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aus Heft 8/2004 vom 26.08.2004

HERKULES - Der Rohrkrepierer

Von Eva Müller und Anne Preissner

Eine dilettantische Vorgehensweise des Bundes und am Platzen des Deals interessierte Militärkreise: Darum musste das ehrgeizige Informationstechnikprojekt der Bundeswehr scheitern.

Wir sind bis an die Grenze des Zumutbaren gegangen", konstatiert Peter Strabel (54), Deutschland-Chef des IT-Dienstleisters CSC. Vergeblich. Am Ende klaffte immer noch eine Lücke von mehreren hundert Millionen Euro zwischen den Vorstellungen von Verteidigungsminister Peter Struck (61) und dem Konsortium CSC (EADS , Mobilcom ).

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Anfang Juli scheiterten die Verhandlungen über das Projekt "Herkules": ein hochmodernes Computer- und Kommunikationssystem für die Bundeswehr, das von einem externen Dienstleister betrieben werden soll.

"Der Absturz des Projekts war von Anfang an programmiert", sagt ein mit den Vorgängen eng Vertrauter. Zu ehrgeizig und gleichzeitig zu dilettantisch sei der Bund das Prestigevorhaben angegangen. Und im Hintergrund versuchten offenbar etliche, das Outsourcing sicherheitsrelevanter Technik an Private zu verhindern.

1999 hatte der damalige Verteidigungsminister Rudolf Scharping die Herkules-Idee entwickelt. Drei Einzelprojekte sollten an Privatfirmen ausgegliedert werden: Telekommunikation, Vernetzung der Personal Computer und Rechenzentren. Mit der Aktion sollte die Informationstechnik von Heer, Luftwaffe und Marine auf den neuesten Stand gebracht und deutlich preiswerter als bisher betrieben werden.

Zwei Jahre lang planten die Ministerialen. Dann fassten sie die Einzelvorhaben zu einem Megageschäft über 6,5 Milliarden Euro zusammen. Ein Konsortium sollte den Auftrag übernehmen und ein Gemeinschaftsunternehmen gründen, an dem der Staat 49,9 Prozent hielte.

2001 startete Scharping den Teilnahmewettbewerb. Als interessierte Unternehmen wie Alcatel oder EDS das Ausschreibungsmonster inspiziert hatten, winkten sie ab. Zu kompliziert und zu knapp kalkuliert erschien ihnen der Deal.

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Der Rohrkrepierer (2)

Von Eva Müller und Anne Preissner

Erbitterter Verhandlungsmarathon

Hinzu kam, dass an das Geschäft fast unannehmbare Bedingungen geknüpft waren. Der Bund hatte den 5000 Fernmeldewerkern der Bundeswehr weit reichende Jobgarantien gegeben. Beim Wechsel in die neue Gesellschaft sollten sie ihre Stellen fünf Jahre behalten dürfen.

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Trotz der Knebelklauseln arbeiteten sich zwei Gruppen in die Endauswahl um Herkules vor: die Deutsche Telekom mit Siemens und IBM (TIS) sowie die ISIC-21 Gruppe um CSC. Den Zuschlag erhielt CSC, weil es die Offerte der Telekom um mehrere hundert Millionen Euro unterbot.

Ein erbitterter Verhandlungsmarathon begann. Mehr als zwei Jahre lang feilschten die Rechtsanwälte des Verteidigungsministeriums mit dem Konsortium um Vertragsformeln, Pönalien und Verfahrensfragen.

Erst im Frühjahr 2004 schaltete sich mit Strucks Staatssekretär Peter Eickenboom ein hochrangiger Ministerialer in das Gezerre ein. Er forderte von CSC und Co. noch hochwertigere Technik als ursprünglich vorgesehen.

So sollten zum Beispiel 150.000 Personal Computer mit extrem hohen Speicherkapazitäten ausgestattet werden - völlig überzogener Luxus für den gewöhnlichen Gefreiten in der Schreibstube.

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"Wir fühlten uns ausgequetscht", erzählt einer der Verhandlungsteilnehmer. "Bei dieser Form der Public-Private-Partnership hätten wir Millionenverluste gemacht."

Nun wird mit TIS verhandelt. Wahrscheinlicher aber ist, dass das Projekt noch einmal neu ausgeschrieben wird. Gut möglich, dass Scharpings alter Plan wieder belebt wird: Einzelprojekte, die von einem Partner bewältigt werden können.

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