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OZ vom 15.02.2006

Gießener Gericht lehnt vorläufige Genehmigung für Strompreiserhöhung ab

Eilantrag der ovag Energie AG gegen Ministerium erfolglos - „Wirtschaftliche Folgen nicht deutlich gemacht"

GIESSEN (eb). Die 10. Kammer des Verwaltungsgerichts Gießen hat gestern einen Eilantrag der ovag Energie AG abgelehnt, mit dem das Energieunternehmen eine vorläufige Genehmigung von Strompreiserhöhungen ab l. Januar 2006 hatte erstreiten wollen.

Mit der Begründung, die Strombeschaffungskosten seien deutlich gestiegen und zur Vermeidung von Verlusten sei eine Erhöhung der Absatzpreise erforderlich, hatte die ovag Energie AG die Genehmigung einer Preiserhöhung zum l. Januar beantragt, der das Ministerium bisher nicht entsprochen hat und die es abzulehnen beabsichtigt, da die vorgetragenen Steigerungen im Bereich der Beschaffungskosten von Elektrizität durch die zu erwartenden fallenden Kosten der Netznutzung kompensiert würden.

Die ovag Energie AG argumentierte, die Kosten der Beschaffung von Energie hätten sich bereits im Verlauf des Jahres 2005 deutlich erhöht, auch 2006 werde es zu einer weiteren Erhöhung der entsprechenden Tarife kommen, so dass gegenüber dem Vorjahr mit zusätzlichen Kosten in Höhe von mehreren Millionen Büro zu rechnen sei. Eine Kompensation mit sinkenden Nutzungsentgelten sei auszuschließen, da die von dem örtlichen Netzbetreiber OVAG veranschlagten Nutzungsentgelte in der Höhe sachgerecht seien.

Das Verwaltungsgericht hat mit der Entscheidung der ovag Energie AG den vorläufigen Rechtsschutz versagt, weil sie nach Auffassung der Kammer keinen Anordnungsgrund für eine vorläufige Genehmigung glaubhaft gemacht hat. Eine einstweilige Anordnung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren setzt voraus, dass eine Entscheidung in der Hauptsache nicht abgewartet werden kann und eine einstweilige Regelung zur Abwehr wesentlicher beziehungsweise unzumutbarer Nachteile erforderlich ist.

Solche Nachteile bestünden nicht allein in einem möglichen finanziellen Schaden, so die Kammer, sondern lägen erst dann vor, wenn dieser Schaden in der Höhe erheblich erscheine, sich anderweitig nicht abwenden lasse und mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zu einer die Existenz des Unternehmens bedrohenden Gefährdung der finanziellen Verhältnisse führen werde. Alle drei Voraussetzungen sah die Kammer als nicht ausreichend glaubhaft gemacht. Die im Verfahren offengelegten Zahlen bewiesen bei der im Eilverfahren nur möglichen summarischen Prüfung nicht zwingend die von der ovag Energie AG befürchteten Verluste, deren Prognosen dem Gericht als nur zum Teil nachvollziehbar erschienen.

Die Kostenstruktur der ovag Energie AG und deren Ansätze seien nicht vollständig aufgearbeitet. Hierzu bedürfe es auch in einem Hauptsacheverfahren einer intensiven Auseinandersetzung mit der Gewinn- und Verlustrechnung der ovag Energie AG, die bislang nicht vorgelegt worden sei. Auch bestehe für die ovag Energie AG die Möglichkeit, Verluste etwa durch Preiserhöhungen bei den Sonderkunden beziehungsweise Kunden mit freien Verträgen kurzfristig zu kompensieren. Im Übrigen könne die ovag Energie AG auch deshalb auf eine Entscheidung des Ministeriums verwiesen werden, weil' sie die Möglichkeit habe, die möglichen Einnahmeausfälle durch eine spätere Anpassung der Tarife auszugleichen.

„Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Gießen gegen das Stromunternehmen ovag energie AG ist ein weiterer Erfolg für die Stromverbraucher. Der Beschluss der drei Richter ist auch eine Bestätigung für die sorgfältige Prüfung der Strompreisanträge im Hessischen Wirtschaftsministerium." So kommentierte Hessens Wirtschaftsminister Dr. Alois Rhiel die Niederlage des Stromunternehmens. „Das Nein zu höheren Strompreisen ist weiterhin doppelt gerechtfertigt: Zum einen machen die meisten Stromunternehmen aufgrund des völlig ungenügenden Wettbewerbs im Strommarkt hohe Gewinne. Zum anderen können sie im laufenden Jahr mit sinkenden Netzkosten rechnen. Solange die Stromkunden nur geringe Wahlmöglichkeiten haben, weil es keinen ausreichend wirksamen Wettbewerb gibt, müssen die Länder durch eine strenge Preiskontrolle verhindern, dass die regionalen Monopolisten die Stromkunden ausbeuten."

Anders bewertet ovag Energie-Vorstand Rainer Schwarz die Entscheidung. Das Gericht habe seine Entscheidung ausdrücklich damit begründet, dass die ovag Energie AG versuchen könne, die ihr im ersten Halbjahr 2006 entstehenden Einnahmeausfälle dadurch zu kompensieren, dass sie beim Ministerium höhere Tarife beantragt als bisher. „Wenn das Ministerium in seiner Erwiderung behauptet, wir könnten unsere Mehrkosten durch eine Tariferhöhung ab l. Juni 2006 gegenüber den Kunden unbegrenzt nachholen, ist das Augenwischerei", kritisiert Rainer Schwarz.

„Wir befinden uns voll im Wettbewerb und wären dann mit unseren Preisen nicht mehr wettbewerbsfähig." Damit sei eine Wettbewerbsverzerrung vorprogrammiert. „Mit der geänderten Haltung des Ministeriums kommen wir dem rechtsstaatlichen Verfahren, das wir seit Jahren gewohnt sind und auf das man sich immer verlassen konnte, wieder ein Stück näher", so Rainer Schwarz. „Damit haben wir in diesem Verfahren einen ersten wichtigen Schritt getan." Weitere würden folgen.