln stellt.(29) Daher erscheint als differenzierende Lösung sachgerecht und durchsetzbar, dass öffentlich-rechtliche Kreditinstitute nur in dem Maß den Wettbewerbsregeln unterliegen, wie sie sich außerhalb eines klar definierten öffentlichen Auftrags frei am Markt bewegen. Das trifft dann möglicherweise für die international und auf vielen Feldern operierenden Landesbanken zu, nicht aber für Sparkassen mit normiertem öffentlichem Versorgungs- und Strukturauftrag, mit regionalem Bezug, aber ohne Gewinnorientierung(30)

IV.

Solange in Berlin die Sparkasse nicht zur Bankgesellschaft gehörte, gingen von ihr finanzielle Risiken nicht aus. Anders war es mit der Berliner Bank, früher im Alleineigentum Berlins.

Die Gründung der Berliner Bank am 12. Juni 1950 beruhte auf dem Beschluss der Stadtverordnetenversammlung vom 22. Dezember 1949(31): „Der Gründung der Berliner Bank Aktiengesellschaft und dem vorgelegten Entwurf der Satzung wird zugestimmt.“ In der Satzung hieß es: „Gegenstand des Unternehmens ist die Durchführung bankmäßiger Geschäfte in allen
Zweigen des Bankbetriebes und damit zusammenhängender Handelsgeschäfte aller Art.“ (32) Aufsichtsratsvorsitzender wurde Oberbürgermeister Professor Reuter.(33)

Die eigentliche Vorgeschichte der Bankgesellschaft beginnt mit der „Garski-Pleite“ 1980/81: Bauunternehmer Garski hatte für ein Bauprojekt in Saudi-Arabien bei der Berliner Bank Kredite aufgenommen, die durch Bürgschaften des Landes Berlin abgesichert wurden. Garski ging Pleite. Das Land musste zahlen, Schadenshöhe 125 Mio. DM, in heutiger Währung etwa
0,064 Mrd. €. Die Summen, um die es heute geht, sind vielfach größer. Damals führte das aber zu einer Vertrauenskrise in der Stadt, in deren Konsequenz die SPD erstmals nach 1945 nicht mehr die Mehrheit im Senat und den Regierenden Bürgermeister stellte. Die AL zog in das Abgeordnetenhaus ein. Zunächst gab es einen von der FDP tolerierten CDU-Minderheitssenat
und dann eine Koalition aus CDU und FDP.

Auch nach 1981 hatte die Berliner Bank immer wieder finanzielle Probleme. Eine Kapitalbeteiligung der Gothaer Versicherung, später „Parion“, und anderer Privater änderte daran nichts. Noch am 9. Dezember 1993 musste der Berliner Senat gegenüber dem Einlagensicherungsfonds der privaten Banken die Erklärung abgeben, „dass die Bank in der Zeit, in der sie am Einlagensicherungsfonds mitwirkt, keinen Anlass für das Eingreifen der Einlagensicherung gibt.“(34)

1983/1984 hatte eine Arbeitsgruppe von Sozialdemokraten und Gewerkschaftern(35) Vorschläge für ein regionales Wirtschaftsprogramm unter dem Titel „Vollbeschäftigung und Lebensqualität“(36) erarbeitet. Im Zentrum standen Vorschläge für eine Reform der damaligen Berlinförderung(37), für eine regionale Arbeitsmarktpolitik und eine verbesserte Berufsausbildung. Konzepte zur Weiterentwicklung des öffentlichen Wirtschaftssektors wurden unterbreitet, nicht nur für die Eigenbetriebe, auch für die Berlin gehörenden Kreditinstitute: Konzentration der beiden allgemeinen Finanzinstitute auf regionale Aufgaben, vor allem Konsumentenkredite und Kredite an kleine und mittlere Unternehmen zur Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen sowie effektivere öffentliche Kontrolle. Der viel zu aufwendige „soziale“ Wohnungsbau sollte durch einen kostengünstigeren und zielgerichteren „kommunalen Wohnungsbau“ ersetzt werden.(38) In der Berliner SPD gewannen aber nach längeren Auseinandersetzungen neoliberale Positionen die Oberhand, die vor allem auf eine Privatisierung des öffentlichen
Wirtschaftssektors, der Eigenbetriebe und der Sparkasse setzten.

V.

