Zurueck zur Homepage
FINANZSYSTEM. Beim Platzen der Immobilienblase wären nicht nur Spekulanten und Anleger betroffen, sondern die Masse der kleinen „Häusle"-Bauer, die sich in den letzten Jahren immens verschuldet haben.

Immobilienblase bedroht Weltwirtschaft

Der Zusammenbruch der New Eco-nomy-Blase an den Aktienmärkten war ein Jahrhundertereignis. Innerhalb von drei Jahren, zwischen März, 2000 und März 2003, wurden dabei rund 15 Billionen Dollar an Papierwerten vernichtet. Die Aktienbewertungen fielen im Durchschnitt um 50%, die Kurse unzähliger Internet-firmen um 99% und mehr.

Nur wenige Jahre später steht die Welt erneut vor einer finanziellen Megakatastrophe. Und diesmal haben wir es mit einem Zerstörungspotential zu tun, das dasjenige des Ak-tiencrashs noch um ein Vielfaches übersteigt: Es droht das Platzen der globalen Immobilienpreisblase, und damit einhergehend der Bankrott vieler Millionen Privathaushalte sowie die plötzliche Umwandlung von einigen Billionen Dollar an Hypothekenkrediten in nichtrückzahlbare Schulden.

Die anhaltende Spekulationsorgie auf den Wohnimmobilienmärkten, die in sämtlichen angelsächsischen Ländern auf die Spitze getrieben wird, aber auch längst eine Reihe von Ländern des europäischen Kontinents erfaßt hat, sprengt alle historischen Maßstäbe — zumindest in den letzten 100 Jahren. Lediglich Deutschland und Japan stehen hier im Abseits. Dies liegt aber nur daran, daß beide Länder schon zu Beginn der neunziger Jahre ihre Erfahrungen mit geplatzten Immobilienblasen machen mußten. Der Notverkauf der HypoVereinsbank ist eine Spätfolge dieser Ereignisse. In Japan wurden seit 1995 fast eine Billion Dollar an Steuergeldern und Noten-bänkkrediten für die Rettung des andernfalls vollständig insolventen Bankensystems aufgewendet.

Der Londoner Economist hat kürzlich eine spezielle Untersuchung zu dem weltweiten Phänomen der aktuellen Immobilienpreisinflation angestellt und kommt zu dem Schluß, daß wir es hier mit „der größten Blase der Geschichte" zu tun haben: „Nie zuvor sind die Preise für Wohnimmobilien so stark angestiegen, über einen so langen Zeitraum, und in so vielen Ländern, wie heute."

Allein in den letzten fünf Jahren erhöhte sich dabei der Marktpreis von Wohnimmobilien in den wichtigsten Volkswirtschaften der Welt von 30 auf 70 Billionen Dollar. Damit übertrifft schon der Zuwachs der Immobilienbewertungen seit dem Jahre 2000 (40 Billionen Dollar) deutlich den Gesamtwert sämtlicher Aktien weltweit im Frühjahr 2000 (32 Billionen Dollar).

Die Liquidität zum Aufpumpen dieser neuen Blase kann also nur zu einem geringen Teil aus Finanzwerten stammen, die der eine oder andere Anleger rechtzeitig aus den Aktienmärkten retten konnte. Der Anstieg der Immobilienpreise in den letzten fünf Jahren beläuft sich auf 100% des addierten Bruttoinlands-produkts der betrachteten Länder. Im Vergleich dazu brachten es die Aktienmarktblasen, die in den Jahren 1929 und 2000 platzten, lediglich auf fünfjährige Zuwächse von 55% bzw. 80% des Bruttoinlandsprodukts.


Angefacht wurde die Wohnimmobilienspekulation durch die führen-, den Zentralbanken. Sie öffneten nach dem Aktiencrash ihre Geldschleusen, um das globale Banken-und Finanzsystem, zumindest kurzfristig, vor dem Untergang zu retten. Die Strategie war die Re-Inflationie-rung der Finanzwerte. Um die frisch erzeugte Liquidität in der finanziellen Sphäre zu binden, mußten zugleich verstärkte Anstrengungen zur Knebelung der Realwirtschaften erfolgen.

In den schon weitgehend deindustrialisierten angelsächsischen Ländern, in denen der Konsum typischerweise zwei Drittel der gesamten Güternachfrage ausmacht, ging man etwas anders vor. Durch finanzielle Deregulierung und die Einführung neuer Finanztechniken wurde das Volumen von Hypothekenkrediten gewaltig aufgebläht. Ein übriges taten die historisch niedrigen Zentralbankzinsen. Insgesamt wurden auf diese Weise die Privathaushalte in Scharen dazu getrieben, immer höhere Hypothekenschulden aufzunehmen.

Während die Haushalte nun glauben, jeden Tag reicher zu werden, und ihnen auch eingeräumt wurde, einen Teil der neuen Hypothekenschuld für ihren Konsum zu verwenden, sind im Gegenzug die Finanzforderungen der Banken um viele Billionen Dollar gestiegen. Diese bilden dann wiederum, beispielsweise als Sicherheiten bei Anleihen oder Kreditderivaten, die Basis für waghalsige Finanztransaktionen aller Art in einem vielleicht größeren Volumen.

Die Zentralbanken können ihre Hände in Unschuld waschen. Denn Vermögenswerte, und dazu zählen auch die Immobilienpreise, werden bei der Berechnung von Inflatonsraten nach gängiger Auslegung geldtheoretischer Dogmen nicht berücksichtigt. Billionen Dollar in Finanzblasen hineinzupumpen, ist danach kein Problem. Sobald aber Notenbankkredite für produktive Investitionen zur Sprache kommen, ist angeblich stets die „Geldwertstabilität" gefährdet.

