“Die Kraft des Kapitalismus
Verkauf der Stadtwerke an die OVAG? - BUND-Referent sieht internationales Ringen
ALSFELD (aep). Vordergründig geht es um das Allerweltsprodukt Wasser und die Frage, ob die kleine Stadt Aisfeld damit ihren schwindsüchtigen Haushalt heilen kann. Tatsächlich aber wiegt das Thema weit schwerer: Es geht um eine Lebensgrundlage, um Millionen, letztlich einen globalen Machtkampf zwischen unten und oben -glaubt man den Thesen des Referenten, mit dem die Alsfelder Grünen sich am Montag für einen möglichen Kampf um die Stadtwerke wappneten.
Zu einem öffentlichen Vertrags- und Diskussionsabend hatte der Stadtverband von Bündnis 90/Die Grünen in den Clubraum der Stadthalle geladen, um nach eigener Darstellung über mögliche Folgen eines Verkaufs oder einer Verpachtung der Stadtwerke an die OVAG zu informieren. Der Kreis der Zuhörerschaft war erwartungsgemäß klein, doch unter den 20 Besuchern waren auch Mitglieder anderer Parteien zu finden - unter ihnen die CDU-Stadtverbandsvorsitzende Anita Schlorke - obwohl der Titel die Ausrichtung der Darstellung bereits erahnen ließ: “Kein Ausverkauf unserer Lebensgrundlage". Der Referent, Sebastian Schönauer aus dem Spessart, dürfte die Erwartungen der Gastgeber übertroffen haben.
Als stellvertretender Bundesvorsitzender des BUND, dabei Sprecher des Arbeitskreises Wasser und zugleich Landesvorsitzender der Interessengemeinschaft Kommunale Trinkwasserversorgung in Bayern (IKT), stellte der Referent sich als Wasser-Fachmann und als Streiter im Sinne der Grünen zugleich vor. Dabei bekannte er: “Ich bin nicht als Umweltschützer auf die Welt gekommen." Sondern über langjähriges Engagement in der Kommunalpolitik und den Vorsitz in einer Bürgerinitiative, die sich erfolgreich im bayerischen Hafenlohrtal für eine gesunde Wasserversorgung einsetzte, sei er vor Jahren zu einem bundesweit gefragten Verfechter der dezentralen Wasserversorgung gewachsen.
Aus dieser Position und mit Wissen, das er einst selbst an den Hebeln der Macht gesammelt habe, stellte Schönauer dar, dass das Wasser längst zum Spielball multinationaler Konzerne geworden sei, wie er anhand verschiedener Presseberichte zu belegen suchte. “Es geht um Cash, es geht um die Macht, und die soll nach oben abgegeben werden", erklärte er in einem rhetorisch beeindruckenden Vortrag. “Was bei Ihnen abläuft, ist nicht vereinzelt und zufällig. Da sitzt die internationale Kraft des Kapitalismus", stellte Schönauer als kühne These in den Raum. Der Grund sei einfach: Konzerne suchten neue Geschäftsbereiche, und die kommunale Wasserversorgung berge Milliarden-Geschäfte - eine große Versuchung für die überwiegend verschuldeten Kommunen.
Dabei seien die Nachteile unübersehbar. Erlöse aus einem Verkauf zum Beispiel müssten laut Gesetz binnen eines Jahres an die Gebührenzahler zurück gegeben werden. Der Erlös könne also gar nicht der Kommune zugute kommen, weil Gewinne nicht aus der Kalkulation genommen werden dürften ."Aber genau das ist der Sinn der Privatisierung", wetterte Schönauer. Auch hätten Verbraucher eher steigende als sinkende Preise zu erwarten, was von Befürwortern wider besseren Wissens stets verneint werde: “Natürlich wissen alle, dass es teurer werden muss, wenn Gewinn herauskommen soll."
Letztlich werde die angestrebte Erlösung aus dem Schuldenloch wohlmöglich verfehlt: “Strukturelle Fehler kann ich niemals mit einem Schlag beseitigen." Statt einmal die Schulden zu beseitigen, müssten deren Ursachen angegangen werden - was unter Umständen bedeuten könne, den Betrieb kostenträchtiger Anlagen einzuschränken oder größere Subventionen abzubauen. Widerständlern gegen Privatisierungspläne riet er, die “second opinion" darzustellen. Heißt: Sie sollten sich eingehend in das Thema einarbeiten, um Alternativen darlegen zu können.
Inzwischen hätten zahlreiche Kommunen eingesehen, dass der Verkauf
ihrer Wasserwerke mehr Nach- als Vorteile gebracht habe, stellte Schönauer
wiederum per Projektor mit Presseberichten dar, von denen einer, der französische
Fälle darstellt, titelt: “Kommunen übertölpelt". In Bayern
hätten auch die Landtagsfraktionen inzwischen eingesehen, dass die
“kleinräumig strukturierte Wasserversorgung hoch effizient und finanziell
gesund" ist, wie er formulierte. Der bayerische Landtag habe die Liberalisierung
des Marktes ausdrücklich abgelehnt.