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Börsen-Zeitung  - Dokumentation -  Ausgabe 197 vom 14.10.2003, Seite 6

Die Goldverkäufe dürften bis zum Jahr 2009 leicht zunehmen

Mindestens drei Währungsbehörden als neue Anbieter erwartet – Welteke pocht auf Einbehaltung der "Goldgewinne" - Verwendung der Erträge wird noch geprüft

Von Christian Burckhardt, Frankfurt

Börsen-Zeitung, 14.10.2003

Der Weltgoldmarkt muss nicht befürchten, in den nächsten Jahren seine fundamentale Stabilität durch ein zu hohes Angebot der Zentralbanken einzubüßen. Denn die Notenbanken Europas, die rund 45 % der globalen offiziellen Goldreserven halten, werden nach Einschätzung informierter Finanzkreise bis 2009 ihre Goldverkäufe durch ein neues Abkommen weiter begrenzen. Sie dürften nach ersten Schätzungen ihr gesamtes Verkaufsvolumen im Vergleich zum laufenden Abkommen nur moderat erhöhen, heißt es. Damit würden sie stabilisierend zur Annäherung von Angebot und Nachfrage beitragen.

Den Kreisen zufolge ist damit zu rechnen, dass das 1999 geschlossene Washingtoner Goldabkommen (vgl. Stichwort auf dieser Seite) im Frühjahr neu vereinbart und dabei das bisherige Verkaufsvolumen von maximal 2 000 Tonnen binnen fünf Jahren bzw. von 400 Tonnen jährlich um höchstens 10 bis 15% aufgestockt wird. Das Abkommen hatten die nationalen Notenbanken des Euroraums (ohne Griechenland) einschließlich der Europäischen Zentralbank (EZB) sowie die Notenbanken Großbritanniens, der Schweiz und Schwedens unterzeichnet.

Wenig geänderte Marktlage

Die seit Jahren bestehende Lücke zwischen dem Angebot aus der Goldförderung und der Nachfrage am Weltmarkt wird Experten zufolge in den nächsten Jahren eher etwas größer als kleiner werden. Insofern bedeutet ein Verkaufsvolumen von 2 200 bis 2 300 Tonnen bis 2009 für den Markt keine Belastung. Edelmetallhändler Michael Blumroth von der Deutschen Bank bestätigt: "Zwischen Angebot und Nachfrage hat sich seit 1999 nicht sehr viel geändert.

Hinzugekommen ist allerdings eine stärkere Nachfrage nach Investmentgold." Zudem hätten Russland, China und Taiwan unter anderem die Absicht bekundet, ihre Goldvorräte aufzustocken. Für einige Goldminen, die 1999 kurz vor dem Kollaps gestanden hätten, habe sich die Lage etwas verbessert, aber nicht derart, "dass jetzt problemlos wieder massiv Gold auf den Markt kommen könnte". Sollten die Mitglieder des Washingtoner Abkommens ihr Verkaufsvolumen um 10 % erhöhen, könnte das am sehr sensiblen Markt "kurzfristig für Irritationen sorgen, doch das zusätzliche Angebot würde den Markt letztlich kaum jucken", meinte Blumroth.

Schweizer Lücke wird gefüllt

Den Finanzkreisen zufolge ist bei den Abkommensunterzeichnern bereits genug Interesse an weiteren bzw. neuen Verkäufen vorhanden, so dass ein derart erhöhtes Gesamtkontingent durchaus ausgeschöpft werden dürfte. Der Markt könne sich darauf einstellen, dass die Notenbanken Großbritanniens (BoE), der Niederlande und der Schweiz (SNB) auf der Basis des neuen Abkommens weitere Goldverkäufe tätigen wollten, heißt es. Als neue Verkäufer würden voraussichtlich neben der Deutschen Bundesbank die Banque de France (BdF) und die schwedische Reichsbank auftreten. Sie dürften zusammen in etwa so viel Gold anbieten, wie die Schweiz bis Herbst 2004 zu verkaufen in Aussicht gestellt hatte, nämlich ursprünglich 1 140 Tonnen.

Tatsächlich wird die SNB, wie von ihr im September angekündigt, nunmehr 1 170 Tonnen bis Herbst 2004 veräußern. Im Rahmen des neuen Abkommens will sie dann nur noch weitere 130 Tonnen losschlagen. Die Lücke, die die Schweiz somit bis 2009 öffnet, dürften also dem Vernehmen nach neue Anbieter locker schließen können.

Details erst Anfang 2004 Die von der Bundesbank angestrebten Verkäufe stehen allerdings unter dem Vorbehalt einer Gesetzesänderung, die der Notenbank die Einbehaltung ihrer realisierten stillen Reserven (Kursgewinne) erlaubt.