Der 1989 gebildete rotgrüne Senat ging von der „Einheitlichen Europäischen Akte“ (EEA) aus, die als Frist für die Herstellung des Binnenmarkts den 31. Dezember 1992 vorsah. Bis dahin sollte aus Sparkasse und Berliner Bank ein europaweit agierender Bankkonzern von entsprechender Größe entstehen.(39) Begründet wurde die Notwendigkeit der Fusion damit, dass die Sparkasse wegen ihrer öffentlich-rechtlichen Bindungen gehindert sei, „richtige“Bankgeschäfte zu tätigen(40), die Berliner Bank und Berlin als Haupteigentümer aber über zu geringe Finanzmittel verfügten, um „das große Rad drehen“ zu können. Die Freiheiten der privatwirtschaftlich agierenden Geschäftsbank und die bei der Sparkasse in beachtlichem Umfang angesammelten „Spargroschen der kleinen Leute“ sollten für das große Geschäft zusammengebracht werden
.
Die Berliner Bankgesellschaft ist keineswegs das Werk einiger „geistig Gestörter“, wie es der gegenwärtige Berliner Finanzsenator einmal forsch formulierte.(41) Sie wurde mit großer Energie und Beharrlichkeit planvoll als demokratisch weder legitimierter noch kontrollierbarer Bankenkonzern aufgebaut, mit privatem Zugriff auf die finanziellen Ressourcen des Landes.
Noch zur Zeit des rotgrünen Senats wurde zum 1. Oktober 1990 die Landesbank Berlin gegründet.

Die Sparkasse der Stadt Berlin West wurde zur Abteilung der LBB. Am 11. Dezember 1990 folgte die Sparkasse der Stadt Berlin aus dem Ostteil der Stadt.

Die öffentlichen Aufgaben der Landesbank wurden Anlehnung an herkömmliche Grundsätze des Sparkassenwesens umschrieben: „Die Bank hat durch ihre Geschäftstätigkeit den Gewährträger in der Erfüllung öffentlicher Aufgaben unter Berücksichtigung sozialer, ökologischer und strukturpolitischer Grundsätze zu unterstützen.“ Ferner sollte sie „die Förderung
des Sparens und die Befriedigung des örtlichen Kreditbedarfs, insbesondere des Mittelstands und der wirtschaftlich schwächeren Bevölkerungskreise“(42) betreiben. Zugleich wurden die öffentlichen Bindungen entscheidend gelockert: Die Landesbank war berechtigt, „Bankgeschäfte aller Art und sonstige Geschäfte, die dem Zweck der Bank dienen“, zu betreiben.

Das Regionalprinzip wurde praktisch aufgehoben. An die Stelle des Verwaltungsrats trat ein Aufsichtsrat, dessen Kontrollbefugnisse die Erteilung geschäftlicher Weisungen nicht mehr umfassten. Zugleich wurde aber ausdrücklich die gesetzliche Gewährträgerhaftung für die gesamten Tätigkeiten der Landesbank begründet. (§ 5)

Die ursprüngliche Fassung des Landesbankgesetzes ließ nicht zu, dass sich privatrechtlich verfasste Unternehmen unternehmerisch an der Landesbank beteiligten: „Inhaber des Grundkapitals ist das Land Berlin.“ (§ 6 Abs. 2) Es waren nur Beteiligungen in Form von Genussrechtskapital und stillen Einlagen vorgesehen, umgekehrt aber war der Landesbank die Beteiligung „an anderen öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Kreditinstituten“, erlaubt.(§ 15) Zu einer Beteiligung an der Berliner Bank kam es aber nicht, weil die Gothaer Versicherung die Zustimmung verweigerte,(43) der es nach einem zwischen ihr und Berlin geschlossenen Interessenwahrungsvertrages bedurfte.

Die Anfang 1991 gebildete große Koalition aus CDU und SPD setzte den begonnenen Umbau des Bankenbereichs fort. Dazu wurde zunächst die Berlin Pfandbrief-Bank von einer öffentlich-rechtlichen Anstalt in eine Aktiengesellschaft mit dem Namen „Berliner Hypotheken und Pfandbriefbank AG“ umgewandelt. Die Wohnungsbaukreditanstalt (WBK) wurde in „Investitionsbank Berlin (IBB)“ umbenannt und in die Landesbank eingegliedert(44). Weitere Voraussetzungen für die Unterordnung der Landesbank unter eine privatrechtlich verfassten Holding wurden durch Änderungen des Landesbankgesetzes geschaffen: Das Land kann jetzt Inhaber des Grundkapitals auch mittelbar über Unternehmen sein, an denen es mehrheitlich beteiligt ist. Stille Beteiligungen, verbunden mit mitunternehmerischen Rechten, gelten als Grundkapital.

Schließlich kann durch Unternehmensvertrag die Beherrschung der Landesbank durch ein Privatunternehmen ermöglicht werden, an dem das Land Berlin mit Mehrheit beteiligt ist.

Entgegen Verfassung und Haushaltsrecht wurde die Bankgesellschaft ohne konstitutive Beteiligung von Senat und Abgeordnetenhaus gebildet(45): Die Berliner Bank beschloss durch ihren Aufsichtsrat, eine Tochtergesellschaft ins Leben zu rufen, die Neue Berliner Bank AG. Dieser übertrug sie ihr Bankgeschäft und nahm als Holding selbst den Namen Berliner Bankgesellschaft (BBG) an.(46) Bei der Tochter wurde dann das „Neue“ im Namen wieder gestrichen.(47)

Zum 1. Januar 1994 übernahm also die alte marode Berliner Bank durch Unternehmensverträge die finanziell gutausgestattete Sparkasse als Teil der Landesbank Berlin und zugleich die Berliner Hypotheken- und Pfandbriefbank. Die Privatisierung war gelungen. Was scherte da die Verantwortlichen ihr Wissen um die Intervention des Einlagensicherungsfonds und die
finanzielle Schieflage der Bank!

