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http://www.ftd.de/meinung/kommentare/124724.html
von Peter Ehrlich
Bundespräsident Horst Köhler hat die Privatisierung der Flugsicherung gestoppt
und damit Bundesregierung und Bundestag kräftig vor das Schienbein getreten.
Das ist ein seltener und bemerkenswerter Vorgang, aber alles andere als eine
Verfassungskrise.
Köhler geht zwar an den Rand seiner Kompetenzen, weil die Überprüfung von
Gesetzestexten auf Verfassungsmäßigkeit eigentlich Sache des
Bundesverfassungsgerichts ist. Aber tatsächlich gibt der Artikel 87d des
Grundgesetzes eine Mehrheits-Privatisierung dem Wortlaut nach nicht her. Dort
steht kurz und bündig: "Die Luftverkehrsverwaltung wird in bundeseigener
Verwaltung geführt." Die wäre bei einem Mehrheitsverkauf nicht mehr
gegeben.
Köhler hat klargestellt, dass es ihm nicht darum geht, die Privatisierung zu
verhindern, aber dass dafür das Grundgesetz geändert werden muss. Genau das
haben die Verkehrspolitiker von Koalition und FDP schon angekündigt. Da fragt
sich: Warum wurde das Grundgesetz nicht gleich geändert? Nur weil die
Linkspartei in der Anhörung die verfassungsrechtlichen Bedenken am lautesten
artikuliert hat? Das spricht nicht für gute handwerkliche Arbeit.
Teure Nachbesserung
Die Nachbesserung ist teuer, weil dem Bund in diesem Jahr 1 Mrd. Euro an
Privatisierungserlösen entgehen. Glück für Finanzminister Peer Steinbrück, dass
er das Geld dieses Jahr gar nicht braucht und den Erlös später einstreichen
kann. Auch die DFS und die Fluggesellschaften können damit leben, zumal die DFS
als ersten Schritt vor der Privatisierung ihre Bilanz umstellen muss. Die
Privatisierung wird aller Voraussicht nach ein Jahr später stattfinden als
geplant.
Privatisierungsgegner versuchen nun, aus Köhlers Spruch gleich eine generelle
Trendwende beim Thema Privatisierung herauszulesen.
WR: Eine Grundsatzdiskussion gegen Privatisierung wird also hier
erwartet . Dann sollte sie auch erfolgen.
Das ist Quatsch.
WR: Das ist ein kein Quatsch : Privates Recht (z.B. Aufsichtsrat)
zerstört z. B. das Recht von demokratisch legitimierten Parlamenten und verstößt damit gegen den
Art. 20 Grundgesetz, Abs.1 ("Die BRD ist ein demokratischer und sozialer
Bundesstaat"), der im GG nach Art. 79, Abs.3 GG noch nicht einmal geändert
werden darf.
Bei der Bahn-Privatisierung regelt das Grundgesetz ausdrücklich, dass der Bund mehr als die Hälfte der Anteile halten muss, hier wird nur eine Minderheitsbeteiligung privatisiert.
WR: Auch diese Regelung könnte man rechtlich in Frage stellen, da ja
hierzu bereits die Umwandlung des Eigenbetriebs in eine AG als Demokratieabbau
angesehen werden kann.
Und der Wohnungsbestand im Besitz des Berliner Senats oder anderer Städte ist gewiss keine hoheitliche Aufgabe.
WR : Kann aber als eine soziale Aufgabe gemäß Art. 20 GG angesehen
werden.
Politisch bleibt übrig, dass
das Verkehrsministerium gerade kein gutes Bild abgibt. Der Bundespräsident
schickt ein Gesetz zurück, und im Bundestag gibt es Widerstand dagegen, dass
sich Minister Wolfgang Tiefensee bei der Bahn-Privatisierung zu sehr von
Bahnchef Hartmut Mehdorn beeinflussen lässt.
ftd.de,
24.10.2006
© 2006 Financial Times Deutschland
WR: Übrigens sieht das GG keine Privatisierungen, aber „Überführungen
in Gemeineigentum“ vor.