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FR vom 19.01.2006

Lokalpolitiker wegen Reisen im Verdacht

Kölner Staatsanwaltschaft ermittelt / Eon soll bei Stadtwerke-Aufsichtsräten spendabel gewesen sein

Gegen mehr als 100 nordrhein-westfälische Lokalpolitiker ermittelt die Kölner Staats- anwaltschaft wegen Korruption. Der Ruhrgas-Konzern Eon soll ihnen weite Reisen und fürstliche Essen spendiert haben.

Köln · Barcelona, Brügge, Straßburg, Rom oder eine norwegische Bohrinsel - das waren die Reiseziele, zu denen Aufsichtsräte aus 25 NRW-Stadtwerken mindestens seit 2001 immer wieder aufbrachen. In Begleitung der Ehefrau, manchmal zu fürstlichem Speisen zum Beispiel ins Edel-Restaurant Schloss Lerbach ins Bergische Land.

Bezahlt wurde alles von Eon-Ruhrgas, so viel steht nach Auskunft der Kölner Staatsanwaltschaft fest. Dort zeigte man sich spendabel: Allein die Reise von Essener Lokalpolitikern nach Barcelona kostete die Ruhrgas etwa 120 000 Euro. Ruhrgas steht, so der Kölner Behördensprecher Günther Feld, im Verdacht der Vorteilsgewährung. Die Lokalpolitiker könnten sich durch die Annahme dieser Reisevergünstigungen der Vorteilsannahme schuldig gemacht haben. Beides ein Korruptionsdelikt.

Allein bei der Fahrt von 18 Aufsichtsräten der Burscheider Stadtwerke, über die die Essener Ruhrzeitung NRZ am Mittwoch berichtete, sei "ein Bezug zum Gas noch erkennbar" gewesen. Anders als die Reise des Kontrollorgans der Gummersbacher Gasgesellschaft Aggertal nach Rom, wo ein solcher Bezug für die Ermittler bislang nicht erkennbar war. Auch wenn sich einige Teilnehmer der beanstandeten Fahrten der NRZ gegenüber inzwischen damit rechtfertigten, dass es um Exkursionen zu Gasanlagen und Vorträgen zum Thema Energie ging.

"Da ist was dran"

Aufgeflogen ist die Freigiebigkeit des Essener Ruhrgas-Unternehmens durch einen Artikel im Juni 2005 in einer Burscheider Lokalzeitung. Dem Kölner Staatsanwalt Günther Feld zufolge legte dieser "den Verdacht nahe, da ist was dran". Da könnte nicht alles mit rechten Dingen zugegangen sein. Die Kölner Staatsanwaltschaft ermittelt seitdem, hat inzwischen zahlreiche Stadtwerke durchsucht. Im Essener Eon-Konzern wurden die Ermittler fündig. Durch die dort sichergestellten Unterlagen zu einigen Reisetätigkeiten konnten die Recherchen der Staatsanwaltschaft ausgedehnt werden, sagte Feld am Mittwoch der FR.

Feld schließt nicht aus, dass sich die Zahl der Verdächtigen noch ausweiten könnte. "Als das im Sommer 2005 in Burscheid anfing, haben wir mit diesem Ausmaß nicht gerechnet", sagte Feld.

Seine Behörde muss in jedem Einzelfall prüfen, ob es sich um gerechtfertigte Dienstreisen der Aufsichtsräte handelte oder um rein touristische Fahrten. In etwas weniger als 100 Fällen, in denen die Ehefrauen mitreisten, "sieht es kritisch aus", so Feld. Das könnte den im Raum stehenden Verdacht der Vorteilsnahme durch die Lokalpolitiker erhärten. Die Kölner Behörde kündigte am Mittwoch an, sie werde gegebenenfalls einige Verfahren an andere lokal zuständige Staatsanwaltschaften in Nordrhein-Westfalen abgeben. Der Ruhrgaskonzern wollte mit Hinweis auf die laufenden Verfahren keine Stellungnahme abgeben. Laut Kölner Staatsanwaltschaft zeigt er sich jedoch kooperativ. Ingrid Müller-Münch