Die rechtlichen Beziehungen zwischen Bankgesellschaft und Landesbank sind in einem „Vertrag über eine stille Gesellschaft zur Begründung einer einheitlichen Leitung“(48) konkretisiert.

Im ersten Teil wird die Bildung der stillen Gesellschaft geregelt. Im zweiten ist die Unterstellung der Landesbank unter die „einheitliche Leitung der Bankgesellschaft“ festgelegt: Die Landesbank unterliegt im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben den Weisungen des Vorstands der Bankgesellschaft. Zwischen der Bankgesellschaft und dem Land Berlin besteht ferner ein
„Interessenwahrungsvertrag“. In ihm räumt das Land Berlin der Bankgesellschaft entscheidenden Einfluss auf die Landesbank ein. Für elf von vierzehn Berlin zustehenden Aufsichtsratssitzen hat die Bankgesellschaft ein Vorschlagsrecht(49).

Die Bankgesellschaft begegnet nicht nur von ihrer Entstehung, sondern auch von der gesamten Struktur her tiefgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Sie richten sich vor allem dagegen, dass die auf öffentliche Interessen verpflichtete öffentlich-rechtliche Anstalt Landesbank einer auf Gewinnerzielung orientierten Aktiengesellschaft und ihrem Weisungsrecht
untergeordnet wurde. Das Landesarbeitsgericht Berlin hat dementsprechend die Konstruktion als verfassungswidrig qualifiziert(50), während der Berliner Verfassungsgerichtshof gegenüber der in ähnlicher Form erfolgten Umstrukturierung der Berliner Wasserbetriebe nur marginale verfassungsrechtliche Bedenken hatte.(51)

Die Praxis hat gezeigt: Das Durcheinander der unterschiedlichen Weisungs- und Kontrollmechanismen zwischen Anstalt und Aktiengesellschaft sowie der Regelungen von Beteiligungs- und  Interessenwahrungsvertrag führt dazu, dass im Ergebnis weder eine wirksame demokratische Kontrolle noch ein wirtschaftliches „Controlling“ gewährleistet sind.(52) Es herrscht offenbar
organisierte Verantwortungslosigkeit: Die Vertreter des Landes Berlin verlassen sich auf die erfahrenen Vertreter der Wirtschaft“, diese hingegen bauen auf die unbeschränkte Haftung des Landes Berlin.

VI.

„Die Bankgesellschaft Berlin AG, Landesbank Berlin, Berlin-Hannoversche Hypothekenbank AG (BerlinHyp) hatte im Jahr 1991 begonnen, geschlossene Immobilienfonds aufzulegen. ...

Durch diverse Garantien für die Anleger (u. a. Mietgarantie, Höchstpreisgarantie, Andienungsgarantie)“ gelang es, „bis zum Jahr 2000 zum Marktführer für geschlossenen Immobilienfonds mit einem Anteil von fast 20 % zu werden. Dabei waren die Gesellschaften des Bankkonzerns auf fast jeder Stufe der Wertschöpfungskette beteiligt.“ So formuliert, wer sich einer wirtschaftlichen Großtat zu rühmen hat, sollte man meinen. Nein, so beginnt die Vorlage zur Beschlussfassung, mit der dem Land Berlin 3,73 Mrd. € zur „Abdeckung von Risiken aus dem Immobiliengeschäft“ aufgebürdet werden sollten. Daraus wurden dann 21,6 Mrd
„Geschlossene Immobilienfonds kommen für Anleger mit hohem Einkommensteuersatz in Frage, die ohne eine komplizierte Objektaufbereitung die Vorteile von Gewerbeimmobilien nutzten wollen“(53) „Wer sich in einen geschlossenen Immobilienfonds einkauft, ist steuerlich einem Immobilien-Eigentümer gleichgestellt. Das bedeutet zum einen Vorteile bei der Vermögens-, Erbschafts- und Schenkungssteuer. ... Zum anderen lassen sich die mit dem Bau eines Objekts verbundenen Aufwendungen als Werbungskosten absetzen. Bleibt unter dem Strich ein Verlust, lässt sich dieser mit anderen Einkünften verrechnen – und reduziert die Gesamtsteuerschuld.... Wer einen Kredit aufnimmt, kann dessen Finanzierungskosten zusätzlich
als Sonderwerbungskosten absetzen. Das alles ist für die Anleger mit hoher Steuerprogression noch beeindruckender als die Rendite, weil sie über die Steuerersparnis einen Teil des investierten Kapitals zurückbekommen.“(54) „Als Sonderfall sind die dank der wohl einmaligen steuerlichen Abschreibungen(55) immer populärer werdenden Beteiligungen am öffentlich  geförderten sozialen Wohnungsbau in Form von geschlossenen Immobilienfonds zu sehen. ... Auf diese Weise können sich Anleger mit entsprechend hohem Grenzsteuersatz ihren gesamten Kapitaleinsatz durch eingesparte Steuern zurückholen.“(56)
„Um eine anfänglich steuerstundende Anlage in eine steuersparende ausmünden zu lassen, stellen etablierte Emissionshäuser einen professionell betreuten Zweitmarkt zur Verfügung. Hierbei werden die Anteile in der Regel zum acht- bis zehnfachen der Jahresausschüttung zurückgenommen.“(57)
 
