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Aus Ohne Rüstung Leben Informationen 129 2/2009 (Seiten 1 und 2
gescannt)
Für Sicherheit und optische Reinheit wird umfassend gesorgt. Ein
Wächter mit Knopf im Ohr bittet im Foyer einen Jungaktionär, doch sein T-Shirt
auszuziehen. Dieser deckt es darauf hin artig mit seiner Jacke zu. Auf dem
Shirt: Dieter Zetsches Konterfei unter der Frage »Kennen Sie Deutschlands
größten Waffenhändler?«. Eine Anspielung auf die 22,5 Prozent Anteile an
Stimmrechten, die Daimler immer noch am Luftfahrt- und Rüstungskonzern EADS
hält.
Konzernchef Dieter Zetsche indessen verliert in seiner Rede zu Beginn der
Hauptversammlung kein Wort über Waffen, dafür umso mehr über Autos. Nach zwölf
Stunden klingeln einem die Ohren. Noch bis in die entlegendste Toilette des ICC
wird der Ton der jährlichen Generaldebatte übertragen. 8.000 Menschen sind
gekommen, um die Top- Manager eines der großen DAX-Konzerne live zu erleben.
Doch »die großen Stars dieses Tages sind eindeutig die Kritischen Aktionäre«
sendet Deutschlandradio Kultur über den Äther. Sie prangern »unverblümt und
angriffslustig die Rüstungsverwicklungen der Daimler AG« an.
Keine Entlastung für Vorstand und Aufsichtsrat
»Für Profite durch Waffengeschäfte, einseitigen Lohnverzicht zu Lasten der
Belegschaft und Elektroautos mit Atomstrom gibt es durch uns keine Entlastung von
Vorstand und Aufsichtsrat« kündigt Paul Russmann bereits auf den beiden gut
besuchten Pressekonferenzen in Stuttgart und Berlin im Vorfeld der
Hauptversammlung an. »Die Modell- und Entwicklungspolitik der letzten Jahre ist
keine Erfolgsstory«, konstatieren die Kritischen Aktionäre in einer aktuellen
Studie. Zu spät habe sich Daimler zum Beispiel mit der Hybrid-Technologie
beschäftigt und die Zeit mit der weniger aussichtsreichen
Brennstoffzellen-Technologie verplempert. In punkto CO2-Verbrauch hinke Daimler
deutlich hinter dem Konkurrenten BMW her, kritisiert Alexander Dauensteiner,
Verkehrsexperte der Kritischen Aktionäre. »Den Ausstieg aus der Formel i, den
Verzicht auf die Dividende für das Jahr 2008 und den Verkauf von EADS-Anteilen
als Alternative zur Senkung von Arbeitskosten auf dem Rücken der Belegschaft«
forderte Beate Winkler-Pedernera, Sprecherin der Kritischen Aktionäre für den
Bereich Beschäftigungspolitik.
