Zurueck zur Homepage
Interview
"Atomkraft lässt sich problemlos ersetzen"
Hubert Weiger, Chef des Umweltverbandes BUND, über
Stromversorgung und die Erpressung durch Energiekonzerne.
Die Stromkonzerne warnen: Deutschland
droht eine Stromlücke, weil Umweltschützer keinen Atomstrom
wollen und Kohlekraftwerke blockieren. Herr Weiger, nehmen Sie in Kauf,
dass wir bald Blackouts kriegen?
Das Märchen von der Stromlücke ist nichts anderes als ein
Erpressungsversuch der Energiekonzerne. Sie wollen den Atomausstieg
hinauszögern und weiter mit kostenlosen CO2-Emissionsrechten
Milliardengewinne machen. Investitionen in erneuerbare Energien und die
effiziente Kraft-Wärme-Kopplung haben sie seit Jahren blockiert.
Übrigens hat Deutschland 2007 die Stromproduktion zweier AKW ins
Ausland exportiert - von einer Stromlücke kann also keine Rede
sein.
Tatsächlich liefern Kohle und
Atom heute mehr als 60 Prozent unseres Stroms. Wie wollen Sie das
ersetzen?
Die erneuerbaren Energien werden 2020 ein Drittel zur Stromerzeugung
beitragen,die Kraft-Wärme-Kopplung ebenfalls. Damit können
die AKW und die alten Kohlekraftwerke problemlos ersetzt werden. Wenn
wir bis 2050 den gesamten Strom aus erneuerbaren Energien erzeugen
wollen, müssen wir aber auch die Stromverschwendung beenden. Drei
Prozent weniger Stromverbrauch pro Jahr sind erreichbar. Zum Beispiel
müssen überflüssige Stand-by-Schaltungen von der EU
verboten werden.
-------------------------------
Zur Person
Hubert Weiger ist
seit Dezember Bundesvorsitzender des Bund für Umwelt und
Naturschutz (BUND).
Der
60-jährige Hochschulprofessor gilt als Agrarexperte und als
Verfechter einer konsequente Ökologisierung der Landwirtschaft.
In der
Energiepolitik macht er sich für eine dezentrale Versorgung stark,
die vor allem auf erneuerbaren Energieträgern (Sonne, Wind,
Buiomasse ) und der Kraft-Wärme-Koppelung beruht.
------------------------------
Sie sagen: Erneuerbare Energien statt
Atomkraft. Wind- und Solarenergie liefern aber keinen Grundlaststrom.
Es kann passieren, dass Windräder in einer Flaute wochenlang
stillstehen.
Erneuerbare Energien können sehr wohl Grundlast liefern,
Biogasanlagen mit Kraft-Wärme-Kopplung beispielsweise. Die Zukunft
liegt in dezentralen Kraftwerken, die flexibel vernetzt sind. Mit einem
Kombikraftwerk wurde nachgewiesen, dass die erneuerbaren Energien auf
die Sekunde genau den nötigen Strombedarf decken können. Aber
das passt Eon, RWE, Vattenfall und EnBW nicht, weil sie damit ihre
marktbeherrschende Stellung verlieren würden.
Die Biomasse-Energie ist umstritten.
Wollen Sie riesige neue Maisfelder für Biogas-Anlagen und für
Energie-Getreide?
Mit Agrokraftstoffen aus Raps und der Verbrennung von Getreide treibt
man tatsächlich den Teufel mit dem Beelzebub aus. Wir dürfen
das Klimaproblem nicht auf Kosten der Ernährung und der
Regenwälder lösen. Aber im Gegensatz dazu gibt es in
Deutschland noch genügend Reststoffe aus der Land- und
Forstwirtschaft für die Strom- und Wärmeerzeugung. In vielen
Städten wird noch nicht einmal Biomüll getrennt gesammelt, um
daraus Biogas zu erzeugen.
Sie wollen die
Kraft-Wärme-Koppelung forcieren. Die Strombranche sagt: Es gibt
für die Anlagen gar nicht genug Wärme-Abnehmer.
Das stimmt nicht. In jeder Stadt und jedem Wohn- und
Bürogebäude gibt es einen großen Heizwärmebedarf.
Es ist eine unverantwortliche Energieverschwendung, große
Kohlekraftwerke auf der grünen Wiese zu bauen, aus denen mehr als
die Hälfte der Energie über die Kühltürme verpufft.
In KWK-Anlagen werden dagegen 80 Prozent der Energie für Strom und
Wärme genutzt. In Deutschland beträgt der KWK-Anteil nur
zwölf Prozent, in Dänemark 50 Prozent. Und der Ausbau geht
schnell, wenn es politisch gewollt wird: In den Niederlanden wurde die
Kraft-Wärme-Kopplung in nur zehn Jahren verdreifacht.
Die Bundesregierung sieht in ihrem Klimaplan den KWK-Ausbau doch
bereits vor. Wirtschaftsminister Glos betreibt KWK-Förderung mit
angezogener Handbremse. Wenn mehr KWK-Anlagen gebaut werden, als von
der Regierung geplant, soll die Förderung nachträglich
reduziert werden. So vergrault man die Investoren. Der Gesetzentwurf
liegt jetzt im Bundestag. Die Abgeordneten sollten die
Vergütungssätze für KWK-Strom erhöhen und die
vielen Ausnahmen und Befristungen aufheben.
Interview: Joachim
Wille
[ document info ]
Copyright © FR-online.de 2008
Dokument erstellt am 07.02.2008 um 17:24:02 Uhr
Letzte Änderung am 07.02.2008 um 18:55:21 Uhr
Erscheinungsdatum 08.02.2008