 
 

Die Bankgesellschaft und ihre verschiedenen Tochter- und Enkelgesellschaften machten auf den verschiedenen „Wertschöpfungsstufen“ des Fondsgeschäfts ganz erhebliche Gewinne. Sie kassierten neben den Zinsen für bei ihnen aufgenommenen umfangreichen Kredite auch Entgelte für Dienstleistungen bei der Durchführung der Fondsgeschäfte wie etwa für Baubetreuung und treuhänderische Aktivitäten. Das Land Berlin, das offenbar in der Landesbank kein Instrument mehr zur Durchsetzung „sozialer, ökologischer und strukturpolitischer Grundsätze“ sah, drängte, vor allem durch seine frühere Finanzsenatorin Fugmann-Heesing (SPD), auf möglichst hohe Gewinne für den zu sanierenden Landeshaushalt.

Da die Anzahl der Objekte begrenzt ist, die profitabel in Immobilienfonds genutzt werden können, gingen die Gesellschaften des Konzerns mehr und mehr dazu über, Kunden nicht mittels der Qualität der Immobilien und der aus ihnen zu erzielenden Renditen zu werben, sondern durch branchenunübliche Garantien für unrealistisch hohe Mieteinkünfte und weit überhöhte Rücknahmepreise.(58) Soweit aus diesen Garantien Leistungen erbracht werden mussten, wurde Kapital durch neue Fonds mobilisiert, so dass mit wachsender Geschwindigkeit immer größere Löcher gerissen wurden. Hinzu kam noch, dass auf Weisung von Spitzenmanagern in erheblichen Umfang faule Kreditengagements in Immobilienfonds untergebracht wurden(59), um so die Konzernbilanz zu schönen.

VII.

Unter Zeitdruck und ohne ausreichende Informationen wurde das Abschirmungsgesetz verabschiedet. Ich hatte davon abgeraten.(60) Das ist aber Vergangenheit. Jetzt kann es nicht darum gehen, eine unendliche Debatte darüber zu führen, wer denn damals recht hatte. Jetzt sind Vorstellungen zu entwickeln und zu diskutieren, was im Hinblick auf die Bankgesellschaft die
nächsten Schritte sein können und sein müssen.

Wenn der Senat sich für den Verkauf der Bankgesellschaft insgesamt, also einschließlich der Sparkasse, entscheidet, darf über die Billigung eines solchen Schrittes nur nach vollständiger Information und ausführlicher Diskussion im Abgeordnetenhaus entschieden werden. Dabei kommt es nicht nur auf die Höhe des Kaufpreises an(61). Berlin darf nicht noch weitere Risiken
übernehmen,(62) etwa aus internationalen Kreditgeschäften der Bankgesellschaft.(63) Es geht aber nicht nur um mögliche finanzielle Vorteile und Belastungen. Es sind wirtschaftliche Strukturentscheidungen zu treffen. Berlin braucht eine Sparkasse, ein öffentliches Kreditinstitut als ein Instrument auch zur Unterstützung kleiner und mittlerer Unternehmen, für eine arbeitsplatzschaffende und -sichernde Politik!

Hebt die EU-Kommission die Risikoabschirmung auf, scheitert der Verkauf deshalb oder aus anderen Gründen, müssen reale Wege aus den Risiken gefunden und beschritten werden. Geschenke an steuervermeidende Anleger könnten sich auf Bundesebene leicht als Eigentor erweisen. Konkret zeichnen sich drei Möglichkeiten ab, die nicht alternativ, sondern kumulativ
in Angriff genommen werden müssen:

• Bei der Rückabwicklung der fehlerhaft gebildeten Bankgesellschaft sind durch Landesgesetz auch Haftungsfragen zu regeln.

• Hinsichtlich einzelner Forderungen sind, soweit möglich, die Gesetzwidrigkeit (§ 134 BGB), Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) und Europarechtswidrigkeit (Art. 78 ff. EGV) der Ausgangsgeschäfte und/oder der Haftungsbegründung privatrechtlich geltend zu machen.

• Das Recht der Gewährträgerhaftung ist neu und europarechtskonform zu regeln. In diesem Zusammenhang muss die Haftung für Verbindlichkeiten der Landesbank auch rückwirkend neu gestaltet werden. Der Eigentumsschutz des Art. 14 GG ist zu beachten. Aber inwiefern sind überhaupt schützenwerte Rechtspositionen entstanden und in welcher Höhe ist bei deren Einschränkung „unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten“ zu entschädigen? Realisierte steuerliche Vorteile können da jedenfalls nicht unberücksichtigt bleiben.