USA im Zentrum der globalen Hauspreisblase

Im Zentrum der globalen Immobilienpreisblase stehen die USA, auch wenn einige andere Länder einen höheren relativen Preisanstieg zu verzeichnen haben. Sowohl der durchschnittliche Kaufpreis wie die Anzahl der Käufe bereits vorher bezogener Wohnimmobilien erreichte im Juni den höchsten Stand aller Zeiten. Die jährliche Inflationsrate liegt hier zur Zeit bei 15,6%, so hoch wie zuletzt vor 25 Jahren. Eine rasant steigende Zahl von Immobilienkäufen werden in den USA inzwischen von Personen getätigt, die erstens gar nicht darin wohnen wollen, zweitens keinen Dollar für den Hauskauf sofort auf den Tisch legen müssen, und drittens selbst ganz genau wissen, daß das Haus den Kaufpreis überhaupt nicht wert ist. Wie geht das?

Erstens sind Wohnimmobilien zum reinen Spekulationsobjekt verkommen. Einige Objekte wechseln innerhalb eines Jahres mehrfach den Besitzer, ohne daß jemals einer von ihnen auch nur auf den Gedanken käme, dort einzuziehen. Zweitens gibt es heutzutage bei Hypotheken die tollsten Kreditmechanismen. Bei 42% aller Transaktionen durch Erstkäufer strecken die Banken den gesamten Kaufbelrag vor und verlangen keinerlei Anzahlung.

Besonderer Beliebtheit erfreuen sich tilgungsfreie Hypotheken. Dabei müssen die Schuldner während der Laufzeit lediglich die Zinsen zahlen und erst am Schluß den vollen Kreditbetrag — ideal für den schnellen Kauf und Wiederverkauf. Sodann werden sogar verstärkt Hypotheken mit „negativer Amortisation" vergeben. Hier zahlen die Schuldner während der Laufzeit weder Tilgungen noch Zinsen. Letztere werden einfach ständig auf die ursprüngliche Kreditsumme draufge-schlagen. In Kalifornien werden heute 60% aller Hauskäufe mit Krediten ohne Tilgung oder sogar mit negativer Amortisation finanziert. Noch vor drei Jahren waren es lediglich 8%.

In den US-Staaten, in denen die Hauspreise weiterhin dramatisch anstiegen — hierzu gehören etwa New York, Kalifornien und Florida — wird zudem die Hälfte aller neuen Hypotheken mit floatenden Zinsraten abgewickelt. Momentan fallen dabei Zinsen an, die unterhalb der durchschnittlichen Rate für Hypothekenkredite liegen. Aber sobald die US-Notenbank Federal Reserve die Zinsen anhebt, werden die floatenden llypothekenzinsen rasant ansteigen.

All dies schafft ideale Bedingungen für die extreme Ausweitung der Immoblllens|x'kulation. Wer heute noch kauft, weiß ganz genau, daß er bei Irrwlt/lgen Preisen einsteigt, die durch das Kaufobjekt in keiner Weise gerechtfertigt sind. Aber — wie Immer auf dem Höhepunkt einer Finanzblase — treibt ihn die Erwartung, in Kürze einen Dummen zu finden, der ihm das Objekt zu einem noch höheren Preis abkauft.

Kein Wunder, daß das Volumen an ausstehenden Hypothekenkrediten explodiert. Bis Mitte der neunziger Jahre lag die

Jahresrate der Neuverschuldung bei US-Hypotheken stets im Bereich von 200 Mrd.$. Sie stieg dann auf 303 Mrd. Dollar im Jahre 1998 und 368 Mrd.$ im Jahre 2000. Nach dem Aktiencrash ging es richtig los: 628 Mrd.$ im Jahre 2002 und 904 Mrd.$ im Jahre 2004. Insgesamt wurden in den USA nunmehr 8 Billionen Dollar an Hypothekenkrediten aufgehäuft.

Einen erheblichen Teil dieser Forderungen haben die beteiligten Banken an die beiden halbstaatliche Finanzinstitutionen Fannie Ma und Freddie Mac weiterverkauft Diese wiederum haben ihre Transaktionen mit der Ausgabe von Anlei hen refinanziert, die sich weltweit im Umlauf befinden und nicht zuletzt — um den Dollar zu stabilisieren — von asiatischen Zentralbanken gehalten werden.

Weil aber die Differenz der Zinsen, welche Fannie und Freddie einerseits über die Hypotheken erhält, und andererseits über die Anleihen bezahlen muß, sich in unberechenbarer Weise entwickeln können, haben sich beide Institute zudem in Billionenhöhe mit Zinswetten auf den Derivatmärkten engagiert.

Immer häufiger wird in letzter Zeit die Frage gestellt, ob denn der amerikanische Steuerzahler am Ende bei einer Rettungsaktion von Fannie oder Freddie einspringen muß. Eines ist klar: Sollten die amerikanischen und weltweiten Hauspreisblasen platzen, und dies müssen sie unweigerlich in naher Zukunft, dann wird weder im Finanz- und Währungssystem noch in der Weltwirtschaft irgendein Stein auf dem anderen bleiben.

Lothar Komp

(Gescannter Bericht aus der Internationalen Wochenzeitung "Neue Solidarität", 32. Jahrgang Nr.32 vom 10.08.2005)