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FR vom 07.06.2006
"Zerschlagung
der Bahn abwehren"
Transnet-Chef
Norbert Hansen über Konkurrenz im Verkehrauf der Schiene und die
Abtrennung des Netzes
Frankfurter Rundschau: Herr
Hansen, Sie haben mit Streiks bei der Bahn während der
Fußball-WM gedroht, wenn der Bund seinen Plan weiterverfolgt, den
Konzern in eine Netz- und eine Transportsparte zu trennen, um Letzteren
zu verkaufen. Das wird die Bahnfahrer, die ihr Spiel verpassen, kaum
für Ihr Anliegen einnehmen.
Norbert
Hansen: Wir zielen ja gar nicht auf die WM. Wir drohen aber mit
Streik für den Fall, dass die Bundesregierung die Entscheidung
trifft, den Bahnkonzern aufzuspalten. Denn damit entfiele die Grundlage
für unseren Beschäftigungssicherungsvertrag mit der Bahn, der
betriebsbedingte Kündigungen bis 2010 ausschließt. Tut die
Regierung das in den nächsten fünf Wochen, wie Gerüchte
besagen, dann werden wir genau prüfen, wie unsere Strategie
aussehen wird. Proteste könnten wir doch nicht abblasen, weil WM
ist. Es geht um die Jobs.
Im Bundestag gibt es kaum noch Befürworter der von Ihnen
geforderten integrierten Lösung, Wirtschafts- und
Verbraucherverbände machen Front dagegen.
Das Spiel ist nicht zu Ende. Die
Finanzpolitiker im Bundestag, die Koalitionsspitzen und die
Bundesregierung sind noch mitten in der Meinungsbildung.
Was soll sie beeindrucken?
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Interview
Norbert Hansen ist Vorsitzender der Gewerkschaft Transnet und Vizechef
des Aufsichtsrats der Bahn AG. Den Verkauf von DB-Teilen an
Finanzinvestoren lehnt Hansen ab. Er fürchtet den Einfall von
"Heuschrecken". In der Debatte über den Börsengang der Bahn
kämpft er vielmehr für den Erhalt eines "integrierten
Konzerns", der nicht nur Transporte abwickelt, sondern auch über
das 34 000 Kilometer lange Schienennetz verfügt. Transnet,
hervorgegangen aus der Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands, hat
rund 270 000 Mitglieder. jw
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Letzte Woche bei der Anhörung
zum Thema im Bundestag wurde klar: Den Konkurrenten der DB und ihren
Verbänden, die so vehement die Abtrennung des Netzes fordern, geht
es nicht darum, anstelle der Bahn einzelne Linien zu betreiben und den
Wettbewerb zu verbessern. Die wollen die DB und ihre
Geschäftsbereiche selbst übernehmen.
Eine Heuschrecken-Strategie?
Es ist klar: Die DB-Konkurrenten,
hinter denen ausländische Kapitalgeber stehen, wollen eine
Zerschlagung der Bahn, um die besonders profitablen Teile
herauszubrechen.
Sie argumentieren: Nur ein integrierter Konzern kann die Jobs sichern.
Die Befürworter einer Abtrennung des Netzes halten dagegen: Ein
dann stärkerer Wettbewerb bringt mehr Verkehr auf die Schiene -
und so unter dem Strich mehr Jobs als heute.
Wir sind nicht gegen Wettbewerb. Aber
die Erfahrung zeigt doch: Wenn andere, kleinere Unternehmen
Verkehrsleistungen von der Bahn wegnehmen, verstärkt das die
Tendenz zum Jobabbau. Die privaten Konkurrenten der DB arbeiten oft nur
mit der Hälfte der Leute, weil ihre Verwaltungen kleiner sind und
sie zum Beispiel keine Ausbildungswerkstätten unterhalten. Wer
bildet den Nachwuchs aus, wenn die DB filetiert wird ? Oder: Die DB
leistet sich ein Umweltzentrum mit Dutzenden Mitarbeitern - eine gute,
aber Kosten verursachende Sache, die bei der Konkurrenz unter den Tisch
fällt.