Die vorgeschlagenen Maßnahmen können zu langwierigen rechtlichen Auseinandersetzungen führen. Gütliche Einigungen mögen da im Interesse aller Beteiligten liegen. Deshalb muss versucht werden, mit den Fondsanlegern zu einem „Solidarpakt” zu kommen, der zum einen die außerordentlich schwierige finanzielle Lage des Landes Berlin und zum andern das Interesse der Anleger berücksichtigt, durch die Fondszeichnung möglichst keine Verluste zu erleiden.

Überzogene Gewinnerwartungen können jedoch in keinem Fall honoriert werden. Die Frage der Bewältigung der Berliner Bankenkrise ist kein isoliertes Problem der Stadt. Durch den Länderfinanzausgleich sind auch die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler in den anderen Bundesländern an den Wohltaten für die Fondszeichner beteiligt. Erhält Berlin Bundesergänzungszuweisungen, gilt das umso mehr.

VIII.

Der Bankenskandal verdient auch theoretisches Interesse. Er ist Teil eines umfassenden Prozesses der Privatisierung von öffentlichen Einrichtungen und Unternehmen, die der Daseinsvorsorge dienen. Auf Bundesebene betraf das Post, Telekommunikation und Bahn. Auf kommunaler Ebene sind Verkehrsbetriebe und Stadtwerke, Wasser- und Entwässerungsbetriebe betroffen.

Auch bei der Bildung der Berliner Bankgesellschaft handelt es sich um eine Privatisierung, eine Teilprivatisierung. Die Sparkasse wurde dabei nicht als Institution in eine private Form überführt. Ihre finanziellen Mittel und ihr Haftungspotenzial wurden vielmehr bei Aufrechterhaltung der öffentlich-rechtlichen Form privatem Verwertungsinteresse unterstellt. Die konkrete Form, in der das geschah, wurde nicht demokratisch, sondern letztlich von der Gothaer Versicherung als einem bloßen Minderheitsaktionär der maroden Berliner Bank bestimmt.(64)

Die Konstruktion der Bankgesellschaft fand in Berlin analog auch auf die Wasserbetriebe Anwendung. Seither spricht man von einem ”Berliner Modell”. An der privatrechtlich ausgestalteten „BWB Holding AG” ist maßgeblich der französisch-kanadische Mischkonzern Vivendi beteiligt. Eine Tochtergesellschaft dieses Konzerns, die OEWA, ist übrigens seit 1998 als private Betreiberin mit der Betriebsführung für den Abwasserbereich des ”Versorgungsverbandes Grimma-Geithain (VVGG)” in Sachsen beauftragt. Sie macht beträchtliche Gewinne, die sie an die Muttergesellschaft abführt. Auf Seiten des Versorgungsverbands schlagen sich diese in Kostensteigerungen nieder, die als exorbitant gestiegene Beiträge an Hauseigentümer und Mieter weiter gegeben werden.(65) Eine Tochter der OEWA, die Firma Awatec ist für den Abwasserverband Königsbrück in Sachsen tätig.(66) Weitere Beispiele gibt es zuhauf, auch mit anderen Großunternehmen und deren Ablegern.

Das wesentliche an den Beispielen sind nicht gleichartige formale Konstruktionen. Entscheidend ist, dass Staatsfunktionen wie Steuererhebung bzw. Anschluss- und Benutzungszwang und Beitragserhebung der privaten Gewinnerzielung untergeordnet werden. Bei anderen Erscheinungen sprachen wir früher davon, dass die politischen Potenzen des Staates systematisch in den ökonomischen Prozess, in den Prozess der Kapitalverwertung, der Erzielung von Monopolprofiten, einbezogen würden. Diese Weiterentwicklung kapitalistischer und monopolkapitalistischer Produktionsverhältnisse bzw. Eigentumsverhältnisse fassten wir begrifflich als „Staatsmonopolistischen Kapitalismus.”(67)

Manche meinen, die Theorie vom Staatsmonopolistischen Kapitalismus habe sich nach den neoliberalen Privatisierungen der vergangenen Jahre längst erledigt. Angesichts des Charakters der beschriebenen „Privatisierungen” ist es höchste Zeit, das zu hinterfragen. Übrigens nicht nur für Teilprivatisierungen. Auch die Privatisierungen von Post und Bahn lohnen eine genauere Betrachtung. Von den ehemaligen „Staatsunternehmen” sind Restbestände als Staatsfunktionen im Grundgesetz und in der Realität geblieben, die verdienten, auf ihre ökonomische Funktion hin untersucht zu werden: die Infrastrukturgewährleistungen in den Art.

