Zurueck zur Homepage
FAZ.NET vom 02.11.2006

Immobilien

Kabinett beschließt die Einführung von REITs

Federn gelassen: Steinbrücks REITs kommen in gerupfter Form

(Das waren wohl  Raubvögel, keine Heuschrecken !!)

Auf dem deutschen Immobilien- und Aktienmarkt zieht ein neues Anlageinstrument ein. Vom kommenden Jahr an sollen börsennotierte Immobilien-Gesellschaften auch in Deutschland eingeführt werden. Einen entsprechenden Gesetzentwurf für so genannte Real Estate Investment Trusts (REITs) hat das Bundeskabinett am Donnerstag in Berlin verabschiedet.

Entgegen ersten Plänen werden Wohnimmobilien größtenteils ausgeklammert. Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) reagierte damit auf Bedenken in seiner Partei sowie von Mieter- und Kommunalverbänden. Sie hatten negative Folgen für Mieter und Städte befürchtet. Union und Wirtschaft waren gegen Begrenzungen.

Mit der Entscheidung der Regierung hat der leidenschaftliche Streit von Politikern und Experten über Sinn und Unsinn der neuen Anlageform ein vorläufiges Ende. REITs sind seit Jahren Stein des Anstoßes.

REITs geben Anteilscheine heraus, die an der Börse handelbar sind. Im Unterschied zu den etablierten Immobilien-AGs schütten sie verbindlich eine hohe Dividende aus, und zwar mindestens 90 Prozent der Erträge. Außerdem wären REITs steuerlich günstig für Investmentfirmen, da ihnen Körperschaft- und Gewerbesteuer soll ihnen erlassen werden. Anteilseigner müssen auf ihre Dividenden dagegen Kapitalertragsteuer zahlen.

Experten erhoffen sich von der neuen Anlageform, daß sie dem vor sich hin dümpelnden deutschen Immobilienmarkt endlich auf die Sprünge hilft. Andere befürchten milliardenschwere Steuerausfälle für die klamme Staatskasse.

Prestigefrage für Steinbrück

Dieser Streit hielt Finanzminister Peer Steinbrück nicht davon ab, die Vorteile von REITs auch Anlegern in Deutschland erschließen zu wollen. Bereits im Koalitionsvertrag hatten sich SPD und CDU unter Vorbedingungen auf ihre Einführung geeinigt. Die von den Märkten begehrten REITs wurden zur Prestigefrage für den Minister, der von Anfang an mehr als ein Kassenwart sein wollte. Klar hatte er vor Augen, daß schon sein Vorgänger Hans Eichel die Einführung von REITs ankündigte, die Umsetzung jedoch wegen Widerstand aus der mächtigen Haushaltsabteilung des Ministeriums immer wieder auf die lange Bank schob.

Der Schwung, mit dem Steinbrück das Projekt befördern wollte, geriet indes bald ins Stocken. Der stellvertretende SPD-Chef stieß immer wieder auf massiven Widerstand in der eigenen Fraktion: Vor allem Florian Pronold, Ortwin Runde und Nina Hauer aus der zuständigen Arbeitsgruppe stemmten sich vehement gegen die nun ausgeklammerte Einbeziehung von Wohnimmobilien.

Deutliche Zugeständnisse

Allerdings sollen ab Januar 2007 neu errichtete Häuser ohne Auflagen REIT-fähig sein. Mieter wüßten dann, was auf sie zukäme, begründete das Ministerium den Kompromiß. Während es der Finanzbranche Kritik hagelte, begrüßte die Präsidentin des Deutschen Mieterbundes (DMB), Anke Fuchs, die Vorlage. Der DMB geht davon aus, daß die Aufnahme von neu gebauten Wohnungen in einen REIT ab kommendem Jahr in der Praxis bedeutungslos sein werde: „Es gibt für potentielle Investoren keinen Anreiz, Wohnungen neu zu bauen und gleich in einen REITs einzubringen“, sagte Sprecher Ulrich Ropertz.

Die neue Anlageform sei eher für den Handel mit Wohnungsbeständen geeignet. Vor der Kompromißlösung hatte der DMB die REITs-Einführung rigoros abgelehnt. Wohnungen dürften nicht vollständig dem Renditegedanken untergeordnet werden. Zudem hatte die Lobby kritisiert, daß über die Folgen für Mieter und die Wohnungswirtschaft erst seit kurzem diskutiert werde.

Finanzbranche sieht Vorteile für Mieter

Oliver Puhl, der bei Morgan-Stanley für das Immobilien-Investmentbanking zuständig ist, verweist auf das strenge Mietrecht in Deutschland. Da seien die Möglichkeiten minimal, bösartig zu sein. Zudem seien Immobilienfirmen, die von Finanzinvestoren geführt werden, servicefreundlicher: „Kleinere Reparaturen sind zum Beispiel viel schneller und unbürokratischer durchführbar.“

Die Finanzbranche hat die REITs-Einführung in den vergangenen Monaten so massiv befürwortet wie selten ein Projekt vorher. Sie wittert gute Geschäfte. Deutschland sei das Land mit dem größten Immobilienbestand in ganz Europa, sagt Puhl. Die Volkswirtschaft sei mit einem Anteil von rund 22 Prozent am Bruttoinlandsprodukt der EU-15-Staaten die größte Europas.

Doch die Börsenkapitalisierung von Immobilienfirmen betrage gerade mal drei Prozent. „Da gibt es einen signifikanten Nachholbedarf. Mittelfristig ist ein Marktvolumen von 40 bis 60 Milliarden Euro erreichbar“, schätzt er. Momentan würden gerade mal Immobilienaktien im Wert von sechs Milliarden Euro gehandelt.

Unsicherheitsfaktor Anleger

Ein Fragezeichen bleibt aber, weil Anleger mit deutschen Immobilien ziemlich schlechte Erfahrungen haben. Experte Johann Eekhoff von der Universität Köln, glaubt, der Schock sitze tief, daß mit dem Kauf von Immobilien viel Geld zu verlieren sei: In den neunziger Jahren hatten Sonderabschreibungsregeln zur Förderung der maroden ostdeutschen Wirtschaft zu gigantischen Überkapazitäten auf dem Immobilienmarkt in den neuen Ländern geführt. Die Folge war ein heftiger Preissturz - und Milliardenverluste für Privatanleger, Banken und Spekulanten.

Dennoch findet der Wissenschaftler die Einführung von REITs sinnvoll: „Ansonsten machen internationale Investoren einen Bogen um Deutschland, und deutsche Anleger bringen ihr Geld nach Frankreich.“ Dort hätten alle großen Immobilienfirmen REITs.

Text: FAZ.NET
Bildmaterial: dpa/dpaweb