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HINTERGRUND

Landesbanken ohne Gewähr

Sparkassen und Landesbanken verlieren einen wichtigen Wettbewerbsvorteil. Von Dienstag an müssen die öffentlichen Institute ohne Staatsgarantien am Markt bestehen.

VON B. SALZMANN (FRANKFURT A.M.)

Die WestLB bedient sich des Vokabulars des Astronomen Fred Hoyle. Der wohl prominenteste Gegner der Urknall-Theorie schuf einst den Begriff des "Big Bang". Genau den werde es am 19. Juli um 0 Uhr nicht geben, behaupten die Landesbanker aus Düsseldorf. Sie jedenfalls erwarten nicht, dass die deutsche Bankenlandschaft erschüttert wird, wenn die öffentlich-rechtlichen Institute die besondere finanzielle Rückendeckung des Staats verlieren.

Schließlich haben sich die Landesbanken im Urteil der WestLB auf den Tag X angemessen vorbereitet, unter anderem durch höhere Liquiditätspolster. Das werde sogar von den Ratingagenturen gewürdigt, die den meisten Instituten ein "Single A" ins Zeugnis schrieben, also ein "gerade noch gut" - trotz des Wegfalls der Garantien.

Anstaltslast und Gewährträgerhaftung hatten in der Vergangenheit dafür gesorgt, dass die öffentlichen Banken sich günstiger als ihre Wettbewerber am Kapitalmarkt refinanzieren konnten. Schließlich hätten Kommunen und Länder im Fall einer drohenden Pleite mit Finanzspritzen aushelfen müssen.

Bei den Ratingagenturen wie Standard & Poor's, Moody's und Fitch erhielten die Landesbanken daher ein "Triple-A", die Bestnote. Und die war bares Geld wert: Von den Noten ist die Höhe der Zinsen abhängig, die Kreditinstitute zahlen müssen, wenn sie sich Geld borgen - bei anderen Banken oder am Kapitalmarkt. Je günstiger die Zinsen, die sie selbst zahlen müssen, um so attraktiver können die Konditionen ausfallen, mit denen sie um Kunden werben - für Geldhäuser, die maßgeblich im Zinsgeschäft aktiv sind, ein zentraler Punkt.

Und für ihre Wettbewerber entsprechend ein steter Anlass zur Klage. Selten ließen Rolf-Ernst Breuer (Deutsche Bank) oder Klaus-Peter Müller (Commerzbank) die Möglichkeit aus, sich darüber zu beschweren. Und immer wieder davor zu warnen, dass der als unfair empfundene Wettbewerb die Margen verderbe, den Gewinn drücke, damit den Börsenwert schmälere und irgendwann die deutschen Banken ausländischen Eroberern ausliefere.

Obwohl sich nun die Bedingungen ändern, wird es keinen Triumphzug der Privaten am Finanzplatz Frankfurt geben. Denn die Sparkassen und Landesbanken hatten vier Jahre, um sich auf die neue Ära vorzubereiten. Genug Zeit, um Geschäfte neu zu ordnen und Kosten zu senken.

An der Küste bündelten die Länder Schleswig-Holstein und Hamburg ihre Kräfte in der HSH Nordbank. Im Südwesten schlüpfte die Landesbank Rheinland-Pfalz unter das Dach der Stuttgarter LBBW. Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband stockte seinen Haftungsfonds auf 4,2 Milliarden Euro auf, in einigen Bundesländern kamen regionale Geldtöpfe hinzu.

Außerdem rückten die Sparkassen und die Landesbanken enger zusammen - besonders ausgeprägt in Hessen, wo ein Verbund mit gemeinsamem Risikomanagement geschaffen wurde. Die Kreditinstitute vor Ort und die Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba) treten als wirtschaftliche Einheit auf. Helaba-Chef Günther Merl beschaffte der Bank obendrein im Vorgriff Liquidität. Stolz verkündet er, bis einschließlich 2008 "durchfinanziert" zu sein. Mit dem Erwerb der Frankfurter Sparkasse balanciert er zudem seine Risiken aus und erweitert seine Geschäftschancen.