87e Abs. 4 und 87f Abs. 1 GG, die Regulierungsbehörde für Post und Telekommunikation nach Art. 87f Abs. 3 GG. Inwieweit werden diese denn für die Profitinteressen der Privatunternehmen des jeweiligen Sektors dienstbar gemacht und ihnen untergeordnet? Einbeziehen sollten wir in diesen Zusammenhang vielleicht die staatliche Kreation neuer Formen von Eigentum, von Kapital - etwa durch Versteigerung von UMTS-Lizenzen im Bereich der Telekommunikationswirtschaft.

IX.

Wir erinnern uns auch noch einer Variante der Theorie vom Staatsmonopolistischen Kapitalismus, die weniger die Einbeziehung staatlicher Funktionen in den ökonomischen Prozess und stärker die Verflechtung von Monopol- und Staatsmacht, auch in personeller Hinsicht, in den Vordergrund stellte.(68) Das mag analytisch nicht so tief gegangen sein. Ganz falsch war es
aber nicht, gerade angesichts der Geschichte der Berliner Bankgesellschaft und der handelnden Personen. Obwohl es Spaß bereiten würde, kann das hier nicht einmal für die wichtigsten Akteure ausgebreitet werden.

Aber Ditmar Staffelt, der mit der naiven Dreistigkeit eines Zauberlehrlings, mit Schläue und Beharrlichkeit seinen Beitrag zur Schaffung der Bankgesellschaft geleistet hat, verdient doch noch eine Bemerkung. Im Munziger-Archiv lässt er nämlich verbreiten: „Zu den größten politischen Erfolgen St.s werden vor allem die Rechtsformumwandlung der Eigenbetriebe gezählt
sowie die Bankenfusion von Landesbank Berlin, Berliner Bank und Berliner Hypobank zur Bankgesellschaft Berlin.“

Nach seiner Flucht aus den Berliner Spitzenfunktionen, deren wirkliche Gründe bis heute nicht nachvollziehbar sind, gelang Staffelt 1998 der Wechsel in den Deutschen Bundestag. Dort erwarb er sich erste Sporen in der Wahrnehmung der Interessen der deutschen Automatenindustrie bei der Umstellung auf den Euro und stieg folgerichtig zum wirtschaftspolitischen Sprecher der SPD-Fraktion auf. Jetzt hat er seine Karriere durch ein neues Aufgabenfeld gekrönt: Als ausgewiesener und vorausschauender Wirtschaftsexperte ist er nicht nur Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit. Zugleich nimmt er seit dem 27. November 2002 in würdiger Nachfolge des CSU-Altlobbyisten Erich Riedl die Aufgabe eines Koordinators für die Deutsche Luft- und Raumfahrt wahr. Die entsprechenden Großunternehmen werden es zufrieden sein. Die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler aber müssen gespannt sein, was ihnen da noch blühen kann!
 

Anmerkungen :