Schweigeminute für die Opfer
Die von Ohne Rüstung Leben koordinierten Kritischen Aktionäre Daimler rufen in
der Hauptversammlung 2009 erstmals zu einer Schweigeminute für die Opfer der
Daimler/EADS-Rüstungsexporte auf. »Daimler produziert Waffen, Daimler
produziert Opfer. Wer dieser Opfer gedenken will, der stehe jetzt auf.« Mehr
als hundert Aktionärinnen und Aktionäre folgen im Messezentrum unter den
versteinerten Blicken von Vorstand und Aufsichtsrat dem Aufruf von Jürgen
Grässlin, Rüstungsexperte der Kritischen Aktionäre. Grässlin verlangt von
Dieter Zetsche »eine lückenlose Aufklärung über die Lieferung von Mercedes-Lkw mit
israelischen Streumunitionswerfern ins Kriegsgebiet Georgien und den Ausstieg
aus der Beteiligung an dem Rüstungskonzern EADS.« »Die Beteiligung an der
Produktion von Streumunitionswerfern, Atomwaffen- Trägersystemen und
Kampfflugzeugen sowie Rüstungsexporte sind ethisch verwerflich und
wirtschaftlich schädlich«, kritisiert Paul Russmann in seinem Redebeitrag und
macht auf den damit verbundenen Imageschaden aufmerksam. »Nachhaltigkeitsfonds
schließen deshalb Daimler-Aktien aus ihren Portfolios aus, potenzielle Kunden
entscheiden sich beim Kauf gegen Autos der Mercedes Car Group.«
Fondsgesellschaften fordern Ausstieg aus der EADS
Überraschung: Nicht nur die Kritischen Daimler-Aktionäre werfen dem Konzern
ethisches Versagen vor; zum ersten Mal klagen auf der Hauptversammlung auch die
profitorientierten Fondsgesellschaften moralische und soziale Positionen ein
und fordern den Ausstieg aus der EADS. Die Frankfurter Rundschau kommentiert
dies so: »Logisch -wenn auch reiche Menschen für Umweltschutz eintreten und
Waffenproduktion ablehnen, wäre die entgegengesetzte Haltung für die Fonds
langfristig unrentabel.« Auf die Frage an den Finanzvorstand der Daimler AG,
Bodo Uebber, »sind Sie als kommender Chairman des Board of Direktors der EADS
bereit, sich mit uns Kritischen Aktionären an einen Tisch zu setzen und die
Folgen der Daimler-Waffenexporte anhand konkreter Fallbeispiele zu
diskutieren«, lautete die Antwort, »ja dazu bin ich bereit«.
Paul Russmann
- Aktionskarten »Kennen Sie Deutschlands größten Waffenhändler?« (siehe
Abb. S.1) und Einzelexemplare der »EADS-Studie« können Sie kostenlos mit dem
Bestellabschnitt auf der Rückseite dieser Ohne Rüstung Leben- Informationen
bzw. unter orl-info@gaia.de anfordern.
- Die beiden Studien der Kritischen Aktionäre zu »Daimler« bzw. »EADS« können
Sie als Dateien unter -orl-info@gaia.de anfordern. Weitere Informationen und
Downloads unter www.kritischeaktionaere.de und
www.wir-kaufen-keinen-mercedes.de.
Fotoreihe (Fotos; Jürgen Crässlin)
Die Daimler AG ist mit 15
Prozent grösster Anteilseigner am Luftfahrt- und Rüstungskonzern European
Aeronautic Defence and Space Company (EADS). Weitere 7,5 Prozent der
Stimmrechtsanteile hat die Daimler AG über ein Konsortium aus 15 Investoren
übernommen. Laut Jahrbuch 2008 des Stockholmer Friedensforschungsinstituts
SIPRI rangiert die EADS mit Rüstungsverkäufen im Volumen von 12,6 Milliarden
US-Dollar auf Platz 7 der Weltwaffenexporteure und auf Platz 2 in Europa.
Daimler/EADS profitiert zudem über Beteiligungen am Lenkflugkörperproduzenten
»MBDA«, am weltweit führenden Hersteller von Militärhubschraubern »Eurocopter«
und dem Hersteller militärischer Satelliten »EADS Astrium« am Geschäft mit dem
Tod (SIPRI-Jahrbuch 2008, »Die 100 größten waffenproduzierenden Unternehmen
2006«).
Die Produktpalette von Daimler/EADS mit ihren Beteiligungen reicht von der
Herstellung von Kampfflugzeugen und Militärhubschraubern über
Streumunitionswerfer bis hin zu Atomwaffenträgersystemen.
Eine führende Position auf dem Weltmarkt nimmt zudem der Rüstungskonzern MBDA
ein, dessen Anteilseigner EADS 37,5 Prozent des Kapitals hält. Die MBDA baute
ihre Stellung als »weltweit führender Anbieter von Lenkflugkörpersystemen«
weiter aus. »Aus dem Nahen Osten und anderen Regionen gingen Exportaufträge
über bodengestützte Panzerabwehrraketen ein«, jubilierte die EADS. Zukünftig
sollen die Umsätze dank der »wachsenden Nachfrage in militärischen und
paramilitärischen Exportmärkten erheblich zunehmen«.