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FR vom 22.12.2004

Ifo gegen private Wasserrohre

Studie: Staat muss Qualitätseinbußen wie in England verhindern mit Kommentar

Das Münchner Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung warnt vor einer Privatisierung des Trinkwassernetzes. Beispiele aus dem Ausland zeigten, dass das ein Irrweg ist.

München · Wegen hier zu Lande hoher Trinkwasserpreise und anstehender Investitionen in veraltende Rohrleitungen raten manche Experten zur Privatisierung kommunaler Versorger. Das Ifo warnt dagegen vor einem solchen Schritt. Erfahrungen in Großbritannien und Frankreich hätten gezeigt, dass so kein echter Wettbewerb entsteht, die Wasserqualität aber abnimmt, schreibt Ifo-Experte Matthias Egerer.

Hohe Trinkwasserpreise in Deutschland seien durch hohe Wasserqualität und bestehende Versorgungssicherheit teils gerechtfertigt, stellt er fest. In Großbritannien und Frankreich, wo die Trinkwasserversorgung privatisiert worden ist oder andere Wettbewerbselemente eingeführt wurden, "werden die Anlagen auf Verschleiß gefahren", stellt Egerer klar. Damit würde gesellschaftliches Kapital vernichtet, Wasserressourcen verschwendet und gesundheitliche Beeinträchtigungen in Kauf genommen. Fazit sei, dass die Rohrleitungen in die Hand des Staates gehören, wenn man eine Benachteiligung von Verbrauchern verhindern will.

Lernen könne Deutschland dagegen von den Niederlanden, wo es auch ohne Privatisierungen möglich war, die Effizienz bei der Trinkwasserversorgung zu erhöhen, betont Egerer. Dort seien die wie in Deutschland vielfach kleinen kommunalen Versorger zu großen öffentlichen Aktiengesellschaften fusioniert worden, die eine gesetzlich festgelegte Mindestgröße aufweisen müssen. tma

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KOMMENTAR

Sinneswandel

VON WERNER BALSEN

Hans-Werner Sinn, der Chef des Münchner Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung, ist oft angetreten, das Land zu retten. Die Rezepte, die er und seine Ifo-Kollegen für die Sanierung der Wirtschaft anboten, lassen sich fast immer mit den Schlagworten Liberalisierung, Abbau von verkrusteten Strukturen und Privatisierung zusammenfassen. Deshalb elektrisiert die Meldung: Ifo warnt vor einer Privatisierung des Trinkwassernetzes.

Dass ausgerechnet die Münchner Wirtschaftsforscher die Grenzen der Privatisierung aufzeigen würden, war nicht unbedingt vorhersehbar. In der Sache haben sie Recht: Die Wasserversorgung - zwischen Flensburg und Füssen zu vier Fünfteln in kommunaler Hand - eignet sich nicht zum Verkauf an private Konzerne. Das zeigen die Beispiele aus dem Ausland, die von den Ifo-Experten zusammengetragen wurden. Das belegen auch Erfahrungen aus dem Inland. Hier haben unter anderem Stuttgart (an EnBW) und Potsdam (an das französische Unternehmen Suez Ondeo) ihre Wasserwerke verkauft. In der brandenburgischen Landeshauptstadt wurde der Verkauf nach drei Jahren wieder rückgängig gemacht, nachdem die Franzosen den Kubikmeterpreis mehr als verdoppeln wollten.

Wegen der drohenden Knappheit wird Wasser ein immer wertvolleres Gut. Schon deshalb gehört es nicht in die Hand der Privatwirtschaft. Denn die verspürt keinerlei Anreiz, ihre Kundschaft zum Maßhalten aufzufordern: je höher deren Verbrauch, desto höher der Konzerngewinn.

Auch wenn erste Unternehmen - wie etwa RWE - sich vom Wassergeschäft enttäuscht wieder abwenden, weil sich ihre Ertragswünsche nicht erfüllten, so gebührt Ifo und seinem Chef, Hans-Werner Sinn, Dank: Der Sinneswandel in München wird Privatisierungsfanatiker stärker beeindrucken als die Warnungen von Bürgerinitiativen und Liberalisierungsgegnern.