(1) Dr. Peter Mitzscherling, inzwischen verstorbener Wirtschaftssenator
(2) seit 2002: Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit
(3) ABl. EG v. 14. 06. 2002 – C 141/2, S. 14
(4) Wochenbericht des DIW 10/2002, S. 171
(5) GVBl. 2002, S. 121
(6) Ein Jahreshaushalt des Landes Berlin hat die Größenordnung von etwa 20 Mrd. €.
(7) Der Betrag von „3.730 Mio. €“ war in dem ursprünglichen Gesetzentwurf des Senats vom 19. Februar 2002 angegeben (Drucksache 15/208).
(8) s. Fußn. 3, S. 3
(9) Drs. 15/208-1
(10) Dabei setzt sich der „rot-rote“ Senat objektiv an die Spitze der Neoliberalen, die mittels eines Konkurrenzföderalismus eine allgemeine Verschlechterung der Lebensverhältnisse in Deutschland auf den Weg bringen wollen.
(11) empört zitiert in der taz vom 14.10.2002
(12) Dabei wird die Postbank AG, die nur einen Teil der üblichen Dienste anbietet, außer acht gelassen.
(13) Unter Sparkassen werden hier nur die kommunalen Sparklassen verstanden, nicht die privaten Institute, die aus Gründen der Tradition den Namen fortführen (dürfen) wie die Frankfurter Sparkasse von 1822
(14) a.a.O., S. 10 - Bei Hans-Günter Henneke, Entwicklungsperspektiven kommunaler Sparkassen in Deutschland, Stuttgart München Hannover Berlin Weimar Dresden (2000), wird die Anzahl mit 19.217 angegeben.
(15) Kronberger Kreis, a.a.O., S. 12
(16) a.a.O., S. 14 - Die Zahlen machen auch deutlich, dass die Sparkasse auch die besten, die Großbanken die schlechtesten Steuerzahler sind.
(17) a.a.O., S.2118 a.a.O., S. 22 - In § 3 des Berliner Sparkassengesetzes i. d. F. v. 28. Juni 1973 (GVBl. 970) heißt es etwa: "Für die Verbindlichkeiten der Sparkasse haftet Berlin als Gewährträger unbegrenzt."
(19) Blume a.a.O., S.23
(20)  „Die Sparkasse hat die Aufgabe, den Spargedanken zu pflegen und zu fördern. Sie gibt Gelegenheit, Spargeld sicher und verzinslich anzulegen. Die Sparkasse betreibt die in ihrer Satzung vorgesehenen Geschäfte ohne Gewinnstreben nach wirtschaftlichen Grundsätzen und dient der Befriedigung des örtlichen Kreditbedarfs, insbesondere des Mittelstands und der wirtschaftlich schwächeren Bevölkerungskreise.“ (§ 3 SparkG) – Die „Zulässigen Geschäfte“ waren in § 13 der Satzung der Sparkasse (GVBl. 219) der Stadt Berlin West“ vom 22. Januar 1969 aufgezählt.
(21) § 5 Abs. 5 SparkG
(22) Nach der Herstellung der deutschen Einheit übernahm die niedersächsische Norddeutsche Landesbank (NordLB) die Aufgaben einer Landesbank auch für Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt und die Hessische Landesbank (Helaba) für Thüringen. Die Westdeutsche Landesbank (WestLB) nimmt für Brandenburg die Girozentralfunktion war, nicht aber die einer Hausbank. Im übrigen gibt es inzwischen Verflechtungen zwischen verschiedenen Landesbanken.
(23) Die Landesbanken erzielen dabei aber die niedrigsten Eigenkapitalrenditen von allen Bankengrupppen. (vgl. Frankfurter Institut, a.a.O., S. 13)
(24) Der „Helaba-Fall“ 1975/76 kostete dann auch im Rahmen der Anstaltslast 2,5 Mrd. DM. (Henneke, a.a.O. S.137)
(25) statt aller: Stern, Klaus, Die kommunalen Sparkassen im Visier der Europäischen Kommission, in: Festschrift
für Manfred Rommel, Stuttgart (1997), S. 211
(26) Entscheidung der EU-Kommission 8. Juli 1999 (2000/392), Nr. 177
(27) Mitteilung vom 24. November 1999 (ABl. EG 2000, S 71/14)
(28) www.bundesfinanzministerium.de
(29) Henneke, a.a.O., S. 113, sieht darin die Modifikation „von einer liberalen zu einer sozialen Marktwirtschaft“.
(30) a.a.O., S. 124
(31) Protokoll der 36. Sitzung der II. Wahlperiode, S. 56
(32) Drucksache 2/515
(33)Senat von Berlin, Berlin – Ringen um Einheit und Wiederaufbau 1948-1951, Berlin (1962), S. 699
(34) Vermerk der Finanzverwaltung von 27. Februar 2002
(35) namentlich genannt sind: Anna Damrat, Jürgen Egert, Kurt Geppert, Otto Huter, Klaus Peter Kisker, Christoph Landerer, Rainer Mischke, Kurt Neumann, Werner Ruhnke, Harald Schönell, Dieter Scholz, Hans Stimmann, Gert Wartenberg, Klaus-Peter Wolf
(36) Die erste Fassung der Ausarbeitung wurde teilweise abgedruckt in: Wirtschaftskrise und regionale Gegenwehr,
spw-Sonderheft 4, Berlin (1983), S.165
(37) nach dem Gesetz zur Förderung der Berliner Wirtschaft – Neufassung vom 22. Dezember 1978
(38) Die aktuellen finanziellen Belastungen des Berliner Landeshaushalts aus diesem Bereich sind neben dem Bankenskandal
eine Hauptursache für die aktuelle katastrophale Lage.
(39) vgl. das vorangestellte Zitat aus dem Protokoll einer Sitzung der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus
(40) Dahinter steckte eine Arroganz, die der SPD-Wirtschaftsexperte Staffelt in seiner bereits angesprochenen Rede im Abgeordnetenhaus am 12. März 1998 so zum Ausdruck brachte: „Wenn es nach einigen hier gegangen wäre, hätte Berlin immer noch seine Sparkasse, die nur Oma Krauses Sparbücher aushändigt.“ (a.a.O., S. 3234 D)
41 Finanzsenator Sarrazin nach der Ausarbeitung von Hans-Georg Lorenz (MdA) und Gerlinde Schermer, „Wer ist schuld an der Bankenkrise?“, S. 2
(42) § 3 Abs. 1 und 6 LBB-Gesetz. - Die nähere Umschreibung der öffentlichen Aufgaben wurde erst im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens - von der CDU bis zum Schluss bekämpft - eingefügt. Sonst ist ein Einfluss der AL und der SPD-Linken im Gesetz nicht erkennbar.
(43) Abg. (SPD) im Abgeordnetenhaus am 28. Oktober 1993
(44) Wegen der Übertragung des Kapitals der WBK auf die Landesbank hat die EU-Kommission am 2. Juli 2002
ein Verfahren nach Art. 88 Abs. 2 EGV eingeleitet. (ABl. EG 2002, S 239/24) Nach den Entscheidungen zur
Übertragung der nordrhein-westfälischen WfA auf die WestLB war bereits seit 1999 damit zu rechnen, dass die
Landesbank einen Betrag von etwa 2 Mrd. DM zuzüglich Zinsen an das Land zurückzahlen muss.
(45) Dehnhardt, Albrecht, Zurück zur Verfassung! – Folgerungen aus dem Scheitern der Bankgesellschaft Berlin,
Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege, Beiträge aus dem FB 1, Heft 76, Berlin (2002)
(46) Aufsichtsratsvorsitzender seit 1978 war Edzard Reuter. Er blieb es bis 1999. Von 1987 bis 1995 war er im übrigen
Vorstandsvorsitzender bei Daimler Benz.
(47) Als die Berliner Bank AG dann 1999 mit der Holding fusioniert wurde, erhielt die Holding den Namen Bankgesellschaft
Berlin (BGB). Sie ist seither direkt im Bankgeschäft unter Firma „Berliner Bank“ tätig.
(48) Eine öffentliche Fundstelle für diesen öffentliches Eigentum betreffenden Vertrag ist nicht bekannt geworden.
(49) Fett, a.a.O., S. 93
(50) „Muss die (LBB) bei allen ihren geschäftlichen Aktivitäten ihre öffentlich-rechtlichen Vorgaben beachten, so bleibt kein Raum, in dem eine privatrechtliche Fremdsteuerung aufgabenunschädlich wäre.“ (AG 1996, S. 140, 142)
(51) Urteil vom 21. 10. 1999 (DVBl. 2000, 51)
(52) Hinzu kam der übermächtige informelle Einfluss des CDU-Fraktionsvorsitzenden im Abgeordnetenhaus, Klaus-Rüdiger Landowsky, der Vorstandsvorsitzenden der BerlinHyp und Immoblienzuständiger im Konzernvorstand war.