Die Ratingagenturen honorieren das. Mit der Note "A+" von Fitch für langfristige Schulden schneiden Helaba, LBBW und BayernLB günstiger ab als Dresdner Bank, Commerzbank und Hypo-Vereinsbank. Alleine die Deutsche Bank überragt die Musterschüler aus dem öffentlichen Lager.

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Die Staatsgarantien

Konfliktfall: Die Staatsgarantien für öffentliche Banken - Gewährträgerhaftung und Anstaltslast - ließen die Europäische Bankenvereinigung in den neunziger Jahren nach Brüssel ziehen. Die Lobby der Privatbanken beklagte bei der EU, dass die Staatsgarantien zu einer Wettbewerbsverzerrung führen, da sich ihre Konkurrenten aus dem Sparkassen-Lager günstiger mit Geld versorgen können - und legte mit Erfolg Beschwerde ein. Die EU-Kommission verlangte im Mai 2001, die Garantien bis zum 18. Juli 2005 abzuschaffen.

Gewährträgerhaftung: Länder oder Kommunen müssen für alle Verbindlichkeiten von öffentlich-rechtlichen Instituten aufkommen. Geht eine Landesbank oder Sparkasse pleite, können die Gläubiger Ansprüche beim Staat geltend machen. In der Geschichte der Bundesrepublik mussten Sparkassen-Kunden allerdings noch nie entschädigt werden.

Anstaltslast: Länder und Kommunen sind als Träger der Landesbanken und Sparkassen verantwortlich für deren Funktionstüchtigkeit. Daraus folgt die Pflicht, die Institute bei Bedarf mit den erforderlichen finanziellen Mitteln auszustatten. sal
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Nicht nur Merl scheint zufrieden mit der externen Bewertung. Der Druck, der mit dem Wegfall der Staatsgarantien aufgebaut wurde, habe heilsame Wirkung auf die öffentlich-rechtlichen Banken gehabt, heißt es in deren eigenen Reihen. Die Mehrzahl sei leistungsstark wie nie. Sparkassenpräsident Dietrich Hoppenstedt erweckt mittlerweile den Eindruck, als sei der Abschied von den Garantien nicht der Rede wert. Denn der habe "weder auf die Leistungsfähigkeit der Institute noch auf die Beziehungen zu den Kunden negative Auswirkungen", versucht Hoppenstedt 50 Millionen Sparkassen-Kunden zu beruhigen.

Die Prognose ist gewagt. Noch kommt den öffentlichen Banken zu Gute, dass für alle vor dem 18. Juli 2005 abgeschlossenen Verbindlichkeiten altes Recht gilt. Im Englischen wird ein solches Rückwirkungsverbot sanft "grandfathering" genannt. Den Großvater gibt es freilich nicht ewig. Das wird die Konditionen bei der Geldbeschaffung noch einmal verschlechtern.

Ob den Kunden unter diesen Vorzeichen auf Dauer die selbst als günstig eingestuften Konditionen geboten werden können, hängt letztlich davon ab, ob die öffentlichen Banken profitabler werden und Trumpfkarten wie Merls Hessen-Verbund tatsächlich stechen. Da herrscht Nachholbedarf.

Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) riet im vergangenen Jahr auf dem Sparkassentag zu weiteren Schulterschlüssen. Er empfahl den derzeit elf Landesbanken, sich in drei großen Häusern zusammenzutun. "Das sollte die Richtung sein, wenn der Konsolidierungsprozess in diesem Bereich, wenn die Säule insgesamt, eine Zukunftsperspektive haben soll." Worte, die von Sparkassenpräsident Hoppenstedt stammen könnten.

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Dokument erstellt am 15.07.2005 um 16:52:48 Uhr
Erscheinungsdatum 16.07.2005