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FR vom 20.01.2006

KOMMENTAR -

Gruppenreise

VON CHRISTINE SKOWRONOWSKI

Wenn es nicht so ernst wäre, könnten die Reisen von nordrhein-westfälischen Kommunalpolitikern erheblich zur Erheiterung beitragen. Gegen 150 Aufsichtsräte von Stadtwerken, die auf Kosten des Energieriesen Eon-Ruhrgas in der Welt herumgefahren sind, ermittelt die Staatsanwaltschaft Köln inzwischen.

Das Reiseverhalten der lokalen Honoratioren gleicht lustvollem Tourismus: Endlich mal raus aus Gummersbach, Burscheid oder Essen und nichts wie weg nach Rom oder Barcelona. Und da es alleine wenig Spaß macht, sind die Aufsichtsräte zu dritt oder viert, manchmal sogar zu Fahrten mit 20 Teilnehmern aufgebrochen - eine so genannte Gruppenreise also. Kostete sie ja nichts.

Das ist anrüchig genug - allein aber noch kein Delikt. Es muss noch geprüft werden, ob die Kommunalpolitiker sich der Korruption schuldig gemacht und Eon Vorteile zugeschanzt haben. Aber: Wenn sie sich nun hinstellen und allen Ernstes behaupten, sie hätten nicht gewusst, wer die Reise bezahlt, ist das dumm und verantwortungslos. Dass die Stadtwerke Essen eine Reise nach Spanien als dienstlich einstufen, weil es dabei auch ein Fachprogramm gegeben habe, ist zum Lachen, aber auch zum Weinen.

Sicher - Aufsichtsräte von Stadtwerken sollten sich über Gasanlagen, Plattformen und das Thema Energie im Allgemeinen informieren und dabei kann auch eine Reise nicht schaden. Aber, ob das im Rudel geschehen muss und das gesamte Kontrollgremium auf der Fahrt gebraucht wird, das ist - vorsichtig gesagt - zweifelhaft. Zumindest sollten die Politiker wissen, wer ihren Ausflug sponsert und sich möglicher Interessenkonflikte bewusst sein.

Auch Journalisten machen von Firmen bezahlte Info-Reisen mit Begleitprogramm - wenn auch nicht mit der gesamten Redaktion. Würden sie danach völlig unkritisch über die Unternehmen berichten und den Interessenkonflikt leugnen, machten sie sich genau so angreifbar wie die nordrhein-westfälischen Kommunalpolitiker.