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Kommentar von ftd

WR: Mein Kommentar

 

Kein Drama - aber mehr als eine Panne

von Peter Ehrlich

Bundespräsident Horst Köhler hat die Privatisierung der Flugsicherung gestoppt und damit Bundesregierung und Bundestag kräftig vor das Schienbein getreten. Das ist ein seltener und bemerkenswerter Vorgang, aber alles andere als eine Verfassungskrise.
 
Köhler geht zwar an den Rand seiner Kompetenzen, weil die Überprüfung von Gesetzestexten auf Verfassungsmäßigkeit eigentlich Sache des Bundesverfassungsgerichts ist. Aber tatsächlich gibt der Artikel 87d des Grundgesetzes eine Mehrheits-Privatisierung dem Wortlaut nach nicht her. Dort steht kurz und bündig: "Die Luftverkehrsverwaltung wird in bundeseigener Verwaltung geführt." Die wäre bei einem Mehrheitsverkauf nicht mehr gegeben.

Köhler hat klargestellt, dass es ihm nicht darum geht, die Privatisierung zu verhindern, aber dass dafür das Grundgesetz geändert werden muss. Genau das haben die Verkehrspolitiker von Koalition und FDP schon angekündigt. Da fragt sich: Warum wurde das Grundgesetz nicht gleich geändert? Nur weil die Linkspartei in der Anhörung die verfassungsrechtlichen Bedenken am lautesten artikuliert hat? Das spricht nicht für gute handwerkliche Arbeit.

Teure Nachbesserung

Die Nachbesserung ist teuer, weil dem Bund in diesem Jahr 1 Mrd. Euro an Privatisierungserlösen entgehen. Glück für Finanzminister Peer Steinbrück, dass er das Geld dieses Jahr gar nicht braucht und den Erlös später einstreichen kann. Auch die DFS und die Fluggesellschaften können damit leben, zumal die DFS als ersten Schritt vor der Privatisierung ihre Bilanz umstellen muss. Die Privatisierung wird aller Voraussicht nach ein Jahr später stattfinden als geplant.

Privatisierungsgegner versuchen nun, aus Köhlers Spruch gleich eine generelle Trendwende beim Thema Privatisierung herauszulesen.

WR: Eine Grundsatzdiskussion gegen Privatisierung wird also hier erwartet . Dann sollte sie auch erfolgen.

Das ist Quatsch. 

WR: Das ist ein kein Quatsch : Privates Recht (z.B. Aufsichtsrat) zerstört z. B. das Recht von demokratisch legitimierten   Parlamenten und verstößt damit gegen den Art. 20 Grundgesetz, Abs.1 ("Die BRD ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat"), der im GG nach Art. 79, Abs.3 GG noch nicht einmal geändert werden darf. 

Bei der Bahn-Privatisierung regelt das Grundgesetz ausdrücklich, dass der Bund mehr als die Hälfte der Anteile halten muss, hier wird nur eine Minderheitsbeteiligung privatisiert.

WR: Auch diese Regelung könnte man rechtlich in Frage stellen, da ja hierzu bereits die Umwandlung des Eigenbetriebs in eine AG als Demokratieabbau angesehen werden kann.

Und der Wohnungsbestand im Besitz des Berliner Senats oder anderer Städte ist gewiss keine hoheitliche Aufgabe.

WR : Kann aber als eine soziale Aufgabe gemäß Art. 20 GG angesehen werden.

Politisch bleibt übrig, dass das Verkehrsministerium gerade kein gutes Bild abgibt. Der Bundespräsident schickt ein Gesetz zurück, und im Bundestag gibt es Widerstand dagegen, dass sich Minister Wolfgang Tiefensee bei der Bahn-Privatisierung zu sehr von Bahnchef Hartmut Mehdorn beeinflussen lässt.

ftd.de, 24.10.2006
© 2006 Financial Times Deutschland

WR: Übrigens sieht das GG keine Privatisierungen, aber „Überführungen in Gemeineigentum“ vor.