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Auszug aus "Erziehung und Wissenschaft - Zeitschrift der Bildungs-
Gewerkschaft GEW 9/2008
BILDUNGSPOLITIK
Gewinn vor Fürsorge
Bundesregierung will Privatisierung auch bei Kindertagesstätten
Wie die Bundesregierung das Tor für privat-gewerbliche
Kita-Betreiber öffnet, beschreibt der jetzt veröffentlichte
GEW-Privatisierungsreport Nr. 7. Er wirft einen Blick auf
börsennotierte US-amerikanische und australische Kita-Konzerne,
die auch in Deutschland Profit machen möchten. Der Bericht zeigt
auf, wie Unternehmen und unternehmensnahe Denkfabriken den neoliberalen
Umbau vorantreiben - und was die GEW dem entgegensetzt.
Derzeit sind nur elf Prozent aller Einrichtungen der Kinder- und
Jugendpflege in privat-gewerblicher Hand." So steht es im Faltblatt
„Ausbau und Qualität der Kinderbetreuung" des CDU-geführten
Bundesfamilienministeriums. Die Große Koalition will das
schleunigst ändern. Geplant sind „attraktive Rahmenbedingungen,
damit sich weitere privat-gewerbliche Träger in der
Kindertagesbetreuung engagieren." (s. Kita-Magazin, S.5)
KiföG stößt auf
Widerstand
Bislang gilt: Laut Sozialgesetzbucfi VIII, Paragraf 74, erhält ein
freier Träger von Kindertagesstätten nur dann finanzielle
Unterstützung vom Staat, wenn er „gemeinnützige Ziele
verfolgt". Künftig soll es im Ermessen der Länder liegen, ob
sie kommerzielle Unternehmen als KJta-Träger zulassen. Das sieht
das Kinderförderungsgesetz (KiföG) vor, das bereits im Herbst
in Kraft treten soll. Die Bundesregierung will das Betreuungsangebot
für Kinder, die jünger als drei Jahre sind, bis zum Jahr 2013
drastisch erhöhen, vor allem in den westlichen Bundesländern.
Das KiföG stößt auf breiten Widerstand - nicht
nur bei Kirchen, Wohlfahrtsverbänden, Teilen der SPD und der
Linken. „Es war bislang in Deutschland Konsens, dass Bildung, Erziehung
und Betreuung von Kindern nicht in die Hand gewerblicher Betriebe
gehören." Das betonen Norbert Hocke und Bernhard Eibeck vom
GEW-Hauptvorstand. Die Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen
(CDU} traue offenbar den Landesministerien und kommunalen
Jugendämtern nicht zu, das Ausbauprogramm zu schultern,
kritisieren die GEWler. Dazu gebe es aber keinen Anlass.
Hocke und Eibeck sprechen von einem „höchst profitablen
Geschäft", das Ministerin von der Leyen den Privaten
ermögliche. Laut Gesetzentwurfsollen sie vom Staat die gleichen
Fördersätze wie frei-gemeinnützige Träger erhalten,
können aber als private Firmen betriebswirtschaftlich und
steuerlich ganz anders agieren. Schließlich müssten laut
Referentenentwurf die privat-gewerblichen Träger - wie die freien
Betreiber -nur fünf Prozent der Kita-Betriebskosten selbst
aufbringen. Bis zu 20 Prozent der Kosten dürften sie von den
Eltern als Beiträge kassieren. „Den Rest zahlt der Staat." Die GEW
befürchtet eine „massive Spaltung der Kita-Landschaft". Auf der
einen Seite nobel ausgestattete Einrichtungen für die High Society
- auf der anderen Seite große Billigeinrichtungen für Arme.
Kommt die McKita?
In Australien oder Großbritannien sind privat-gewerbliche,
börsennotierte Kita-Betreiber weit verbreitet. Sie genießen
keinen guten Ruf. Die australische Kita-Kette ABC Learning etwa stehe
im Verdacht, „Gewinn vor Fürsorge zu stellen". Das berichtet die
Financial Times Deutschland. Billiges Essen, unterqualifizierte
Betreuer, lauten die Vorwürfe gegen die „McKita aus Australien".
Da sei nichts dran, erwidert Firmenchef Edmund S. Groves. Das
Unternehmen investiere mehr, als es Gewinn mache.
Auch die Bertelsmann-Stiftung, sonst privaten Anbietern eher zugeneigt,
äußert sich in einer Stellungnahme zum KiföG kritisch:
Untersuchungen zeigten, dass die Arbeitsbedingungen in den großen
Kita-Ketten „deutlich schlechter sind als in anderen Einrichtungen".
Zudem, so die Gütersloher Stiftung, würde in Australien
beobachtet, „dass private Anbieter über eine große Lobby
verfügen und ihren Einfluss nutzen, um höhere
Qualitätsstandards zu verhindern bzw. Standardabsenkungen
durchzusetzen".
Welche üble Folgen die Privatisierung von Kitas bereits heute hat,
lässt sich in Ostdeutschland beobachten. In Mecklenburg-Vorpommern
befinden sich nur noch rund 25 Prozent der Einrichtungen in
öffentlicher Hand. „Die Löhne sind massiv gesunken",
berichtet Daniel Taprogge, Referent für Jugendhilfe und
Sozialarbeit beim GEW-Landesverband Mecklenburg-Vorpommern. Das
Lohndumping betrifft vor allem neu eingestellte Mitarbeiterinnen.
Stundenlöhne um die acht Euro brutto sind inzwischen keine
Seltenheit. Manche Kolleginnen verdienen nur noch 6,96 Euro brutto die
Stunde. Das ist skandalös.
Matthias
Holland-Letz,freier'Journalist
(Bild mit langer Erklärung : Die
Große Koalition will die Privatisierung der Kinderbetreuung
vorantreiben: Künftig soll es im Ermessen der Länder liegen,
ob sie kommerzielle Unternehmen als Kita-Träger zulassen. Die GEW
kritisiert: „Bildung, Erziehung und Betreuung von Kindern gehören
nicht in die Hand gewerblicher Betriebe." )
Quellen :
Privatisierungsreport 7:
Kindertagesstätten, Artikel-Nr-1300, Mindestbestellmenge zehn
Stück, pro Stück zwei Euro + 6,96 Euro Versandkosten.
Bestellungen an: GEW-Shop Callagift Service, Hegweg 6, 63225 Langen,
Tel. 06103/303 32-0, Fax 303 32-20,
E-Mail: gew-shop@callagift.de Einzelbestellungen zum Preis von 2,70
Euro inklusive Versandkosten an: broschüren@gew.de oder per Fax an
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