(53) Banghard, Axel, Berlin – Transformation eine Metropole, in: Süß, Werner, Hauptstadt Berlin, Bd. 2, Berlin (1995), S.451
(54) a.a.O., S. 454
(55) Die fünfzigprozentigen Sonderabschreibungen nach § 4 des Fördergebietsgesetzes sind ab 1997 jedoch außer Kraft gesetzt.
(56) Banghard, a.a.O., S.453
(57)  a.a.O., S. 454 - Insoweit erfolgte „die Nachversteuerung der Veräußerungsgewinne zum halben durchschnittlichen
 Steuersatz.“ Diese Möglichkeit ist aber durch die Steuerreform 1999/2000/2002 weitgehend aufgehoben worden. (Gabler, Bank-Lexikon, Artikel „Verlustzuweisungsgesellschaft“, Wiesbaden (1999), S. 1329)
(58) Es wäre erstaunlich, dass die anderen Banken gegen dieses Geschäftsgebaren nicht nach dem Gesetz gegen den Unlauteren Wettbewerb (UWG) vorgegangen sind, wenn nicht andere Banken an den Krediten mitverdient und einzelne ihrer Manager sich an „Promi-Fonds“ der Bankgesellschaft beteiligt hätten.
(59) so etwa aus dem AUBIS-Engagement der CDU-Mitglieder und Parteispender Neuling und Wienhold
(60) Ein Positionspapier dazu mit dem Titel „Das Land Berlin vor Immobilienrisiken abschirmen! – Anlieger, Miteigentümer und Banker an den Lasten beteiligen“ vom 7. April 2002 übermittelt der Autor (neumann@bt.pdsonline.de) auf Anfrage als Wortd97-Datei.
(61) Die FAZ vom 30. Januar 2003 mutmaßt: „Würde das Land jegliche Risikoübernahme ablehnen, wäre der Kaufpreis negativ; die Erwerber müssten also mit einer Milliardenprämie gelockt werden.“
(62) Das gilt für die nicht abgeschirmten Insider- Fonds.
(63) So hat etwa eine Tochtergesellschaft in Dublin auf internationalen Märkten Beträge von insgesamt etwa 10 Mrd. € aufgenommen.
(64). In diesem Zusammenhang muss es erlaubt sein, darauf hinzuweisen, dass die LBB im Rahmen von Anlagewerbung im Internet nicht auf die (noch) dem Land Berlin gehörende Versicherungsgruppe Berliner Feuerversicherung / Berliner Leben hinweist, sondern auf die Gothaer
(65) Rügemer, Werner, Wenn der Privatisierer kommt ... - Wasser und Abwasser in Sachen (Hg.: PDSLandtagsfraktion),
Dresden (2002), S. 24 ff.
(66) a.a.O., S. 31 ff.
(67) Insoweit sei an das grundlegende Werk „zur Theorie des Staatsmonopolitischen Kapitalismus” (Berlin, 1967) von Rudi Gündel, Horst Heininger, Peter Hess und Kurt Zieschang erinnert.
(68) Otto Reinhold u. a., Imperialismus heute (Berlin, 1965) - zu den verschiedenen Theorievarianten immer noch lesenswert: Wirth, Margret, Kapitalismustheorie in der DDR, Frankfurt/Main (1972)