Transnet hat Tarifverträge mit Konkurrenten abgeschlossen. Sind
die Konditionen dort schlechter als bei der DB?
Die Bezahlung ist unter dem Strich
vergleichbar, die Arbeitszeiten sind meist flexibler geregelt.
Allerdings weigern sich die Arbeitgeber dieser Bahnen, mit uns einen
Flächentarifvertrag abzuschließen, der eine
Beschäftigungssicherung analog der DB beinhaltet. Das macht uns
skeptisch. Jobs zu erhalten, ist in einem großen Unternehmen
einfacher als in vielen kleinen.
Die Bahn hat seit 1990 als integrierter Konzern selbst radikal Jobs
gestrichen, es ging von fast 500 000 auf 250 000 runter. Was macht Sie
sicher, dass nur diese Konstruktion den weiteren Abbau aufhält?
Da mache ich mir keine Illusionen:
Der Arbeitsplatzabbau wird auf Grund von
Rationalisierungsmaßnahmen weiter gehen - allerdings bei den
Privaten genauso. Die Frage ist, ob wir diesen Prozess
sozialverträglich gestalten können oder nicht.
Bei einer integrierten Lösung könnte der Bund nur wenig Geld
für Schienennetz und Bahnhöfe erlösen, die aber zum
großen Teil aus Steuergeld finanziert wurden. Das wäre
Verschleuderung von Volksvermögen.
Das sehe ich nicht so. Das Volk, das
heißt der Bund, bleibt ja drin. Eine integrierte Bahn könnte
nur zu maximal 49 Prozent verkauft werden, der Staat bliebe
Mehrheitseigentümer und hätte am Ende das Sagen. Abgesehen
davon: Der staatliche Einfluss alleine garantiert noch keine
gedeihliche Entwicklung, wie jeder weiß, der die Geschichte der
"guten alten Bundesbahn" kennt. Das Staatsunternehmen hat in den
vergangenen Jahrzehnten viele tausend Kilometer Strecke stillgelegt und
Betriebe verkauft. Das ist keine Frage der Eigentumsverhältnisse,
sondern hängt vom politischen Willen ab und davon, ob Geld in der
Kasse ist oder nicht.
Die Regierung erwägt, Teile der DB direkt an Privatinvestoren zu
verkaufen, um Geld in die Kasse zu bekommen.
Das lehnen wir strikt ab, denn es
wäre die Zerschlagung der Bahn. Das hieße: Man
überlässt den Konzern den Heuschrecken, die nur noch die
profitablen Teile fahren lassen und den Rest einstellen. Wir bestehen
darauf, einen integrierten Konzern zu behalten. Da gibt es für uns
keinen Kompromiss.
Ihr Plan B heißt: Die Bahn bleibt zu 100 Prozent in der Hand des
Bundes.
Genau. Damit kann man eine gute Bahn
machen, deren Markanteile wachsen.
Wettbewerber der DB kritisieren, dass sie derzeit vom integrierten
Konzern bei der Trassenvergabe behindert werden. Sie nennen Beispiele.
Sind die erfunden?
Nein, erfunden nicht, aber
übertrieben dargestellt. Wäre es wirklich so schlimm,
müsste es mehr Rechtsverfahren geben, in denen das geklärt
wird. Gibt es aber nicht.
Die DB hat eingeräumt, dass sich der Zustand des Schienennetzes
verschlechtert hat - wegen zu niedriger Investitionen.
Sollte es da Missmanagement geben,
indem vorhandene Investitionsmittel nicht ausgegeben werden, um sie mit
Blick auf den Börsengang positiv in die Bilanz einzustellen,
wäre es Sache des Bundes, dies aufzudecken. Bisher habe ich solche
Hinweise nicht.
Interview: Joachim Wille