Die offiziellen deutschen Goldvorräte sind mit rund 3 340 Tonnen die zweithöchsten nach denen der USA. Von der BdF, die über gut 3 000 Tonnen verfügt, wird angenommen, dass sie Goldreserven in ähnlicher Größenordnung auf den Markt bringen will wie die Bundesbank, also 400 bis 600 Tonnen binnen fünf Jahren. Unklar ist den Kreisen zufolge bislang noch, ob und in welchem Umfang Italien Teile seiner Goldreserven veräußern will, die sich immerhin rund 2 450 Tonnen belaufen.

Welteke: Substanz erhalten

Darüber, wer wie viel Gold in den nächsten fünf Jahren in den Markt geben darf und wie hoch das gemeinsame Gesamtkontingent genau ausfallen soll, werden die Notenbanken Anfang nächsten Jahres im Detail verhandeln. In Marktkreisen wird erwartet, dass dabei auch eine flexiblere Gestaltung des bisherigen Abkommens in Erwägung gezogen wird. So
könnte eine größere Schwankung der Jahresverkaufsmengen zugelassen werden, ohne allerdings den Markt zu verunsichern.

Welteke erklärte zu dem Goldabkommen im Gespräch mit der Börsen-Zeitung lediglich: "Wir bemühen uns darum, eine Option für Goldverkäufe zu bekommen, wenn ein neues Abkommen vereinbart wird. Aber wir werden diese Option nur nutzen, sofern geregelt wird, dass die aufgelösten stillen Reserven nicht über unsere Gewinnausschüttung in den Bundeshaushalt fließen, sondern reinvestiert werden." Er fügte hinzu, dies habe er auch schon im Kreis der europäischen Notenbanken erwähnt.

Begehrlichkeiten der Politik

Weltekes großes Anliegen ist es, den Goldschatz als Volksvermögen in seiner Substanz zu erhalten und "profitabler zu verwalten". Er sagte weiter: "Ich glaube, dies findet eher die Zustimmung der Öffentlichkeit. Ginge es allein nach dem Willen der Politik, wäre unser Goldschatz schon längst verteilt." Er stellte zugleich vorsorglich klar: Die Bundesbank "kann vom Gesetzgeber nicht zum Verkauf ihres Goldes gezwungen werden. Dies wäre ein Verstoß gegen den Vertrag von Maastricht. Zu möglichen Begehrlichkeiten der Politiker im Bund erklärte er weiter: "Falls die Politik fordert, wir sollten die Gewinne aus der Aufdeckung stiller Reserven an den Bund zur Schuldentilgung ausschütten, dann sage ich: Dafür finde ich im Vorstand keine Mehrheit. Denn dann würde zwar der Schuldenstand etwas sinken, aber die Substanz des Volksvermögens wäre geringer. Es gibt nämlich keine Garantie dafür, dass die Schulden längerfristig dadurch tatsächlich stärker abgebaut würden."

Der Bundesbankpräsident wies dabei auch auf die Dimension des Verhältnisses von Schulden und Goldreserven hin. "Unser gesamter Goldschatz ist etwas weniger Wert als die voraussichtliche Nettokreditaufnahme des Bundes allein in diesem Jahr, die stillen Reserven noch deutlich weniger", sagte er.

Nicht zur Schuldentilgung

Eine Schuldentilgung in Höhe von 1 Mrd. Euro im Jahr, die sich möglicherweise bei der Ausschüttung der realisierten stillen Reserven ergeben könnte, "trägt nur sehr begrenzt zur Lösung des Schuldenproblems bei", betonte der Bundesbankchef. Aber
mit einer Milliarde Euro einen kontinuierlichen Einnahmestrom beispielsweise zur Verbesserung der Bildungs-, Wissenschafts-und kulturellen Infrastruktur zu generieren, das hilft, Defizite in unserer Gesellschaft zu verringern." Nach Weltekes Auffassung muss unbedingt das durch Alterung und Abnahme der Bevölkerung langfristig sinkende Potenzialwachstum der Wirtschaft gestärkt werden. "Dafür ist es notwendig, Rahmenbedingungen und Effizienz von Bildung und Ausbildung zu verbessern.

Wir brauchen 2030 die am besten qualifizierten und produktivsten Arbeitskräfte", erklärte er. Welteke fände es vor diesem Hintergrund "diskussionswürdig, die Erträge aus der Anlage der Golderlöse in eine Stiftung einzubringen, die Strukturprojekte in den Bereichen Bildung und Forschung fördert". Reinvestitionsalternativen

Sollte es zu der von Welteke gewünschten Lösung kommen und die Goldgewinne nicht in den Bundeshaushalt gehen, gibt es für ihn verschiedene Möglichkeiten der Reinvestition.

Er sagte: "Eine der Alternativen wäre die Anlage in mehreren Fonds, die von verschiedenen Asset Managern verwaltet werden. Ob und in welchem Umfang sich die Bundesbank daran beteiligen würde, müsste noch geklärt werden. Es gibt aber auch andere Alternativen der Reinvestition", versicherte er.

Bisher gibt es Welteke zufolge noch keine Festlegungen oder Beschlüsse zu diesen Fragen. "Wir befinden uns gegenwärtig noch im Stadium der Überlegungen und Ideenprüfung", versicherte er.