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FR vom 20.01.2006

Stadtwerke-Affäre zieht Kreise

Weitere Aufsichtsräte und Korruptionsverdacht

Die Affäre um vom Energieriesen Eon bezahlte Lustreisen von Lokalpolitikern in Nordrhein- Westfalen weitet sich aus. Gegen 150 Aufsichtsräte von 30 Stadtwerken ermittelt die Staatsanwaltschaft Köln inzwischen.

Köln · Die zunächst genannte Zahl von 100 Beschuldigten aus 25 NRW-Stadtwerken sei geschätzt gewesen, sagte der Kölner Staatsanwalt Günther Feld der FR. Inzwischen gebe es zusätzliche Erkenntnisse. An den Ausflügen auf Kosten von Eon Ruhrgas hätten teils drei bis vier Aufsichtsräte eines Versorgungsunternehmens teilgenommen, teils seien aber mehr als 20 bei einer Tour dabei gewesen. Die Ermittler prüfen, ob Eon systematisch zu Vergnügungsreisen einlud, um kommunale Entscheider für die Vergabe künftiger Lieferverträge oder andere Vorteile wohlwollend zu stimmen.

Der Vorwurf gegen die Lokalpolitiker lautet Vorteilsnahme, der gegen die Eon-Beschäftigten Vorteilsgewährung - beides ein Korruptionsdelikt. Eon Ruhrgas verteidigte die Reisen zu Gasplattformen. "Dabei handelte es sich um reine Informationsreisen mit straffem Programm", meinte Sprecher Helmut Roloff. Die Lokalpolitiker sind unter anderem nach Barcelona, Rom, Brügge, Norwegen und St. Petersburg gereist, teils sollen auch Ehegatten dabei gewesen sein. Auch mehrere beschuldigte kommunale Unternehmen oder deren Aufsichtsräte wehren sich gegen die Vorwürfe.

"100 Prozent Information"

"Bei der Reise nach Norwegen ging es zu 100 Prozent um Information, ein touristisches Programm gab es nicht, und es waren keine Ehegatten dabei", sagte der Geschäftsführer der Stadtwerke Burscheid, Siegfried Thielsch. Diese Reise hatte den Verdacht der Staatsanwaltschaft im Mai 2005 geweckt.

Die Stadtwerke Essen stuften eine von Eon finanzierte Reise nach Barcelona als dienstlich ein, weil es auch ein Fachprogramm gegeben habe. Der Frechener Bürgermeister Hans-Willi Meier (CDU) verteidigte eine Reise nach Belgien, an der er 2003 teilnahm. Dass die Fahrt von Eon finanziert gewesen sei, "war uns nicht bekannt". cri/dpa